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1869 THE LIBRARY
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Beitrag zur Kenntnis
der
Vogelwelt Islands
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Bernhard Hantzsch
Mit 26 Abbildungen und 1 Karte
Berlin
Verlag von R. Friedläader & Sohn 1905
Druck von A. Hopfer in Burg b. M.
THZ PAGES IN THIS VOLUXE .^.AV£ • .:
SEEN INTERLEAVED WITH AN ACID ;:
FF.ZE PAPER 70 PERy. IT 3 IN' DING i
A.':3 70 REDüCE FURTHER DETERl- j- ORATIGN.
Vorwort.
Die ncicbsteheude Arbeit hut den Zweck, das Interesse an der Vogelwelt Islands bei Ornithologen und Reisenden zu fördern. Sie faßt in kritischer Weise die wertvollere Literatur, die brieflichen und mündlichen Angaben zuverlässiger Isländer, sowie die Ergebnisse eigener Untersuchungen zusammen. Auf absolute Vollständigkeit erhebt sie keinen Anspruch. Zur Zeit sind unsere Kenntnisse über die Vögel des behandelten Gebietes noch so lückenhaft, daß es unzweckmäßig wäre, eine abschließende Arbeit liefern zu wollen. Das geringe vorhandene Balgmaterial ist in Privatsammlungen und ötfentlichen Museen zerstreut, die Literatur bei Erwähnung ähnlicher Arten und Formen, sowie der Eier gewisser Vögel, teilweise nur mit Vorsicht verwendbar, die Insel selbst aber ein schwierig zu bereisendes Land von fast 105000 qkm, das noch jahrelanger ornithologischer Untersuchung bedarf, um in dieser Beziehung als einigermaßen erforscht zu gelten. Trotzdem halte ich eine vorläutige übersichtliche Behandlung des Stoffes für nötig, da außer der kurzgefaßten in englischer Sprache veröffentlichten Arbeit H. H. Slaters, die seither nicht unbeträchtlich überholt ist, keine solche aus neuerer Zeit vorliegt.
Die nachstehende Schrift zerfällt in einen allgemeinen und einen besonderen Teil. Der erstere hat den Zweck, den zweiten zu entlasten und übersichtlicher zu gestalten. Auch soll er dem Leser, der mit isländischen Verhältnissen unbekannt ist, die Möglichkeit verschaffen, sich anschauliche Vorstellungen biologischen Zusammenlebens der isländischen Vögel zu bilden. Der geschichtliche Überblick wird in ausführlicher Weise gegeben, weil im bes(»ndei-en Teile der Arbeit, mit Ausnalirao vereinzelter Fälle, die ältere Literatur unberücksichtigt bleiben soll.
In den angewendeten wissenschaftlichen Namen folge ich den üblichen Regeln für die zoologische Nomenklatur überhaupt (Journal für Ornithologie 1891, S. :')15— 329). Bei zahlreichen Vogelarten machte sich eine Hervor- hebung der für Island festgestellten Subspezies unbedingt nötig, zumal unsere Insel an der Grenze des paläarktischen. nearktischen und arktischen Fauneu- gebietes liegt. In solclien Fällen wählte ich trinäre Namen, mit denen ich im Ansclilusse an Hartert (Die Vögel der paläarktischen Fauna, S. VI, 1903) u. a. die örtlich verschiedenen Rassen ein und derselben Spezies bezeichnen will. Diese trinäre Benennung unterblieb bei x\rten. von denen zunächst feststehende
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jy Vorwort.
geographisclic Formen unbekannt oder noch ungenügend charakterisiert sind, in einigen Fällen auch bei seltneren Gästen, wie Cerc/mm tinnnucida (L.) und Asu) otiis (L.), die nur in Island weitentfernten Gebieten geographische Vertreter besitzen. Die angewendete Nomenklatur bezweckt möglichste Deutlichkeit, ist sich aber gewisser Mängel wohl ))ewußt. In der Auf- einanderfolge der Spezies schließe ich mich Schalow in seinen Vögeln der Arktis, 1904, an.
Die bei Besprechung der einzelnen Vogelarten angeführten Maße beziehen sich nur auf isländische Exemplare. Gewicht. Gesamtlänge und Flugbreite gebe ich bloß in solchen Fällen an, wo ich selbst Messungen von Vögeln im Fleische vornehmen konnte, ebenso die Färbung der Iris, des Schnabels, der Füße und sonstiger nackter Körperteile. Die Länge der Flügel habe ich bei kleineu Arten mit dem Zirkel, bei größeren mit dem Stabmaße, doch immer geradlinig vom äußersten Rande des Flügelbuges bis zur Spitze der letzten Handschwinge genommen, beim Schwänze die ganze Länge der größten Federn, indem ich ihn im ünterrücken aufwärts bog, was besonders beim Vogel im Fleische eine genaue Messung zuläßt. Als Länge der Tarsen bezeichne ich in üblicher Weise den Abstand zwischen der unteren Fersen- gelenk Vertiefung und dem Rande des obersten Laufschildes, als Schnabelläuge die Entfernung vom Beginne der hornigen Schnabeldecke des Oberkiefers bis zur Spitze desselben, alles mit dem Zirkel gemessen.
Den zahlreichen Oruithologeu, die mich bei Abfassung der Arbeit durch Auskünfte freundlichst unterstützten, insonderheit den Herren Kreisarzt p. Jönsson auf Heimaey (Vestmannaeyjar), Faktor P. Nielsen in Eyrarbakki (Island), Professor Dr. A. Newton in Cambridge, Dr. med. 0. Ottoßon in Lenhofda (Scliweden), Vizepräsident der Deutschen Oruithologischen Gesellschaft H. Schalow in Berlin, Vizeinspektor mng. scient. H. Winge in Kopenhagen und anderen, deren Namen im zweiten Teile angeführt werden, spreche ich nochmals meinen verbindlichsten Dank aus, desgleichen auch den Herren Major Baumaun und Maler Alf Bachmann in München für Überlassung einer Anzahl isländischer Photographien, Herrn stud. mag. Jon Ofeigsson aus Island (z. Z. in Kopenhagen) für sprachliche Angaben und Herrn W. Baer. Assistent an der Kgl. Forstakademie Tharandt, für die Untersuchung des Inhaltes einiger von mir mitgebrachter isländischer Vogelmagen. Meinen nochmaligen Dank auch allen Isländern, die mir bei meinem Aufenthalte auf ihrer Insel behilflich waren, besonders den Herren Konsul Thomsen und Kaufmann Björn Kristjänsson in Reykjavik, Kaufmann Möller in Hjalteyri, Bauer Einar Fridreksson in Reykjalid (Myvatn) und Pastor Matthias Eggertsson auf Grimsey!
Dresden-Planen, April 1905.
Bernhard Hantzsch.
Inhalt.
I. Allgemeiner Teil.
Seite
1. Geschichtlicher Überblick 1
2. Übersicht der wichtigsten Literatur 24
3. Bericht über meiue eigene isländische Reise. — Isländisches Vogel-
schutzgesetz 20
4. Die Landschaftsformeu Islands mit Hervorhebung ihrer Charaktervögel 32
5. Wandlungen innerhalb der Vogelwelt Islands in geschichtlich bekannter
Zeit 73
6. Zugverhältuisse isländischer Vögel 79
7. Bedeutung- der Vogelwelt Islands für die Bewohner. — Gezähmte Vögel 85
II. Besonderer Teil.
Verzeichnis der für Island festgestellten Vogelarteu 92
Besprechung derselben • 95
Anhang: Isländische Aussprachregeln 334
Sachregister 337
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite
Figur 1. Hjalteyri 28
,, 2. Reykjalid am Mfvatn 29
„ 3. P. Nielsen am Neste von Megalestris skna 31
„ 4. Grashindschaft bei Hjalteyri 33
„ 5. Lavafeld beim M;fvatn 40
„ 6. Schwefelberge beim M^vatn 41
„ 7. Nordwestisländische Steilküste 44
„8. ., ,, 45
.. 9. „ Küste 46
.10. „ 47
„ 11. Hölasandr nördlich vom Myvatn 49
,, 12. Wasserfall im Skjälfandafljdt '. 51
„ 13. Gullfoss in der Hvitc'i 52
,, 14. Slutnes im Myvatn 54
,,15. •• „ „ 55
,, 16. Strand bei Ebbe (Reykjavik) 61
„ 17. Südwestlicher Strand auf Grimsey 64
„ 18. Blick auf die Nordspitze von Grimsey 65
,, 19. Oberster Teil eines Vogelberges auf Grimsey 67
,, 20. Brutplatz von Alle alle auf Grimsey 126
,. 21. Nest von Megalestris skna 128
,, 22. Dunenjunge von Megaledris skna im Neste 129
,, 23. Kolonie von Rissa rissa im Pati-eksfjördr 137
,. 24. Nest von Lants mai-hius 140
,. 25. Hafsülastapa und gegenüberliegender Teil von Grimsey . . 162
,. 26. Kolonie von Somateria niollisshna in Südwestisland .... 200
Übersichtskarte von Island 335
Allgemeiner Teil. 1. Geschichtlicher Überblick.
Während die Inselu tropischer Meere vornehmlich durch die Üppigkeit ihrer Vegetation zur Besiedelung locken, ist es in nordischen Gebieten der Reichtum der Tierwelt, der einen Aufenthalt daselbst wünschenswert oder sogar überhaupt erst möglich macht. Besonders die Menge der Fische und Seevögel war es, die auch in Island den ersten Ansiedlern die wichtigste Garantie zur Existenzmöglichkeit bot. Die norwegischen Wikinger, die in der Mitte des 9. Jahrhunderts die Insel zu ihrem Wohnsitze wählten, waren zwar in der Heimat mehr auf die Tiere des Waldes angewiesen, wußten jedoch bei ihren häufigen Seefahrten auch die Geschöpfe des Meeres zu benutzen. Die zahlreicheren und größeren Vogelarten kannten sie selbst dem richtigen Namen nach recht wohl, wenn freilich die Beobachtungen über deren Lebensweise durch heidnischen Aberglauben arg verunstaltet wurden. Bekannt ist, daß man verschiedenen Vögeln nicht nur menschlichen Verstand und menschliche Gefühle beilegte, sondern sogar glaubte, sie befänden sich im Besitze übernatürlicher geistiger Kräfte. Von jenem aben- teuerlustigen Normannen Flöki Vilgerdarson, der Island den Namen gegeben haben soll, erzählt z. B. das altisländische Landnämabök ^), daß er mit Hilfe wegekundiger Raben die freilich schon vor ihm entdeckte Insel auffand. Dieser „große Seeräuber" aus Rogaland veranstaltete vor seiner Abreise ein Opferfest und „heiligte" dabei drei Raben, indem er sie durch zauberische Mittel zu befiihigen suchte, ihm den Weg zu weisen. Flöki fuhr nun — ums Jahr 8G5 — zunächst nach den Färöern und von da aus im Vertrauen auf die heiligen Odinsvögel weiter in das unbekannte Meer. Als er den ersten Raben fliegen ließ, kehrte dieser, so wird erzählt, gleich wieder um; der zweite schwang sich zwar ein Stück in die Luft, kam aber eben- falls bald zurück; der dritte jedoch flog richtig nach der Seite hin ab, wo die Seefahrer endlich das gesuchte Land auffanden. — Manche der norwegischen Edeln konnte freilich auch der Überfluß der fernen Insel an Fischen, See- hunden, Vögeln und Vogeleiern nicht verlocken, die Heimat zu verlassen,
1) J. C. Poestion, Island, S. 283, Wieu 1885. Hantzsch, Vogelwelt Islands.
2 Geschichtliches.
selbst wenn sie hier geächtet und verfolgt wurden. „Nach diesem Fischer- platze fahre ich nicht in meinen alten Tagen," sprach Ketill Flatnefr, als seine Söline ihm zuredeten, nach Island auszuwandern, um den Nachstellungen des Königs Haraldr Härfagri zu entgehen.')
l'iine Menge interessanter Mitteilungen über das Verständnis, welches diese Germanen den Vögeln entgegenbrachten, geben die ältere oder Lieder- Edda, die fälschlicherweise dem gelehrten Isländer S»mund Sigfusson (f 1133) zugeschrieben wird, und die jüngere oder Prosa-Edda des isländischen Geschichtsschreibers Snorri Sturlason (f 1241)-). Besonders Adler und Raben werden darin oft genannt, ferner noch Geier, Habichte, Krähen, Schwäne, Möven und von Hausvögeln Hühner und Gänse.
Einige Beispiele mögen folgen! So heißt es in der Wöltispa (Strophe 59) von dem Zustande nach der (TÖtterdämmerung:
„Aufsteigen seh' ich zum andern Male Aus der Flut die Erde in frischem Grün; IJber schäumenden fällen schwebt der Adler, Fische fängt er an felsiger Wand." (Gering.)
Im (irimnismöl wird erzählt (Str. 10):
,,Leicht kenntlich ist allen, die zu Odin kommen. Des Herrschers hoher Saal: Ein Wolf hängt westlich vom Tore,
Drüber schwebt oben ein Aar." (Gering.)
Nach altisländischem Volksglauben muß man, um die Sprache der Vögel ver- stehen zu können, einem lebenden Raben das Herz ausreißen und es unter die Zunge legen. Dieselbe Wirkung hat die Zunge des Steinfalken (Gering, 1. c, S. 207). Die Meinung, daß auch der Genuß eines Drachenherzens zum Verständnis der Vogelsprache verhelfe, kennzeichnet das Lied von Fal'uir (Fäfnismöl). Nachdem Sigurd nämlich, diesen Drachen getötet hatte, briet er dessen Herz am Spieße, und als er nun meinte^ daß es gar wäre und das Blut aus dem Herzen zu schäumen anfing, faßte er mit dem Finger daran. Er verbrannte sich aber und steckte den Finger in den Mund. Als hierdurch Fafnirs Herzblut auf seine Zunge kam, verstand er plötzlich die V^ogelsprache. Er hörte, was die Meisen im Gebüsche zwitscherten.
Die Raben sind meist als solche Vögel bezeichnet, die nach dem Kampfe sich von dem Fleische der Gefallenen sättigen. Zur Freude der Raben will mancher Held kämpfen, was eben bedeutet, seine Feinde erschlagen. Auch ist der schwarze Rabe ein Unglücksvogel, dessen Gekrächz Trauer verkündigt:
„Gesunken war Sigurd südlich am Rhein, Von hoher Heister schrie heiser ein Rabe."
(Simrock, Brynhildarkwida 4). Freilich hatten die alten Germanen auch wohl erkannt, welch' kluge Tiere die Raben sind, ja nicht mit Unrecht hielten sie diese für die klügsten von allen Vögeln und machten sie zu den allwissenden Dienern Odins. Auf den Schultern dieses hohen Gottes sitzen die Raben Hugin und Munin, „die sagen ihm ins Ohr alle Zeitungen, die sie hören und sehen. Er sendet sie morgens aus, alle Welten zu umfliegen, und mittags kehren sie zurück. Die Menschen nennen ihn deshalb Rabengott."
Krähen, Geier und Habichte waren als aasfressende Vögel berüchtigt, ihr Fleisch aber diente als Zauberspeise. In der Brynhildarkwida (Str. 4) heißt es von den Meuchelmördern Sigurds:
1) J. C. Poestion, 1. c, S. 288.
*) Die Edda, übersetzt und erläutert von Hugo Gering, Leipzig und Wien 1894. Karl Simrock, Stuttgart 1878.
Geschichtliches. 3
„Sie brieten Wolfsfloisch, den Wurm zerschnitten sie,
Gaben dem Guthorn Geier Heisch
Ehe sie mochten, die Mordgierigen,
An den hehren Helden die Hände legen." Weiter wird in der jüngeren Edda schon berichtet, daß man die „Falken warf" und mit ihrer Hilfe das Weidwerk übte.
Auch der Singschwan war den alten Isländern ein beachtenswerter Vogel, der oft erwähnt wird. „In Urds Brunnen nähren sich zwei Vögel, die Schwäne heißen". — Der Ase Niördr, der Skadi, die Tochter des Eiesen Thiassi, zur Frau hatte, wollte gern am IVIeeresstrande wohnen, sie aber auf- den Felsen in Thrymheim, der Burg ihres Vaters. Da Niördr von den Bergen nach dem Strande Noatun zurückkam, sang er:
„Leid sind mir die Berge, nicht lange war ich dort,
Nur neun Nächte.
Der Wölfe Heulen däuchte mich widrig
Gegen der Schwäne Singen." Aber Skadi entgegnete:
„Nicht schlafen könnt' ich am Ufer der See
Von der Vögel Lärm;
Da weckte mich vom Wasser kommend
Jeden Morgen die Möve.*' — (Simrock.)
Die Gänse werden öfters als Hausvögel genannt, besonders berühmt aber ist der Hahn mit seinem Krähen.
„Da saß am Hügel und schlug die Harfe
Der Riesin Hüter, der heitre Egdir.
Vor ihm sang im Vogelwalde
Der hochrote Hahn, geheißen Fialar."
,,Den Göttern gellend sang Gulliukambi,
Weckte die Helden beim Heervater,
Unter der Erde singt ein andrer,
Der schwarzrote Hahn in den Sälen Hels."
(Simrock, Wöluspa 34, 35.)
Diese Beispiele zeigen zur Genüge, wie der Alt-Isländer, beziehentlich der Nordgermane überhaupt, in seiner Naturkeuutnis jenen kindlichen Stand- punkt einnahm, auf dem sich heutzutage noch unsere Kinder befinden, wenn sie mit größtem Vergnügen die oft ungereimtesten Tierfabeln anhören.
Außer den erwähnten Vögeln nennt Benedikt GröndaF) noch eine gToße Menge andere, die in den alt-isländischen Gedichten genannt sind. Da es nicht uninteressant ist, diese Namen, von denen etwa 50 fast unver- ändert noch heute in Island gebraucht werden, mit den im II. Teile dieser Arbeit angeführten zu vergleichen, lasse ich sie folgen, zumal das isländische Schriftchen kaum irn Buchhandel zu haben sein dürfte. Die Vösel heißen:
Gammr, gripr, gauk)7J6rr, j Ödinshani, älka,
gaukr, sviplekja, grägäs, heim gas, gagl ok helsingr; geirl'ugl, geitüngr, gleda, dodr, kvisa, ari, nagr, arta, älpt, mär ok haukr.
önd, hrossagaukr,
hramn, hsens, himbrin,
iiryggjarstykki;
heri, hani, hsena,
ok hilduri,
üfr, valr, smyrill,
ugla, skurfir.
Svörr, storkr, süla, svarr, skadi, spai'rhaukr, stelkr, spörr, svala, steindelfr, spiki, sküfr, spöi, s;edingr, skarfr ok svartbakr, skeglingr, skidi, skjöldüngr, päi.
^) Islenzkt fuglatal, Reykjavik 1895.
Geschichtliches.
Kam, igda, kjalarfugl. kräka, di'ifa, iTÖstr, pidurr, periia. J^eisti, (liinnu: trana, tjaldr, titlinf(r, tyrcliliiii'ili, löiur, Ijevirki ok leitrblaka.
Jjängve, liindi, loa, fjölmödi, lyiing, löjra'll,
frigfrjarelda, riiidiljnari, liri, rjüpa, fjailrota, jarpi, ertla, ok jadrakarn.
Akri, dodka, eedr ok najtingr, kreppint/r, flödskitr, kjarfilki, sptetr, meisingr, j^fiiigr, rayrisnipa,
ritr, hajngivakr, rivaiiskintia.
Hrökr, g.jödr, liegri, ok haftyrdill, brandgäs, hrotgäs, briraorri, mär, sendiingr, skr^'tingr, siifefugl, skäri, vakr, valr, di'ifa. vallol'r. sturi.')
Diese sogenannte „eddisdie Nonjenkhitur" ist eine auf l'evgament im 13. Jalivhundert verfaßte und eddischen Abhandlungen einverleibte Auf- zeichnung vorstehender 119 Namen, von denen allerdings geitüngr (Wespe) und ledrblaka (Fledermaus) wegfallen müssen. Außer nordischen Vogelarten sind noch andere darin aufgezählt; eine Anzahl von Bezeichnungen lassen sich auch heute nicht mehr erklären.'^)
In jene alten Zeiten reicht auch die l-hitstehung des geschichtlich interessanten Namens für die Bekassine (Gallinago (jaUlnago): Hrossagaukur d. i. Roßkuckuck. Den Normannen, so wird erzählt, war in ihrer Heimat der Kuckuck ein wichtiger Orakelvogel. Weil sie diesen in Island nun nicht fanden, setzten sie an seine Stelle die Bekassine, deren pferdeartig wiehernde Töne, besonders durch zitternde Bewegungen der äußeren Schwanzfedern während des Fluges hervorgebracht, den Aberglauben zur Genüge reizten. Noch heutigen Tages vertritt die Bekassine in Island den Kuckuck als wahr- sagender Vogel. =') — Auch die Namen Odinshani (P/udaropus lohatm) und ])örshaui ( Cry mophilns fitlicarii(s) erinnern an die heidnische Zeit. Doch ist letzterer wahrscheinlich erst viel später jenem nachgebildet worden.
Snorri Sturlason, der Verfasser der Prosa- Edda, hat auch das große nordische Geschichtswerk Heiraskringla geschrieben. Daß hierin Wahrheit und Dichtung verbunden, beziehentlich mehr oder weniger kritiklos alte Yolkssagen aufgenommen sind, ist nach dem damaligen Stande der Geschichts- forschung erklärlich. Snorri erzählt z. B., daß König Haralld Gormsson von Dänemark (ca. 1200) zum Kriegszuge gegen Island rüstete, um sich für die Schmach zu rächen, die isländische Seefahrer ihm angetan hatten. Vorher aber sandte er, wie die Volkssage berichtet, einen zauberkundigen ]\Jaun nach der Insel, der in Walsgestalt um das Land fuhr. Er sah, daß alle Berge und Hügel voll waren von Schutzgeistern, die nebst Drachen. Würmern, Fröschen und Eidechsen ihm die Landung verwehrten und Gift entgcgen- bliesen. Als er endlich in den Eyjafjördr eindringen wollte, flog ihm ein Vogel entgegen, der war so groß, daß seine Schwingen hinausragten auf die Berge zu beiden Seiten, und hinter ihm kamen eine Fülle andere Vögel,
*) B. Gröndal, 1. c, S. 55—56.
') B. Gröndal, Isländische Vogelnamen, Ornis 1887, S. 618.
3) B. Gröndal, Ornis 1887, S. 597.
Geschichtliches. 5
große und kleine. So wurde auch hier dei- Zauberer zur ürakehr genötigt, und der Kriogszug König Harallds unterblieb.^)
Auf Tatsachen gründet sich die Mitteilung des Giraldus Cambrensis,-) der im 12. Jahrhundert in England lebte, wenn er schreibt, man fange in Island schöne große Falken und Habichte (!) und bringe sie von dort nach anderen Ländern.
Daß unter allen isländischen Vögeln keiner dem Jagdfalken au altem Ruhme gleichkommt, steht fest, Grund genug, diesen stattlichen Räuber auf das "Wappenschild Islands zu setzen. Im 13. Jahrhundert hatte der Bischof von Droutheim das alleinige Monopol, isländische Falken zu erwerben, bis die dänischen Könige dieses Recht für sich in Anspruch nahmen. Sie benutzten die Vögel teils für eigene Jagdzwecke, teils verschenkten sie diese an andere Vornehme, wovon in verschiedenen Schriften damaliger Zeit berichtet wird.
Von weiteren isländischen Vögeln bekommen wir auch aus dem 14. und 15. Jahrhundert nur ganz dürftige Mitteilungen. =^) Zu erwähnen ist die Gudmundarsaga des Abtes Arngrimr zu J)ingeyrar (11361). in der eine kurze Beschreibung Islands gegeben wird, die insofern Bedeutung hat, als sie die einzige aus dieser Zeit darstellt. Arngrimr schreibt darin: Island ist in manchen Gebieten der Nordküste so gestaltet, daß daselbst Berge von mächtiger Höhe stehen, die an einigen Stellen hundert Klafter noch über- steigt. Auf solchen Bergen sammeln sich im Sommer eine unzählige Menge von Seevögeln, die in den Höhlen und Klüften des Gebirges nisten. Der Lebensunterhalt vieler Leute besteht nun darin, die Eier und Vögel wegzu- nehmen. Der Vogelfänger läßt sich an einem Seile von oben an der Berg- wand herab, doch ist diese Fertigkeit mit Gefahr und Verlust an Menschen- leben verbunden, weil das Seil leicht beschädigt wird. (Thoroddsen I, 69.)
In den folgenden Jahrhunderten riefen besonders die Mitteilungen Interesse hervor, die berichteten, daß gewisse isländische Tiere mehr oder weniger weiß gefärbt seien. So erzählt der Schwede Olaus Magnus in seinem Buche über die Länder und Völker des Nordens,'^) daß es in Island sehr viele Raben gäbe, unter denen sich häufig weiße Exemplare fänden.
Auch Ditmar Blefkeu,'"^) dessen Mitteilungen freilich noch aben- teuerlicher klingen, als die des vorhin genannten, berichtet, es gäbe in Island ausgezeichnete Falken, die zum Teil weiß aussähen, ferner auch weiße Schnee-
') Snorri Sturlasous Heiuiskringla, Deutsche Übersetzung von Wachtor, TT. T. S. 247, Leipzig 1836.
'^) Cambriae descriptio, iu: Viriinnius Ponticus, Britannicae historiae libri VI. Londini 1585.
■') Eine ganze Anzahl der Tolgeuden Berichte, die sich auf ungedruckte Hand- schriften oder mir unzugängliche isländische Bücher beziehen, die aber docJi wieder- gegeben zu werden verdienen, entnehme ich der „Geschichte der isländischen Geographie'* von Th. Thoroddsen, auf deren deutsche Übersetzung aus dem Isländischen voit A. Gebhardt, I. T. Leipzig 1897, IL T. ebd. 1898. ich hinweise.
*) Rom 1555.
^) Islandia, usw. Lugduui Batavorum 1G07.
ß Geschichtliches.
liühner und inituiitor weiße Raben. Da Blefken selbst in Island gewesen sein soll, verdient die Mitteilung iirinierhin der Beachtung.
Der Isländer Björn Jönsson ') erzählt gleichfalls von weißen Falken, ebenso, daß mit dem Grönlandstreibeise weißgefleckte Raben kämen und vor kurzer Zeit — Anfang des 17. Jahrhunderts — ein ganz weißes Exemplar dieser Art beobachtet worden sei. Kr berichtet auch von Hvid-Ornen (Weiß- Adlern), worunter er jedenfalls Schneeeulen meint.
Diese und andere Mitteilungen wurden von den Gelehrten Mittel- europas derart verallgemeinert, daß mau glaubte, die meisten isländischen Tiere wären weiß, zumal man auch von weißen Füchsen und Bären Kunde erhielt. Auf alten Karten der Insel finden sich deshalb fast regelmäßig weiße Tiere, insbesondere Falken und Raben, zur Charakterisierung des Landes dargestellt.
Die Isländer selbst verfolgten die Landvögel nur wenig, schon weil ihnen geeignete Schießwatfen fehlten. Kein Kaufmann durfte der bäuerlichen Bevölkerung eine solche verkaufen, und mit Pfeil und Bogen jagen oder mit Schlingen fangen war ebenso müiisam als wenig erfolgreich. Es mochte deshalb für Ausländer eine Leichtigkeit sein, in kurzer Zeit große Mengen von Vögeln zu schießen, nicht nur weil es an geeigneten Orten solche in beträchtlicher Zahl gab, sondern auch weil die Vögel scheinbar geringe Scheu gegen den Menschen zeigten. So berichtete einer von Hudsons (lefährten in einem Briefe nach England, geschrieben am 30. Mai 1610 in Nordisland:'-) „Am Weißen Sonntage waren wir auf dem Nordkap von Island und lebten dort so gut, wie kaum in England. Die Bewohner dieser Gegend sind äußerst arm und führen ein kümmerliches Leben. Aber wir fanden eine große Menge Fische und viele wohlschmeckende Vögel. Au einem einzigen Abende habe ich so viele davon erlegt, daß die ganze Schiffsmannschaft von 23 Köpfen zu Mittag allein von den Schneehühnern eine reichliche Mahlzeit hatte, ohne die Brachvögel, Regenpfeifer, Wildenten, Krickeuten und Gänse zu zählen.''
Wenn derartige gelegentliche Notizen über die Vogelwelt Islands auch liistorisches Interesse haben, kann man ihnen doch wissenschaftlicii keinen besonderen Wert beilegen, zumal man nie weiß, inwieweit der Berichterstatter glaubwürdig ist. Bis in das 17. Jahrhundert hinein begegnet man vorurteils- freier, sachlich richtiger Naturbeobachtung äußerst selten. Die Landbevölkerung, die in regem Verkehre mit der Natur stellt, hat keinen Sinn für die alltäg- liche Umgebung oder verbindet alle Beobachtungen mit den sonderbarsten Vorstellungen. Die sogenannten Naturkundigen aber schreiben in der Haupt- sache nur Gehörtes ab, reproduzieren Gelesenes oder stützen ihre Mitteilungen auf Annahmen. Der wichtigste Grund, weshalb man gerade im 17. Jahr- hundert so selten eigene Untersuchungen in der Natur anstellt, liegt aber in dem beispiellosen Aberglauben, der alle Kreise gefangen hält. Jedes freie naturwissenschaftliche Studium Itringt die Gefahr mit sich, gerichtliche
*) S. Thormod Torl'aeus, (jronlandia Antiqua, 1715. '^) In Samuel Purchas: His pilgrimes, London 1625.
Geschichtliches. 7
Verfolgung, ja selbst Folterung und Verbrennung nach sich zu ziehen. Dies ist in Island kaum besser als im übrigen Europa. Trotzdem existieren einige Männer, die im Rahmen ihrer Zeit auch für unseru Gegenstand nicht unwichtige Werke verfaßt liaben.
Vor allen andern ist Jon Gudmundsson der Gelehrte (f c. 1650) zu nennen, dessen Buch „Von Islands unterschiedlichen Naturen"') zahl- reiche ornithologische Mitteilungen bringt, die deutlich die Auffassung des Jahrhunderts wiederspiegeln. Ein besonderer Abschnitt behandelt „einige Gattungen von Vögeln". Jon teilt diese nach ihrem Aufenthalte ein in Land-, Sumpf-, Heide-, Strand- und Schärenvögel. Er nennt die meisten der noch heute in Island gewöhnlicheren Arten, und manches, was er über sie schreibt, zeugt von guter Beobachtung. Freilich erzählt er auch eine Menge Märchen. So sagt er z. B. vom Zaunkönige: „Er hat das vor andern Vögeln voraus, daß er auf der Erde nicht getötet werden kann und sofort entkommt oder vor dem Streiche in der p]rde verschwindet, außer wenn dieser ihn trifft, solange er in der Luft ist. Er meidet die Fensterki-euze uud lebt in Löchern gleich der Maus."
Jon, der viele Edelsteine besessen haben will, erzählt auch, daß er den Lebensstein Bezoar gefunden hätte, mit dem die Eaben ihren Jangen Leben beibringen. Von andern Natursteinen sollen diese Vögel auch ihren großen Verstand und ihre Weisheit besitzen. „Jung war ich noch", sagt Jon, „als ich sah, wie ein alter Geistlicher mit einem Raben redete." Im Kröpfe einer Bachstelze fand er ebenfalls einen merkwürdigen Naturstein, doch ist er nicht gut auf diesen Vogel zu sprechen, nennt ihn giftig und rachsüchtig und sagt, „eine Bachstelze töten, das kann nur ein glückloser Gauner tun".
Jon Gudmundsson hat auch ein „Lied von den Vögeln" gedichtet: wenigstens stammen die 13 letzten Strophen desselben von ihm, während die 3 ersten wahrscheinlich von |)orleifur pördarson (der Zauber -Leih, j 1647) herrühren. In diesem Liede sind 52 Arten isländischer Vögel auf- gezählt und außerdem noch 10 ausländische genannt. Von den meisten werden Notizen über ihre Lebensweise gegeben.
„Wenig weiß ich Hübsches beizubringen,
Will nun Islands Vögel hier besingen,
Wie's meine Kunst im Lied mir läßt gelingen."
„Rabe, Odinshuhn und Aar
Ist dreier Vögel Name fürwahr ..."
„Zierlich und klein der Zaunkönig ist
Und ziemlich ohne Nutzen."
„Taucher, Möven und noch mehr
Schwimmen auf dem Meer umher,
Die Kragenente kommt daher . . .•'-)
1) Thoroddsen II, 95 f.
2) Viele Namen isländischer Vögel enthält auch das Lied von den Klauen- vögeln („Vor allen andern nenne ich den alten schwarzen Raben") und die Lieder porbjörn Salömonssons von den See- und Landvögeln („Viel Uferläufer einst ich sah").
g Geschichtliches.
Die Schriften Jon Gudraimdssons waren lange Zeit die wichtigste Quelle, aus der spätere Schriltsteller schöpften, wenn sie über die zoologischen Verhältnisse Islands berichten wollten. Viele der von ihm erzählten Tier- sagen sollen auch noch heute unter der Bevölkerung der Insel verbreitet sein.
Weitere Angaben über isländische Vögel finden sich in Jon Dadasons (f 1676) „Hexensabbat."^) Der Verfasser rechnet freilich alles, was fliegen kann, zu unsrer Tierklasse, so auch „Biene, Drache, Grashüpfer und Fleder- maus". Von den Zugvögeln sagt er: „Einige Vögel fliegen nach andern Ländern; der Eidervogel, der Seepapagei und der Austernflscher nach Barbaria^), die Ringelgans, die Bläßgans und die Weißwangengans nach England und Frankreich, der Brachvogel, die Pfuhlschnepfe und der Goldregenpfeifer nach den Orkneys, der Schwan aufs offene Meer und die Entenvögel nach den Binnenseen." Vom Adler erzählt Jon: „Der Adler heißt der König der Vögel und das Wappen des Kaisers. Man glaubt, er werde hundert Jahre alt und verjünge sich dann wieder, sei vom Blitze unverletzbar, trage den Lösestein in sein Nest, wenn er brüten wolle, fliege am höchsten und sehe am schärfsten von allen Vögeln; er lehre seine Jungen, in die Sonne zu schauen, auch wolle er wissen, wo Aas zu erwarten sei, könne sehr wohl bei Heilungen gebraucht werden" usw. „Das ist gewiß: der Adler wirft sein Gefieder ab, wie andere Vögel, wie der Krebs die Schale, die Schlange die Haut, die Vierfüßler das Haar, doch verjüngt sich kein einziges Wesen oder entsteht von neuem und der Adler am allerwenigsten."
Von isländischen Schriften des 17. Jahrhunderts, die für unseren Gegen- stand einige Bedeutung haben, mögen noch folgende genannt sein.
Gisli Oddsson schrieb 1638 ein Buch „De mirabilis Islandiae", worin von den zahmen Vögeln, den Zugvögeln, dem Winteraufenthalte der Vögel und den Seevögeln Mitteilungen gegeben werden. (Thoroddsen II, 119.)
Der Bischof ]>orläkur Skülason berichtet dem Könige Christian IV. auf dessen Befragen hin (1647), daß die isländischen Falken nicht, wie die Ausländer meist glaubten, alle weiß, sondern im Gegenteile gewöhnlich grau seien. Auch hätte er nur ein einziges Mal einen weißen Raben gesehen. (Thoroddsen II, 122.) Der andere der beiden Bischöfe, B r y n j ö 1 f u r S v e i n s s o n dagegen, berichtete auf dieselbe Anfrage hin, daß ihm niemals weiße Raben zu Gesicht gekommen seien. (Thoroddsen 11, 124.)
Ebenfalls im Jahre 1647 sandte der gebildete Isländer Gisli Magnussen, der in Dänemark, Holland und England studiert hatte, an den König eine Abhandlung, in welcher er Vorschläge für eine Hebung Islands gibt. Hierin spricht er es als notwendig aus, daß die Leute in einer vorteilhafteren Art des Vogel- und Fischfanges unterwiesen würden und zählt verschiedene Vögel auf, die mehr beachtet werden sollten. Weiter fügt er hinzu, daß die Bewohner diese und andere flrwerbsquellen kaum auszunützen verstünden.
1) Thoroddsen II, 105.
*) Barbaria ist die Berberei, ehemals auch die Barbareskenstaaten genanut, also die nordafrikanischen Küstenländer von Tunis bis Marolvko.
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Er erklärt bestimmt, daß die Armut ab- und der Handel zunehmen würden, wenn man Fiscli- und Vogelfang rationeller betriebe (Thoroddsen 11, 133).
Bischof ):)örd j^orläksson (Theodorus Thorhicius) beschrieb 1666 seine Heimatinsel und zählte auch einige Vogelarteu derselben auf. „Der nützlichste aller Vögel," sagt er, „ist der p]idervogel; denn die Fremden kaufen seine Dunen für teures Geld" (Thoroddsen II, 147).
Der in Dänemark lebende Holländer Olaus Worraius (Ole Worm) stand mit verschiedenen Isländern, die in Kopenhagen studiert hatten, in dauernder Verbindung und erhielt von diesen Mitteilungen und Naturalien der Insel. Seine naturwissenschaftlichen Sammlungen waren weit berühmt, doch erschien deren Beschreibung erst nach seinem Tode.^) Etwas Neues über Island bringt diese Schrift nicht.
p]benso enthalten die drei weiteren, nicht isländischen Arbeiten des 17. Jahrhunderts wohl ziemlich ausführliche Darstellungen der Vogelwelt unserer Insel, sind aber voll von Anekdoten und Irrtümern, weshalb ich unterlasse, ausführlicher über sie zu berichten. 1638 erschien in polnischer Sprache ein Buch über Island, dessen Verfasser Daniel Streyc (Fetterus) wahrscheinlich 1613—14 selbst die Insel bereist hatte. 1654 veröffentlichte der Däne Jens Lauridsen Wolf sein Encomiou regui Daniae, in dem er 61 Arten von Vögeln aufzählte. 1684 — 88 endlich verfaßte der Universitäts- professor und Bürgermeister von Kopenhagen, Peter Resen, eine ausführ- liche Beschreibung Islands in lateinischer Sprache, die aber nie gedruckt wurde (Thoroddsen II, 196).
Im 18. Jahrhundert wächst die Literatur über die ornithologischen Verhältnisse Islands beträchtlich. Man hat gelernt, die Natur ungleich besser zu beobachten als früher und beginnt, sie um ihrer selbst willen zu studieren. Man schreibt nicht bloß Gehörtes und Gelesenes nieder, sondern begründet seine Mitteilungen durch eigene Untersuchungen. Deshalb finden sich hier und da Bemerkungen über das Leben der Vögel, die heutzutage nicht anders gegeben werden könnten, wodurch solche Schriften etwas mehr als rein historisches Interesse für uns erhalten. Schwierigkeit bereiten dem Leser dieser Bücher, insbesondere wenn es sich um Übersetzungen handelt, die häufige Unklarheit der angeführten Namen, sowie mannigfache Verwechslungen feststehender Arten untereinander. Aus diesem Grunde darf man Mit- teilungen über das Vorkommen seltener und schwierig zu beobachtender Vögel nicht allzugroßen Wert beilegen.
Von isländischen Schriften selbst sind im dänischen Reichsarchive 26 Sysselbeschreibungen verwahrt, die in den Jahren 1744 — 50 entstanden sind. In einigen derselben finden sich nach den Mitteilungen Thoroddsens auch eingehende Bescln-eibungen über die Vogelwelt der betreffenden Gebiete, die freilich nicht allzuviel Neues zu bringen scheinen. In der Besprechung der ]3ingevjarsysla z. B. wird von Jon Benediktsson über den Vogelfang auf Langanes berichtet: „Anfang Juni kommen die Leute auf den Felsen
') Olaus Wormius, Musenm Worniianum usw. Lugduni Batavorum 1655.
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zusamnien und lasaeii einander an einem Tau liinab, das 80 Klafter lang und aus 8 Kiemen von Rindsleder gedreht ist. Der Fänger (sigamadur) hat in der Hand eine Stange von 7 — 9 Ellen Länge mit einer Schlinge aus Fischbein am Ende. Damit fängt er die Vögel, drelit ihnen das (lenick um und bindet sie an das Tau; die Eier aber steckt er in den Busen seines Mantels. So werden täglich einige liundert Vögel erlangt." Diese Schilderung läßt erkennen, wie wenig sich in den letzten zwei Jahrhunderten die Art des Vogelfanges auf Island verändert liat. Bei der Besprechung des Mfvatn werden 10 Entenarten genannt und beschrieben, die daselbst brüten. Freilich erzählt man auch noch abergläubisch von kleinen Vögeln, die auf den heißen Quellen schwömmen oder sogar in diesen untertauchten, ohne zu verbrennen, ebenso, daß es in verschiedenen Gegenden Islands giftige Seen gäbe und die Vögel, die darüber flögen, sterben müßten.
Das erste gedruckte Buch des 18. Jahrhunderts, das bedeutsame Mit- teilungen über Island brachte, verfaßte der Bürgermeister Johann Anderson in Hamburg^). Freilich war dieser selbst nie in Island und hat auch seine Angaben über die Vogelwelt der Insel mit allen möglichen Anekdoten ver- knüpft, die das Buch lesenswerter machen sollten, in Wirklichkeit aber nur seiner Glaubwürdigkeit schaden. DerVerfiisser schreibt z. B.: „Die Adler auf Island sind teilweise sehr stark und keck und richten besonders unter dem jungen Vieh großen Schaden an. Menschen beunruhigen sie im allgemeinen nicht, wenn sie aber zufällig an einer angetriebenen Leiche Menscheufleiscb gekostet haben, werden sie so lüstern darnach, daß sie Kinder von 4 bis 5 Jahren wegschnappen und in ihr Nest schleppen". „Die große Seemöve (Larus marimisf) holt Fische aus dem Meere und schleppt sie ans Land. Die Bauern aber haben ihre Kinder gelehrt, sobald sie gewahr werden, daß eine Seemöve mit einem solchen Fische kommt, ihr diesen abzujagen und den Eltern zu bringen". „Die meisten isländischen Entenarten", sagt er an anderer Stelle, „schmecken ekelhaft nach Tran; doch kehren sich die Isländer nicht daran, sondern schmeißen alles, was sie nur auf den Klippen erhalten oder auf den Sandhügeln ausgraben können, in den Topf, kochen es auf ihre Weise und schicken es in ihren vortrefflichen Magen hinunter." Über den Eidervogel berichtet er folgendes: „Man hat mir von dem Eidervogel erzählt, daß er, wenn man einen Stab von einer halben Elle mitten ins Nest stecke, gar über die Gewohnheit fortlege und nicht eher aufhöre, bis die Spitze des Steckens, damit er darüber sitzen könne, mit Eiern bedeckt sei, wodurch der Vogel aber dermaßen sich entkräftet, daß er den Tod davon nimmt." „Der Geyrvogel wird gar selten gesehen und zwar nur an den Klippen, die von ihm den Namen Geyrfugl-Sker führen. Die Isländer glauben, daß, wenn dieser Vogel sich sehen läßt, es eine recht sonderliche und große Begebenheit vorbedeute. So seien das Jahr vor dem Ableben König Friedriclis IV. verschiedene gesehen worden."
') Johann Anderson, Nachrichten von Island, Grönland und der Straße Davis, usw. Hamburg 1746.
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Trotz derartiger fabelhafter Erzähluugeii, wie sie ja noch heute dem in Ishmd reisenden Ornithologen nicht selten in ähnlicher Weise geboten werden, verbreitete das Andersonsche Buch besonders in Deutschland die Kenntnis auch von den isländischen Vögeln um ein erhebliches.
Die offenbaren Fehler desselben aber suchte 1752 der Däne Niels Horrebow zu berichtigen. Dieser hatte zwei Jahre, von 1749 — 51, jeden- falls auf Kosten der 1742 neubegründeten dänischen Gesellschaft der Wissen- schaften, in Island zugebracht und war deshalb wohl geeignet, glaubhafte Mitteilungen über die Insel zu bringen. Sein Buch^) ist teilweise eine Widerlegung, teilweise auch eine. Ergänzung des Andersonschen Werkes, im allgemeinen weit richtiger und selbständiger als dieses. Als Beispiel für die Darstellungsweise Horrebows mag des geschichtlichen Interesses wegen augeführt sein, was er in § 40 über die Falken sagt. „Die isländischen Falken
sind weiß, halbweiß oder grau und die Männchen etwas kleiner als die Weibchen. Doch sind sie alle von einer Art, und daher finden sich bisweilen in einem einzigen Neste .Junge von jeder Farbe. Im Winter kommen auch welche von Grönland herüber. Diese sind meistenteils weiß und werden von den Isländern fliegende Falken (üugfälkur) genannt, weil sie keine Nester im Lande haben. Die isländischen Falken sind die besten und stärksten von allen, und während ein norwegischer Falk nur ein paar Jahre zur Jagd dienlich sein kann, ist es ein isländischer bis zu 12 Jahren und darüber. Außerdem sind sie auch größer. Der königliche Reise-Falkonier kommt jährlich mit einem oder zwei Bedienten mit einem Schifte von Holm (das jetzige Keykjavik) nach Bessastadir. Diese selbst fangen aber keine Falken, sondern nehmen nur die von den Isländern im Laufe des Jahres gefangenen Falken in Empl'ang. In jedem Distrikte Islands sind nämlich Falkenfängei-, welche Briefe vom Amtmann darauf haben. Auf Johannis kommen diese Falkenfänger, jeder mit seinen Falken, nach Bessastadir ge- ritten, da ein Jlann zu Pferd deren 10 — 12 Stück führen kann, welche alle verkappet und an eine Querstange gebunden sind. Selbige gehet über eine andere Stange, die der Kerl in der rechten Hand wie eine Standarte führet und auf dem rechten Steig- bügel ruhen läßt. Alsdann ist des Reise-Falkoniers Amt, die Tüchtigen zu sich zu nehmen, die Untüchtigen aber zu kassieren und erstere zu Schiff mit sich nach Kopenhagen zu führen. Gegen des Keise-Falkoniers Beweis empfangen die Falken- fänger von des Königs Landvogt 15 Rtr. für einen weißen Falken, 10 Utr. für einen halbweißen und außerdem eine Douceur von 2—4 Rtr., wenn sie dergleichen bringen. Für einen grauen Falken erhielten sie vordem 5 Rtr., seit einigen Jahren aber hat ihnen der König für einen jeden grauen Falken 7 Rtr. allergnädigst zugelegt." „Die Falkenfänger fangen aber die Falken auf folgende Weise: Sie schlagen zwei Pfähle in tlie Erde, unweit voneinander; an dem einen wird eine Rype (Schneehuhn), Taube oder in deren Mangel ein Hahn oder Henne mit einer Schnur von 3 — 7 Ellen Länge am Fuße festgebunden, auf daß die Rype oder Taube Raum hat, etwas in die Höhe flattern zu können und der Falk sie desto eher sieht. An den Fuß selbiger Rype binden sie noch eine andere Schnur von 80 Faden, welche durch ein Loch des anderen Pfahls gehet, sodaß der Falkentänger mit dieser Schnur die Rype von dem ersten zum andern Pfahle hinziehen kann. Bei diesem Pfahl ist ein Garn aufgestellt, wie eine Fischreuse, mit einem großen Tonnenband in einem halben Zirkel von 3 Ellen im diametcr perpendiculair aufstehend, welches, wenn es niederfällt, über den andern Pfahl gehet, zu welchem Ende eine ebensolange Schnur, wie die vorige, oben in dem halben Zirkel festgemacht ist und durch den ersten Pfahl niedergehet nach dem Falken- fänger, mit welcher Schnur er das Garn über den Falken ziehen kann, gleichwie er
^) Niels Horrebow. Tilforladelige Efterretninger om Island med et nyt Landkort og 2 Aars meteorologiske Observationer. Kjebenhavn 1752. — Deutsch bei Fr. Chr. Pelt, Kopenhagen und Leipzig 1753.
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mit der andern Schnur die Rype von dem ersten Pfalil zum andern hinziehen kann. IJiese Anstalten machen die Falkenfänger entweder da, wohin, wie sie vermuten, Falken kommen, oder in der Xähe von Falkennestern oder auch, wenn sie eineti „fließenden Falken" ankommen sehen. — Wenn nun der Falk diese Rype oder Taube unten an der Erde flattern sieht, schwingt er sich einigemal in der Luft über der Stelle herum und siehct, ob wohl Gefahr vorlianden sei. Endlich schießt er nieder mit aller Force und zwar solchergestalt, daß der Kopf von der Hype so glatt abgehet, als wäre er mit einem Messer abgeschnitten. Sobald der Falk den Vogel gestoßen, fliegt er gern wieder auf — er müßte denn allzu hungrig sein — um sich vorzusehen, damit er seine Mahl- zeit außer Gefahr verzehren kann. Mittlerweile er nun also auffliegt, zieht der Falken- tanger mit der einen Schnur die Kype hin zu dem andern Pfahl dicht neben das Netz, welches der Falk nicht merken kann, und wenn derselbe alsdann wiederkoumit, um sich mit der gemachten Beute zu traktieren, zieht der Falkenfänger mit der andern Schnur das Netz über den Falken, sodaß er darunter sitzt, gleichwie in einem Käfige oder Vogelbauer, und solchergestalt macht er sich denselben zur Beute; worauf der Falkenfänger alsbald hinzugehet und den Falken sehr vorsichtig herausnimmt, indem keine Feder in seinen Flügeln oder Schwanz, wenn es recht sein soll, beschädigt werden muß, und mit Ueihiilfe eines andern Kerls setzet er eine Kappe über seine Augen. In währender Zeit, daß der Fang dauert, hält sich der Falkenfänger verborgen und so stille er nur kann, hinter etlichen Steinen, oder liegt auch platt nieder auf der Erde und ist .50 — -80 Faden davon, sodaß sich der Falk keine Gedanken macht, wenn er ihn schon erblicket, daß er dort etwas zu bestellen habe, nachdem er so fern davon ist.'- „Wenn das Falkenschiff fertig ist, werden so viele Ochsen geschlachtet als nötig ist, um die Falken 14 Tage lang damit zu füttern. Außerdem aber wird an Ochsen und Schafen soviel lebendes Vieh mit an Bord genommen, daß sie bis zur Ankunft in Kopenhagen ausreichen. Gewöhnlich ist das Schiff auf 7 Wochen ausgerüstet. Das Fleisch, mit dem die Falken gefüttert werden, wird in Milch getaucht und mit Ol und Eiern ver- mischt, wenn die Falken krank sind. An Bord sitzen die Falken unter Deck verkappt in 2 Reihen auf jeder Seite auf Stangen, die mit Kissen von Wadmel und fest mit Heu gestopft sind."
Älinlicb wie Horrebows Werk hat auch das nun zu erwähnende von Olafsson und Pälsson^) heutzutage in der Hauptsache nur noch historischeu Wert, weil die darin enthaltenen biologischen Beschreibungen der Vogel- welt woiil in jeder Hinsiclit durch vollständigere oder zum mindesten gleich- wertige neuere überholt worden sind, die Mitteilungen über die geographische Verbreitung der Vögel aber nicht mehr maßgebend sein können und außer- dem auch mannigfache Verwechslungen, beziehentlich Unklarheiten über die Arten den ornithologischcn Wert des Buches beeinträchtigen. Immerhin muß dieses als das vollständigste seiner Zeit gelten, auf das eine ganze Anzahl Mitteilungen über die Vogelwelt Islands, die noch lieute sel))st in ornithologischen Werken ab und zu Eingang finden, zurückzuführen sind. Deshalb verdient das Buch samt seinen Verfassern eine ausführlicliere Be- sprechung.
Das zweibändige Werk stützt sich auf die Erfahrungen der beiden Isländer Eggert Olafsson (dänisch Ohifsen) und Bjarni Pdlsson (Povelsen). Diese hatten an der Kopenhagener Universität studiert, Olafsson Mathematik,^
') Eggert Olat'sens og Biarne Povelsens Reise igjennem Island, foranstaltet af Videnskabernes Sälskab i Kiöbonhavn og beskreven af forbenieldte Eggert Olafsen. 2 Bände, Soroe 1772. - Deutsche Übersetzung: Kopenhagen und Leipzig, 1. Teil 1774. 2. Teil 1775.
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Physik uucl Ökonomie, Pdlsson besonders Medizin. Sie bereisten ihre Heimat- insel, hauptsächlich die Küstengebiete, teilweise gemeinsam, teilweise auch jeder für sicli in den Jahren 1752 — 57. An die sie unterstützende dänische Gesellschaft der Wissenschaften in Kopenhagen sandten sie zunächst einzelne Reiseberichte, die in gelehrten Zeitungen veröffentliclit wurden. Eingehender l)eschrieben sie die Resultate ihrer Reisen in ihren Tagebüchern, deren Be- arbeitung später Ölafsson allein übernahm. Vieles strich er, anderes fügte er neu hiiizu, wobei er auch ungedruckte Schriften und mündliche Mitteilungen benutzte. Im Jahre 1767 wurde Ölafsson Vize-Lavmand in Island, hatte aber im folgenden Jahre das Unglück, im Meere zu ertrinken. Die geretteten Manuskripte bearbeitete nun der Däne G. Schi0nning, Professor der Ge- schichte an der Ritterakademie zu Soroe. Aus der Menge der zum Teil von Ölafsson selbst hergestellten Abbildungen wählte Professor Brünnich die besten aus, die denn auch bei den meisten Vögeln auf den ersten Blick die Art erkennen lassen.
Der Plan des Werkes folgt der Einteilung des Landes, wodurch die ornithologischen Mitteilungen zerrissen und teilweise wiederholt werden. Ölafsson führt außer einigen unbestimmten und unbestimmbaren Vögeln 60 Arten an, von denen mit Ausnahme von Alca impeuins alle noch heute in Island gefunden werden. Auffälligerweise nennt er dagegen weder Falco ineriUns noch Glaiirionetta Ulaiidica u. a. Imius canus und Rlssa rissa hält er für eine Art; die nur stummelartig sichtbare Zehe sei durch das Sitzen auf harten Felsen abgebrochen. Die wichtigsten Vogelarteu werden ein- gehender behandelt und von verschiedenen ausführliche und gute Schilderungen gegeben. Allerdings wiederholt Ölafsson auch die Ansichten der Bevölkerung und erzählt dabei manches abgeschmackte Märchen über gewisse Vögel. So
schreibt er Z. B. über die Wasserralle : „Ob wir schon keine vollkommene Be- schreibung von diesem \'ogel geben können, dürfen wir ihn doch nicht übergehen, da er die wunderbarste Haushaltung von allen Vögeln hat, der irrigen Hegriffe nicht zu ge- denken, die man überhaupt von ihm hat. Man sagt z. B., daß der Kieldu-Svin" (so der isländische Name für Ballus aquaficus) „halb die Natur eines Wurmes hat, und wenn er verfolgt wird, in die Erde kriechen kann, wie hart und dicht auch der Boden sei; denn er kann nicht fliegen. Abergläubische 3Ienschen haben ihm ein großes Ver- mögen zu wunderbaren Dingen und insbesondere zur Hexerei beigelegt, weiche ungereimte Meinung daher ihren Ursprung haben mag, weil dieser Vogel selten ist. Was man vom Kicldu-Svin mit Grewißlieit sagen kann, ist, daß er sich an einigen Orten in Island und am öftersten bei warmen Bädern oder auch nahe bei Quellen. Bächen und Morästen aufhält. Der Vogel kann nicht fliegen, sondern hält sich unten bei der Erde in Ritzen und Höhlen, und wenn man ihn auf der Erde antrifft, welches oft geschieht, geht er einem sogar auf dem ebenen Felde in einem Augenblicke aus dem (iesichte; denn er ist sehr gewiß darauf, seine kleinen Winkel und verborgenen Gänge in der Erde zu finden, welche mau nicht sehen kann und deshalb Gelegenheit genommen hat, unter- schiedliche Fabeln von ihm zu erdichten. Im Winter befindet er sich meistens in der Erde, wo der Grund nicht friert, am allermeisten, wo er warm und zugleich offen ist. Auf Reykholt sieht man ihn oft nahe am Priesterhofe und dem warmen Bade, wo die Katzen ihn zuweilen gefangen haben. Wie viele Mühe wir uns auch gegeben, so haben wir ihn doch noch nicht in die Hände bekommen können. Vor vielen Jahren hat einer von uns, nämlich Bjarni Pälssou, ihn ziemlich genau gesehen, und außerdem haben wir mit glaubwürdigen Männern, die ihn gefangen und betrachtet haben,
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gesprochen. Seine Größe kommt mit Selningeii — Arquatella maritima --- sehr überein. Er ist aschf^rau in der Farbe, hat weiche Federn und geschmeidige Gliedmaßen.'")
Der Fulkciifany- war zu Olafssons Zeiten noch immer in Blüte und brat'lite dem Lande alljährlich 2 — 30t)0 Rtr. ein, bis er dann gegen Ende des Jahrhunderts eingestellt wurde. Olafsson gibt ebenfalls geschichtliche Notizen über diese wichtige Erwerbsquelle Islands. Weil die dänischen Reisc-Falkoniere die Gewohnlieit geliabt hatten, diejenigen unter den ge- brachten Vögeln zu töten, die entweder zu alt waren, zu wenige Federn be- saßen oder auf irgend eine Weise zu Schaden gekommen und für die Jagd unbrauchbar geworden waren, verringerte sich die Zahl der Falken mehr und mehr. Doch suchten die Falkoniere auf diese Weise zu verhüten, daß die betreffenden Tiere ihnen nochmals gebracht wurden. Oft waren aber solche Vögel noch fortpflanzungstüchtig und ,. Schaden taten sie weiter nicht, als daß sie, wenn sie oft gefangen würden, dem Falkeufänger die vergebliche Arbeit überdrüssig machen könnten. Im Jahre 1651 beantragte deshalb der damalige Amtmann über Island, Henrik Bjelke, beim Althinge, eine Strafe auf solche Tötung der Vögel zu setzen, welcher Vorschlag auch tatsächlich zum Gesetze erhoben wurde" (1. c. I, S. 32),
Auch von dem Fange der Seevögel zu Nahrungszwecken berichtet Olafsson an verschiedenen Stellen. „Man fängt besonders die „Svartvögel" in Schlingen aus schwarzen Pferdehaaren, die man auf Brettern befestigt, die auf dem Meere schwimmen." Im großen konnte freilich die arme Bevölkerung den Vogelfang nicht betreiben, da schon der Besitz eines Seiles ein Kapital darstellte. „Das lederne Seil zum Vogelfange gehört in das Inventarium des Bischofssitzes. Wenn es gehörig verfertigt ist, so schätzet man es auf 5 Hunderte, d. i. 20 Speziestaler. In diesem Falle besteht es aus 7 Riemen, wovon jeder, wenn er seine gehörige Länge haben soll, 80 Faden lang sein muß. Man schneidet sie aus Ochseuhäuten, da wo das Leder am dicksten ist, und braucht 16 mittelgroße Häute zu einem Riemen. Wenn das Seil trocken ist, wiegt es 120 Pfund. 6 Tagelöhner halten das Seil und ziehen es auf und nieder über einen im Berge befestigten Stock. Der siebente hält Wache und gibt acht, was der am Seil hinuntergelassene Sigemand für Zeichen gibt" (1. c. II, S. 48). —
Ferner mag das 1780 von dem Dänen Ol aus Olavius') verfaßte Buch über seine Reise durch Island erwähnt werden, da es ebenfalls einige ornithologische Mitteilungen briugt. Der Verfasser besuchte dreimal, nämlich 1775, 76 und 77 Nordisland, jedesmal auf einige Monate zur Sommerszeit. Er reiste auf Befehl der königl. W^estindisch-Guineischeu Rente- und General- zollkammer, besonders um nach dem Zustande der Fischerei zu forschen und Vorschläge zur Hebung derselben zu machen. Der Vogelwelt widmet er deshalb auch nur gelegentlich einige Zeilen, beschreibt besonders den Fang der Seevögel an verschiedenen Vogelbergen, sowie den der Schwäne.
^) Olafsen und Povelsen, Deutsche Ausgabe, Bd. I, S. 122.
2) Olaus Olavius, Oecouomisk Reyse igjeunem Island etc., Kjebenhavn 1780. — Ins Deutsche übersetzt: Ökonomische Reise durch Island in den nordwestlichen und nord-nordöstlichen Gegenden. Dresden und Leipzig 1787.
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Er tadelt die oft rücksichtslose Behandlung- dieser Tiere und rät zur ver- ständigeren, Ausnutzung der für den Menschen so wichtigen Naturobjekte. Irgend etwas ornithologisch Neues und Wichtiges bringt das Buch nicht.
Eine kurze und recht brauchbare Übersicht der damals für Island bekannten Vogelarten gab der Däne Nicolas Mohr ^) in einem Versuche zu einer isländischen Naturgeschichte. Der Verftisser wurde nach Beendigung seiner Universitätsstudien in Kopenhagen von der Direktion der dänischen Porzellanfabrik und im Auftrage des Königs nach Island geschickt, um nachzusuchen, ob sich daselbst brauchbare Porzellanerde fände, ferner auch, um im Auftrage des Kammer-Kollegiums die Naturverhältnisse des Landes im allgemeinen zu studieren. Soviel aus dem Buche ersichtlich, ist der Verfasser mindestens bis zum Frühjahr 1781 in Island geblieben.
Das 1786 erschienene und mit großem Fleiße zusammengestellte Werk enthält die für Island damals bekannten Naturobjekte aus allen drei Natur- reichen. Selbstverständlich hat der Verfasser andere Werke mitbenutzt. Von den Vögeln berichten S. 18 — 55. Drei gut kenntliche kolorierte Ab- bildungen — Uistnonicus histrionicus (^ und Ö, Phalaropus lohatus und Colymhns auritus — sind eingefügt. 66 Arten werden in übersichtlicher, gedrängter Form aufgezählt. Auch die Namen sind, weil nach Linnes Fauna Suecica angeführt, verständlich.
Falco menllus zählt Mohr zwar unter dem isländischen Namen „Smirill" mit auf. bezeichnet ihn aber, jedenfalls von Brünnichs Ornithologia Borealis abschreibend, als den Falco Lanarlm Linnes. Eine ähnliche Unklarheit ist ihm untergelaufen, wenn er Linnes Anas Fidignla anführt und ihr die isländischen Namen Hrafnsönd (= Oidemia nigra) und Dukönd (= Aetht/a marila) gibt, desgleichen Linnes Anns Fmna, die er Kaudhöfdaönd (= Mareca penelope) nennt. Ferner vertauscht er die isländischen Namen bei Mevgus mmjanser, den er als Toppönd, und M. serrator, den er als Gulönd bezeichnet. Bei einigen Arten (Tildra, Lsekjadudi-a, Keldusvin) schreibt ei-, weil er sie nicht selbst gefunden hat und nach Linnes Verzeichnis nicht bestimmen kann, nur von Ölafsson die Namen ab. Auch inhaltlich enthält das Buch natürlich eine Anzahl tatsächlicher Fehler, muß aber immerhin als das für unsern Stoff wichtigste des ganzen 18. Jahrhunderts bezeichnet werden.
Unter den allgemeinen ornithologischen Schriften dieser Zeit will ich Brünnichs Ornithologia Borealis'-) anführen, die freilich nur geringen Wert für die Kenntnis der Avifauna Islands besitzt. Das Büchlein gibt ein Verzeichnis von ungefähr 232 Vogelarten, die teilweise kurz beschrieben werden. Verbreitung und verschiedene Namen sind ebenfalls angeführt, für Island etwa 56 Arten. Doch enthalten diese Angaben eine Menge Unklarheiten und sogar Fehler, von denen einige hier angeführt sein sollen. Falco Lanarius, Anser Erythropus, Colymhns Arcticns (?), Laras Canus, Trinqa Pugnax werden als isländische Vögel bezeichnet. Pelicanns Carlo
^) N. Mohr, Fors0o- til en Islandsk Naturhistorie med adskillige ekonoruislie samt andre Anmserkninger. Kiebenhavn 1786.
*) M. Th. Brünnich, Ornithologia Borealis, Hafniae 1764.
16 (ieschiehtliclies.
und P. PItalacrocorax, /'. Graczäus und /'. Crisfatns sind als verschiedene Arten gedacht, ebenso (■havadrius Apricaiius und I'lucia/is. Der Verfasser hält den isländischen /Irossaguitkur für „Trhxja (hroplmx"-; Nuinenius pliaeopaa und arqnatus werden in ihrem Vorkommen auf Island verwechselt. Außerdem läßt Briinnicli eine Reihe häufiger Vögel der Insel, besonders die kleineren Arten, ganz außer acht. Deshalb hat sein Buch für unser Gebiet ebenfalls nur noch historischen Wert.
Das Ende des 18. und der Anfang des 19. Jahrhunderts gehen in Island still vorbei. Europa hat mit sich genug zu tun und braucht seine Männer selbst. Vierzig Jahre hindurch schreitet die Kenntnis über die Vogelwclt Islands so gut wie gar nicht vorwärts. Die Mitteilungen des [ino von Troil') und einige andere kleine Schriften über unsern StoflF enthalten nichts Neues. Erst die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts, die Zeit, in der ganz Europa aufatmet nach schweren Kriegs- und Notjahren, bringen neues wissenschaftliches Leben auch für Island. Dänemark ist es wiederum, das einen tüchtigen jungen Mann in seine Kolonie sendet. Frederik Faber, dessen Forscliungeu die umfassendsten und wertvollsten genannt werden müssen, die l)isher über die Avifauna Islands überhaupt gemacht worden sind.
Friedrich Faber, wie er sich in seinen in deutscher Sprache abgefaßten Schriften nennt, wurde geboren 1795 zu Odense auf Fünen. Im Mai 1819 segelte er, damals Kandidat der Jurisprudenz, nach Island, um insbesondere die Vögel und Fische der Insel zu erforschen. Er hielt sich bis September 1821 hier auf, wobei er von dem dänischen Könige und der Kopenhagener Universität unterstützt wurde. Er bereiste besonders die Küstengebiete Islands, besuchte unter andern im Sommer 1820 vier Wochen Grimsey und im Sommer 1821 sechs Wochen die Vestmaunaeyjar. Er machte bedeutende Sammlungen an Vogelbälgen und Eiern, die er größtenteils schon vor seiner Rückkehr nach Dänemark sandte, und die von hier aus auch an Museen und Privatsammler anderer Länder abgegeben wurden.
Von Fabers ornitiiologischeu Werken sind zu nennen sein „Prodromus der isländischen Ornitliologie oder Geschichte der Vögel Islands". Kopenhagen 1822, sowie sein Hauptwerk „Über das Leben der hochnordischen Vögel", Leipzig, 1. Heft 1825, 2. Heft 1826. Außerdem veröffentlichte er recht wertvolle, doch in der Literatur wenig beachtete Beiträge zur arktischen Zoologie in Okens Isis. Leider starb der ausgezeichnete Ornitholog bereits i. J. 1828 als dänischer Regimentsquartiermeister und Auditeur zu Horsens in Jütlaud.
Fabers Mitteilungen haben nicht nur deshalb AVert. weil er 2^/2 Jahr hindurch Sommer und AVinter ornithologisch in Island beobachtete und sammelte, sondern weil seine Sammlungen, von andern wissenschaftlichen Händen nachgeprüft, das sichere Belegmaterial für das wirkliche Vorkommen der von ihm angegebenen isländischen Vogelarten bildeten. AVo Belegmaterial
^) Uno von Troil, „Notes on the Fauna of Iceland*' in Letters on Iceland by Sir J. Banks, Dr. Solander usw. Pinkertons Voyages, London 1808.
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gefehlt hat, sind seiue Angaben ebenfalls kritisch zu betrachten. Das Ver- zeichnis der Vögel Islands wächst nun auf 86 Arten, von denen einige von Faber zum ersten Male richtig beschrieben und benannt werden. Diese sind Tetrao Jslaiuiorum, Pnffi)nis arciicus (=■ Fvocellaria Anglorum Temm.), F. major (Proc. jmffinus Temm.j und Larns lencopterus. Podiceps auritus (L.) trennt Faber nach damaliger Ansicht noch in J'odieeps comutus (Lath.) und F. aurltuK (Lath.). GLancionetta islandica (Gm.) kennt er nicht, sondern verwechselt sie mit Linues Anas ciamjxdn. Im übrigen umfaßt sein Ver- zeichnis die meisten der noch heute für Island bekannten Vogelarten. Seine Mitteilungen über Häufigkeit und Verbreitung können allerdings nicht mehr als völlig mußgebend bezeichnet werden, wennschon in Island Veränderungen der Naturverhältnisse langsamer vor sich gehen als bei uns. Die Faberschen Arbeiten bilden jedoch nochjetzt die Grundlagen für die Kenntnis der isländischen Vogelwelt, auf denen alle späteren Bearbeiter unseres Gegenstandes gefußt haben und noch fußen. Die Darstellungsweise seines Prodromus ist kurz, übersichtlich und fern von nebensächlichen Erzählungen. Im „Leben der hochnordischen Vögel" verliert sich Faber allerdings nicht selten in unbeweis- bare Spekulationen, denen zu Liebe er wohl auch richtige Beobachtungen falsch auslegt
Ich gehe liier nicht weiter auf seine Schriften ein, da insbesondere der Prodromus der isländischen Ornithologie in der zweiten Hälfte des Buches beständig zitiert wird.
Auch bei der isländischen Bevölkerung hat sich das Andenken an Faber noch lange erhalten. So schreibt Krüper (Naumannia 1857, II, S. 23): „Faber steht bei den Isländern noch in lebhafter Erinnerung. Sie haben ihm, um ihn von andern Leuten gleichen Namens zu unterscheiden, den Beinamen Vogel-Faber (Fugla-Faber) oder auch Vogelfänger-Faber gegeben." ' Die Rückreise von Island unternahm Faber in Gemeinschaft von zwei jungen Deutschen, Thienemann und Günther, die vom 7. Sept. 1820 bis zum 23. Sept. 1821 ebenfalls zwecks naturkundlicher Studien in Island gewesen waren. Das Hauptergebnis dieser beiden bestand in einer bedeutenden Sammlung von Mineralien, Pflanzen und allen möglichen Tieren. Darunter befanden sicli 600 Bälge, 200 Skelette, 800 Eier von Vögeln und von 40 Arten die Nester. Diese ornithologischeu Objekte wurden später zum größten Teile von dem Kgl. Naturalienkabinette in Dresden gekauft, wo Thienemaim Anstellung fand. Viele scheinen auch jetzt noch im Dresdener Zoologischen Museum vorhanden zu sein. Doch kennzeichnen sich die Bälge nicht genügend. Außerdem fehlen Geschlechtsangabe und Datum, sodaß man sie nicht wissenschaftlich benutzen kann. Dagegen sind die Pher, ■die ja Thienemanns Hauptstudium darstellten, als isländische bezeichnet. Eine größere Zahl davon ist durch Tausch in meine Privatsammlung über- gegangen.
Leider hat Thienemann nichts Zusammenhängendes über die ornitho- logischeu Ergebnisse der Reise veröffentlicht, was jedenfalls seinen Grund in dem Erscheinen der Faberschen Schriften hatte. Doch gibt er in seiner
Hantzscli, Vogelwelt Islands. ^
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Reisebeschreibuiig^) biologische Mitteilungeu über 64 auch von Faber an- geführte Vogelarteii. Außerdem weist er iu seinem bekannten Werke über die Fortpflanzungsgeschichte der VögeP), sowie in einigen anderen zoologischen Schritten auf isländische Brutverhältnisse hin. Freilich begeht er mitunter den Fehler, die Vogelart nach den Eiern bestimmen zu wollen, weshalb^ gewisse Notizen mit Vorsicht aufzunehmen sind.
Nur mit wenigen Worten soll auchTeilmannsVersuch einer Beschreibung der dänischen und isländischen Vögel ^) erwähnt sein. Obwohl der Verfasser, dänischer Kammerjunker und Jägermeister, selbst in Island gewesen war und hier Vögel gejagt hatte, sind seine Mitteilungen ül>er das Vorkommen der von ihm aufgezählten Arten in Island durchaus unvollständig und gar nichts Neues und Wichtiges bietend. Jedes andere Buch, das über die Ver- breitung der Vögel berichtet, hat für uns denselben Wert, nur der Titel der Schrift läßt größere Erwartungen aufsteigen.
Auch die ornithologischen Notizen Gliemanns'*) in seiner Beschreibung Islands sind ganz unwesentlich.
Es würde nun im folgenden zu weit führen und liegt aucli keineswegs im Zwecke dieser Arbeit, all die zahlreichen Bücher und Artikel, die in neuerer Zeit Mitteilungen über die Vogelwelt Islands gebracht haben, zu besprechen. Und ein bloßes Verzeichnis der hierher gehörigen Literatur hat ohne Kritik des Einzelnen geringen Wert. Die Menge der Touristen, die zum Vergnügen oder auch zwecks wissenschaftlicher Untersuchungen nach Island kommen, nimmt bis gegen Ende des Jahrhunderts beständig zu, und viele derselben veröffentlichen Mitteilungen über ilire Erlebnisse. Auch die Zahl allgemeiner ornithologischer Werke, die isländisclie Verhältnisse berück- sichtigen, wächst bedeutend. Manche dem Namen nach vielversprechende Schriften oder Artikel bringen aber nicht nur nichts Neues, sondern sogar Fehlerhaftes. Wichtige Angaben sind späterhin meist wieder zitiert worden, sodaß die mühevolle Durchsicht der gesamten diesbezüglichen Literatur die Kenntnis der Avifauna Islands kaum wesentlich vermehren könnte, gegen- über dem Studium der bedeutendsten Schriften. Es würde auch nur zu Irrtümern oder zwecklosen Auseinandersetzungen führen, wollte man die Aussagen jedes Keisenden über die so schwierig zu beobachtende Vogelwelt für wissenschaftlich richtig oder überhaupt beachtenswert hinstellen. Ich berücksichtige deshalb im Folgenden außer einigen Isländern nur die zuver- lässigsten Verfasser, die selbst an Ort und Stelle beobachtet und gesammelt haben. Um jedoch Wiederliolungen mit dem IL Teile dieser Arbeit möglichst zu vermeiden, fasse ich mich hier ganz kurz.
^) F. A. L. Thieneniann, Reise im Norden Europas, vorzüglich in Island. Leipzig 1827.
^) F. A. L. Thieneniann, Fortpflanzungsgeschichte der gesammten Vögel. Dresdea 1845—53.
") Charles Teilmann, Forsog til cn Beskrivelse af Danmarks og Islands Fugle. Ribe 1823.
*) Ph. Gliemann, (ieographische Beschreibung von Island. Altena 1824.
Geschichtliches. ] 9
1B37 besuchte der Engländer William Proctor unsere Insel, sammelte selbst Vögel und Hier und erhielt auch später seltene Objekte von dort zu- gesandt. Im Juni genannten Jahres weilte er auf Grimsey. Cber seine Keiseergebnisse berichtete er nur in zwei kleinen Artikeln ^). Doch veröflent- lichte Professor A, Newton in Cambridge interessante Angaben über die isländischen Sammlungen Proctors.
1847 erschien in der von einigen Isländern in Kopenhagen herauf^- gegebenen Zeitschrift Fjölnir eine Abhandlung über 40 isländische Vogel- arten ^j. Sie ist von dem isländischen Dichter Jonas Hallgrimsson (j 1844 in Kopenhagen) verfatit und wurde von diesem bei einer Versammlung seiner Landsleute in Kopenhagen i. J. 1835 vorgetragen. Der Artikel enthält nichts wesentlich Neues, ist aber historisch des Verfassers halber interessant, berichtet auch in allem Ernste noch einige der alten abergläubischen Erzählungen über gewisse Vögel. So sagt Hallgiimsson (Naumannia 1857): „Der Sundhani ( Phalaropiiis iohatns) kann Hitze ertragen und vergnügt sich wohl auf warmen Quellen, obgleich sie so heiß sind, daß man kaum aushält, die Hände hin- einzustecken", KalLuH aquatkuH „kann nicht fliegen, da seine Flügel zu kurz sind". ..Von dem Steindepill (Saxlcola omantUc) glauben einige, daß er unter das Euter der Milchschafe fliegt." Anort/twa troylodytes „ist der kleinste von den Vögeln auf Island und wahrscheinlich auch der einzige, welcher zweimal im Jahre Junge zieht. Er bleibt im Winter zurück und stiehlt sich dann in die Küchen zu Fleisch und anderen Nahrungsmitteln hinein, aber im Sommer fängt er Fliegen. Wenn er sich so hineinschleicht, grau und klein, mit dem Schwänze wie er ist, dann haben die Leute ihn mit einer Maus ähnlich gehalten und ihm so diesen Namen Müsarbrodir gegeben". — Viele Mitteilungen Hallgiimssons stützen sich auf Ölafsson und Faber, mit dem gemein er Falco lanarim und Loxia serinus nennt. Von einer Anzahl Ajten gibt er auch eigene, teilweise recht zutreffende Schil- deiiingen. — Dem Grätitlingur (Anthas pratensis), jenem lieblichen Sänger der Wiesenlandschaften, hat der Dichter ein ansprechendes, noch heute in Island viel gesungenes Lied gewidmet.
Im folgenden müssen die Schriften zweier Deutscher hervorgehoben werden, die eingehendere Nachrichten über die Avifauna unserer Insel ver- veröff'entlicht haben.
Theobald Krüper hielt sich im Sommer 1856 in Nordisland auf und weilte vom 14. .Juni bis 31. Juli am Myvatn. Seine Mitteilungen in der Naumannia '), die allerdings durchaus kein vollständiges Verzeichnis der
') William Proctor, Notes on an Ornithological Tour in Iceland. Naturali.st 111. London 1838.
— Clangula Barrovii a Native of Iceland, Annais of Natural Histo IV. 1840.
^) Yfirlit yfir fuglana ä Islandi (Übersicht über die Vögel auf Island), Fjölnir, 9. Jahrgang, S. 58 — 72. Kaupmannahöfn 1847. — Teilweise ins Deutsche übersetzt von Th. Krüper, Naumannia 1857; vollständig ins Französische übertragen von Olphe Galliard, Copenhague 1890.
2*
20 Geschichtliches.
isländischen Vögel bieten sollen, stützen sich anf üheraus gewissenliaftc und planmüßige Untersuchungen und verdienen weit mehr Beachtung, als man ihnen gesclienkt hat. Krüper verstand isländisch, kannte auch die ornitho- logische liitenitur, sowie die Verbreitung isländischer Vögel in anderen nördlichen Gebieten, was seinen Beobachtungen zu Gute kam. Wohl als erster beschrieb er das Dunenjunge von (jtlancioiirtta idandim, leugnete auch die vor und nach ihm vielerorts erhobene Behauptung, Aamt/iis linaria sei besonders selten in Island.
1860 bereisten William Preyer und Ferdinand Zirkel die Insel, um, wie sie in der Vorrede ihrer Reisebeschreibuug '^) sagen, die seltneren Tiere daselbst kennen zu lernen und namentlich das Leben der borealeu Vögel in freier Natur zu beobachten, sowie die geognostischen und minera- logischen Eigentümlichkeiten und die einzig in ihrer Art dastehenden Natur- wunder Islands näher zu untersuchen. Sie landeten um 14. Juni in Reykjavik, ritten von da nach dem Nordlande und kehrten endlich, auch dem Mj''vatn einen Besuch abstattend, auf dem Landwege wieder nach der Hauptstadt zurück, wo sie am 2. August abfuhren. In der Beschreibung ilirer Reise bringen sie im Anhange zusammenfassende wissenschaftliche Mitteilungen, so auch ein von Preyer verfaßtes Verzeichnis der isländischen Vögel Preyer zählt 102 Arten auf und zwar 81, die mehr oder weniger häufig auf der Insel gefunden Averden, 21 aber, die man nur zufallig oder vereinzelt da- selbst gesehen hat oder gesehen haben will. Freilich kann man iieutzutage nicht in jeder Beziehung mit ihm übereinstimmen. In der von Olafsen unter dem isländischen Namen Lfekjadudra beschriebenen Vogelart glaubt er be- stimmt, Totamis oc/iropus zu erkennen. I]r nimmt ferner au, daß außer Cygnus cygnus auch C. hewicki in Island ))rüte, ohne dies irgendwie zu be- gründen. Podicej>s cornntus Lath. und P. auritiis Lath. trennt er und sagt, erstere Art sei sehr selten. Eingehend beschreibt er die früher verkannte GlaiicioneUa Islcmdint, was aber Krüper und andere schon vor ihm getan haben. Als neue Arten für Island führt er Querquedula rireia und Erü/iacus titys an. Er stellt endlich eine Raubmöve als wahrscheinlich neue Art auf und nennt sie LeKtris thnliaca, die isländische Raubmöve. Nicht nur in Preyers Verzeichnis, sondern auch an vielen Stellen der Reisebeschreibung werden biologische Mitteilungen über die isländischen Vögel gegeben, wes- halb mau das Buch als eine der beachtenswerten neueren Schriften über die Avifauna Islands bezeichnen muß. Freilich bringt der Verfasser mitunter recht allgemein gehaltene Notizen, die gegenüber den exakten Angaben Krüpers mit Vorsicht aufgenommen werden müssen.
Noch sollen zwei andere Deutsche genannt sein, die in neuester Zeit Island aufsuchten und Nachrichten über die Avifauna des Landes publizierten.
^) Th. Krüper, Der Myvatn und seine Umgebung,
— Die Inseln des Myvatn,
— Ornithologische Miscellen: Naumannia 1857.
*; W. Preyer und f. Zirkel, Reise nach Island im Sommer 1860. Leipzig 1862.
Geschichtliches. 21
J. Riemschneider') bereiste die Insel vom 10. Juni bis 12. Juli 1895. Nachdem er Reykjavik besucht hatte, fuhr er um die Ostküste nach Akureyri und begab sich von hier aus nach dem M;fvatn, wo er zwei Wochen lang weilte. Auf ziemlich demselben Wege kehrte er nach Reykjavik zurück. Seine Mitteilungen enthalten lebensvolle Schilderungen, insbesondere der Entenvögel des Myvatn, denen er als neue Art für Island Aethya fuUgula hinzufügen konnte. Auch behauptet er als erster und bis jetzt einziger das Vorkommen von Urinator arctleux als Brutvogel Islands.
Alf Bachmann^) besuchte unsere Insel als Maler. Von Ende Juni bis Anfang September 1900 Iiielt er sich daselbst auf und beobachtete, so- bald sich Zeit und Gelegenheit bot, auch die Vogelwelt. Interessant sind seine Mitteilungen über die Vögel der Vestmannaeyjur, wo er sich fast einen Monat aufhielt. Wenn seine Angaben auch nicht frei von Verwechslungen sind und deshalb der Nachprüfung bedürfen — z. B. seine Notizen über Cal'ulris arenana (S. 19), Stercorarius longicaudus (S. 30), Lariis canus (S. 32) — Itieten sie doch wertvolle biologische Schilderungen üher Ocea7iodro)na letu-orrhoa, PiiffhiHs pnfßnns und andere Arten. 1904 bereiste Bachmann wiederum Island, beobachtete eingehend Megalestris skua am Brutplatze, Cvymophüiis fulirarius USW. Er gedenkt seine diesmaligen Erfahrungen gleichfalls in der Ornithologischen Monatsschrift niederzulegen.
Da Island im verflossenen Jahrhundert am häufigsten von englischen Touristen besucht wurde, bringt auch die Literatur dieses Landes zahlreiche treffliche Bemerkungen über die Vogelwelt unseres Gebietes.
Wissenschaftlich besonders wertvoll, weil mit großer Sachkenntnis ge- prüft, sind die Angaben Alfred Newtons. Dieser bereiste die Insel im Sommer 1858 gemeinsam mit John Wolley, vor allem freilich, um Nach- forschungen über A/ca htipeiiuis anzustellen. Doch wurden auch zahlreiche andere ornithologische Beobachtungen ausgeführt. Seine Erfahrungen legte Newtoi! in Baring-Goulds Beschreibung Islands'^) nieder, indem er das für seine Zeit vollkommenste Verzeichnis der Vögel unseres Gebietes aufstellte. Später wurde dieses durch Hinzufüguug einiger seltener Arten noch von ihm vermehrt.*)
Die wichtigste Bearbeitung unseres Gegenstandes im letzten Jahrzehnt geschah durch Henry H. Slater, der Island im Sommer 1885 in Gesell- schaft von Carter bereiste und auch 1894 und 1900 besonders im Nord- lande weilte. Nach Abfassung mehrerer kleiner Artikel^) veröffentlichte er
^) J. Rieruschneider, Reise nach Island. Ornithologische Monatsschrift XXI. 1896.
^) Alf Bachmann, Einiges über das Vogelleben auf Island. Ornitholog. Monats- schrift XXVII. 1902.
^) Alfred Newton, Notes on the ornithology of Iceland. Appendix A to Sabine Baring-Goulds Icelands: its Scenes and Sagas. London 1863.
*) Alfred Newton, Letter on Icelandic birds. Ibis 1864.
^) H. H. Slater and Th. Carter, Notes from Northern Iceland in the Summer of 1885. Ibis 1886.
— Field-notes from Northern Iceland. Zoologist 1886.
— On the Goldeneyes and Ptarmigan of Iceland. Zoologist 1887.
22 üeschichtliclies.
1901 sein Verzeichnis der Vögel Islands*), die einzige zusaninienhängcnde Arbeit ii])er unser Thema seit Pabers Zeit. Kr berücksichtigt darin natur- gemäß am vollständigsten die englische Literatur, die nun zusammengefaßt deutlich die Fortschritte der Forschung erkennen läßt, Slaters Buch ist als übersichtliches, freilich heutzutage nicht mehr vollständiges Handbuch, speziell für den Touristen, vortrefflich brauchbar, bringt aber auch zahlreiclie eigene Beobachtungen des Verfassers, die für den Ornithologen interessant sind. Als neu für Island ist Cla)ußüa glaucion aufgestellt. Im Ganzen werden 115 Nummern angeführt. Bei vielen Vögeln sind kurze Artbeschreibungeu gegeben. Auf feinere Formenunterschiede und Originalbeschreibungen isländischer Exemplare wird indes kein Wert gelegt.
Eine kurze Aufzählung der isländischen Vögel brachten auch Henry .]. und Charles E. Pearson in der Ibis^). Diese umfaßt 108 Spezies, bietet indes gegenüber früheren Veröffentlichungen kaum Neues, da die An- führung von Sterna doiigalli ein Irrtum sein muß. Vor dem Verzeichnisse geben die Verfasser eine Reihe nicht unwichtiger Notizen, insbesondere Brut- daten von 17 Arten, die sie auf ihrer Reise in Südisland im Sommer 1894 sammelten. Interessant ist die Mitteilung von der Erlegung eines Anser cinereus (= A. fenis Schaeff.) nebst der Bemerkung der Verfasser, nur diese eine Gänseart mehrfach in Island beobachtet zu haben.
Endlich soll unter den Engländern, welche die Kenntnis der Vogel- welt unserer Insel vermehren halfen, noch J. Coburn genannt sein, der 1899 Mareca americana in Nordisland entdeckte'') und dem zu Ehren Sharpe 1901 die isländische Rotdrossel als Tiirdus cobnrni beschrieb.
Von Isländern haben in den letzten Jahrzehnten nur wenige etwas über die Vogelwelt ihres Landes publiziert. Jon Gunnlaugsson gab einige Beobachtungen aus Reykjanes (S, W. Island)*) und P. Nielsen aus der Gegend von Eyrarbakki (S. Island)^). Der letztere besitzt noch um- fassendes Material, besonders über die Brutverliältnisse südisländischer Vögel, und er beabsichtigt in nicht allzuferner Zeit eine Publikation desselben.
Weit zahlreichere Mitteilungen als die genannten hat der als Dichter und Gelehrter über Islands Grenzen hinaus bekannte Benedikt Gröndal in Reykjavik gegeben, die im folgenden Abschnitte aufgezählt sind. Es handelt sich freilich in der Hauptsache auch nur um kurze Verzeichnisse und Zahlen- angaben. So wertvoll manche dieser Bemerkungen auch sein mögen, erkennt man doch recht oft, daß der Verfasser wenig im Freien beobachtet hat und sich zumeist auf die Mitteilungen anderer verläßt, ferner auch,
1) Henry H. Slater, Manual of the Bilds of Iceland. Edinburgh 1901.
^) Henry.), and Cliarles PI Pearson, Ün Birds obscrved in Iceland in 1894, with a List of the Species hithorto recorded therofrom. Ibis 1895.
») J. Coburn. Bulletin of the British Ornithologists Club, XII. 1901.
*) Jon (iunnlauosson, Ürnithologische Beobachtungen aus Keykjanes in Island, Ornis 1895— 9().
•^) P. Nielsen, ürnithologische Beobachtungen zu Eyrarbakki in Island, Ornis 1886. — Ornis 1887.
Geschichtliches. 23
daß ihm neuere Literatur uud die Verbindung mit andern Ornithologen fehlen. Ich erinnere nur an die Verwechslung von Montif ring Uta nivalis (In Ornis 1886, S. 358, sogar der deutsche Name „Schneelink") mit Piec- trophanes (Fasserina) nivalis. Im übrigen jedoch müssen die verdienstlichen Arbeiten Gröndals, inbesondere sein Islenzkt fmj/atal (Reykjavik 1895) voll anerkannt werden.
Recht groß ist endlich noch die Zahl der allgemeinen Werke, die ^gelegentlich auf die Avifauna Islands zu sprechen kommen. Da aber wohl keins derselben wesentlich neue Mitteilungen bringt, sondern alle fast aus- schließlich die vorerwähnten Schriften und Artikel, nicht einmal immer ganz richtig, zitieren, sollen sie hier unberücksichtigt bleiben. Die wichtigsten, von mir im II. Teile dieser Arbeit benutzten Werke sind im folgenden Abschnitte angeführt.
Zum Schlüsse dieses Kapitels über die ornithologische Erforschung Islands bemerke icli, daß ich die spezielle Literatur über Alca impmnis unberücksichtigt gelassen habe. Doch soll im 5. Abschnitte zusammenhängend über diesen interessanten Vosel berichtet werden.
2. Übersicht der wichtigsten Literatur.
Th. Thoroddseu, Geschichte der Isländischen Geographie, I. und II. Teil, deutsche Übersetzung 1897 und 1898. Leipzig,
Joh. Anderson, Nachrichten von Island, Grönland und der Sti-aße Davis, 1746. Hamburg.
Niels Horrebow, Tilforladelige PJfterretninger om Island, 1752. KJ0benhavn.
M. Th. Brünnich, Oruithologia Borealis, 1764. Hafuiae.
Eggert Olafsens og Biarne Povelseus Reise igjennem Island, 1772. Soroe.
N. Mohr, Fors0g til en Islandsk Naturhistorie, 1786. Kj0bcnhavn.
Friedrich Faber, Prodromus der isländischen Ornithologie, 1822. Kopen- hagen.
— Nachtrag zum Prodromus. Okens Isis 1824. Jena.
— Beiträge zur arktischen Zoologie, Okens Isis 1824 und 1827. Jena.
— Über das Leben der hochnordischen Vögel, 1826. Leipzig.
F. A. L. Thienemann, Reise im Norden Europas vorzüglich in Island, 1827. Leipzig.
— Fortpflanzungsgeschichte der gesaramten Vögel, 1845 — 53. Dresden. William Proctor, Notes ou an Ornithological Tour in Iceland. Naturalist III,
1838. London.
— Clangula Barrovii a Native of Iceland, Annais of Natural Historv IV,
1840. London. Jonas Hallgrimsson, Yfirlit ytir fuglana ä Islandi, Fjölnir IX, 1847.
Kaupmannahöfn. Th. Kriiper, Der Myvatn und seine Umgebung.
— Die Inseln des Myvatn,
— Ornithologische Miscellen, Naumaunia 1857. Leipzig.
W. Preyer und F. Zirkel, Reise nach Island, 1862. Leipzig. Alfred Newton, Notes on the ornithology of Iceland, Appendix A to Baring-Goulds Iceland, 1863. London.
— Letter on Icelandic birds, Ibis 1864. London.
N. Kj8erb0lliug, Skandinaviens Pugle, 2. üdgave ved Jonas ('ollin. 1877,
Kj0benhavn.') J. C. Poestion, Island, 1885. Wien.
1) Zitiert als „Colliu, Skandinaviens Fugle (1877)'
Literatur. 25^
H. H. Slater aud Th. Carter, Notes fi-om Northern Icelaiid, Ibis 1886. London.
— Field-notes from Northern Icelaud, Zoologist 1886. London.
— On the Goldeneyes and Ptarmigan of Iceland, Zoologist 1887. London. Benedikt Gröndal, Verzeichnis der bisher in Island beobachteten Vögel^.
Ornis 1886. Wien.
— Ornithologischer Bericht von Island (1886), Ornis 1886. Wien.
— Isländische Vogelnamen, Ornis 1887. Wien.
— Islenzkt fuglatal, 1895. Ke3kjavik.
— Ornithologischer Bericht von Island (1887/8), Ornis 1897. Paris.
— Zur Avifauna Islands, Ornis 1901. Paris.
P. Nielsen, Ornithologische Beobachtungen, Ornis 1886 und 1887. Wien. H. J. and C. E. Pearson, On birds observed in Iceland, Ibis 1895. London.. J. Riemschneider, Reise nach Island, Ornithologische Monatsschrift 1896,
Gera-Uutermhaus. HerlufWinge, Couspectus Faunse Groeulandicse : Gr0nlands Fugle, Ssertryk
af Meddelelser om Gr0nland XXI, 1898. KJ0benhavn. G. Koltlioff och L. A. Jägerskjöld, Nordens Fäglar, 1898. Stockholm. H. H. Slater, Manual of the Birds of Iceland, 1901. Edinburgh. Alf Bachmann, Einiges über das Vogelleben auf Island, Ornithologische
Monatsschrift 1902. Gera-Üntermhaus. Stefan Stefänsson, Ny rit um nättüru Islands, Nordurland, 4. Okt. 1902..
Akureyri. H. E. Dresser, A Manual of Palaearctic Birds, 1902 — 3. London. Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, Jubiläumsausgabe von
Carl R. Hennicke, 1897—1905. Gera-Üntermhaus. Herman Schalow, Die Vögel der Arktis, Band IV, Lief. I der Fauna Arctica
von Römer & Schaudinn, 1904. Jena. Bjarni Ssemundsson, Zoologiske Meddelelser fra Island, Ssertryk afVidensk..
Meddel. fra den naturh. Foren, i Kbhvn, 1905. Kj0benhavn.
3. Bericht über meine eigene isländische Reise.
Nach den Dötigen Spezialstudien in Literatur und Biilj,^en. auch im Kopenhao-ener Zoologischen Museum, wo Herr Vizeinspektor Winge mir in liebenswürdigster AVeise seine Unterstützung zuteil werden ließ, trat ich Anfang April 1903 eine ornithologischen Untersuchungen dienende Reise nach Island an. Sie führte zunächst über Kopenhagen, Edinburgh, die Täröer und Vestmannaeyjar nach Reykjavik, der Hauptstadt Islands, wo ich gjn 20. April anlangte. Meine Exkursionen von hier aus erstreckten sich besonders längs der Meeresküste, da die sonstige Umgebung sich als ziemlich reizlos und vogelarm erwies. Ich möchte keinem Ornithologen •empfehlen, hier Standquartier nehmen zu wollen, da es, wie ich später kennen lernte, ungleich günstigere Gebiete genug gibt. Auch verhielten sich die Vögel in dieser verhältnismäßig dicht bewohnten Gegend weit vor- sichtiger als an einsamen Örtlichkeiten. Doppelt erschwert wurde das Sammeln durch die gesetzliche Unmöglichkeit, eine Ei'laubnis zum Erlegen geschützter Arten zu erhalten. Für spätere Forscher ist glücklicherweise eine solche in dem neuen Gesetz vom 27. November 1903 vorgesehen.')
1) Der isländische Althingsabgeordnete Herr Björn Kristjansson in Reykjavik war so freundlich, mir dieses Gesetz nebst zwei anderen Verordnungen in dänischer Sprache zuzusenden, was ich in Übersetzung folgen lasse.
Gesetz über den Schutz der Vögel (Ausgeg. am 27. Nov. 1903).
§ 1. Nachstehende Vogelarten: Bachstelzen, Steinschmätzer, Drosseln, Zaunkönige, Finken, Schneeammern. Pieper. Wassertreter (beide Arten), Seeschwalben, Stein- wälzer, Sandregenpfeifer, Pfuhlschnepfen und isländische Strandläufer sollen während des ganzen Jahres geschützt sein.
§ 2. Folgende Yogelarteu : Adler, Jagdfalken, Steinfalken, Eulen. Haben, Raubmöven, Mantelraöven und andere Mövenarten, Scharben, Tölpcl, Eistaucher, Nordsee- taucher, Ohrentaucher, Lummen und Alke, Säger und Weißwangengänse sind nicht geschützt zu irgendwelcher Zeit des Jahres.
§ 3. Andere Vogelarten sollen nach folgenden Bestimmungen geschützt sein.
a) Schneehühner vom 1.5. Februar bis 15. September.
b) Alle andern als die obengenannten Entenarten vom 1. April bis 1. September.
c) Schwäne vom 1. April bis 15. September.
d) Seepapageien vom 10. Mai bis 20. Juni. —
Die Bezirksvorstände werden für ihren Distrikt beauftragt, die Schonzeit für den Eissturmvogel festzusetzen. Doch darf diese nicht später als den 20. März beginnen und nicht früher als den 10. August endigeu.
Reisebericht. 27
Imiuerhin konnte icli während meines Aufenthaltes in Reykjavik verschiedene auf dem Zuge befindliche seltenere Vogelarten beobachten und eine Reihe An- kunftsdaten notieren. Ich besuchte auch von ornithologisch tätigen Einwohnern der Hauptstadt Herrn Gröndal, der mir freundlichst seine letzten Publi- kationen einhändigte, sowie Herrn Adjunkt S?emundsson, der mich in die Vogelsammluug führte. Diese ist urspünglich von Gröndal angelegt, jetzt aber in den Besitz der Stadt übergegangen. Einige Objekte darin sind wertvoll, den meisten fehlen jedoch die so überaus wichtigen Angaben über Geschlecht, Datum der PJrlegung usw. Dazu waren verschiedene außer- isländische Vögel mit eingestellt, die zu Irrungen Anlaß geben können. Allmählich wird man hoifentlich die Sammlung vervollständigen und die wissenschaftlich wertlosen Präparate daraus entfernen.
Alle nicht oben namhaft gemachten Vogelarten sollen vom 1. April bis 1. August geschützt sein. Beim Fange von Seepapageien und Eissturmvögeln dürfen weder Schüsse noch Kietze, sondern ausschließlich Kätscher angewendet werden.
§ 4. Für jeden hierdurch geschützten Vogel soll der Gesetzesübertreter 2 Kronen als Buße bezahlen, was für jede weitere Übertretung verdoppelt wird bis zu 40 Kronen.
§ 5. Der Minister kann wissenschaftlich gebildete Ornithologen von den Bestimmungen dieses Gesetzes befreien.
§ 6. Rechtsstreitigkeiten, die infolge von Übertretung der gesetzlichen Bestimmungen entstehen, werden als öffentliche Polizeiangelegenheiten behandelt. Die eine Hälfte der Buße fließt in die Landeskasse, die andere erhält der Ankläger.
§ 7. Das Gesetz vom 17. März 1882 über den Schutz der Vögel (und Rentiere) und das Gesetz vom IH. Dezember 1885 betreffend Veränderungen im Gesetze über den Schutz der Vögel (und Rentiere) werden hierdurch aufgehoben.
Verordnung über die Jagd in Island (ausgegeben am 20. Juni 1849). Auszug.
§ 11. Niemand darf irgendwo in Island Ei der vö gel töten, weder auf dem Meere noch im Lande, auf seinem eigenen oder auf eines anderen Grund und Boden, nicht durch Schüsse, Hunde, Netze oder auf irgendwelche andere Weise. Vorsätz- liche Übertretung hiervon wird mit einer Strafe von 48 Skilling (= 50 Öre = 56 Pfennig) für jeden getöten Vogel belegt, was in die Gemeindekasse gezahlt werden soll.
Gesetz
enthaltend Nachtrag zur Verordnung über die Jagd in Island vom 20. Juni 1849
(ausgegeben am 22. März 1890).
§ 1. Jeder, der vorsätzlich Eidervögel tötet, soll statt der in § 11 der Verordnung über die Jagd in Island vom 20. Juni 1849 vorgesehenen Strafe für jeden Eider- vögel eine Buße von 10 bis 100 Kronen erlegen, die im Wiederholungsfalle ver- doppelt wird.
§ 2. Niemand, weder der Eigentümer noch ein anderer", darf Eidervogeleier verkaufen oder kaufen. Übertretung hiervon wird mit einer Buße von 10 bis 100 Kronen bestraft, die im Wiederholungsfalle verdoppelt wird.
§ 3. Niemand darf irgendwo in Island tote Eidervögel oder Teile davon kaufen oder verkaufen, zusichnehmen oder benutzen. Übertretung hiervon wird mit einer Buße von 10 bis 100 Kronen bestraft.
§ 4. Die in §§ 1, 2 und 3 bezeichnete Buße fällt zu einem Drittel an die Gemeinde- kasse, wo die Übertretung begangen wird, zu zwei Drittel an den Ankläger.
§ 5. Streitigkeiten infolge von Übertretung vorstehenden Gesetzes werden als öffent- liche Polizeiangelegenheiten behandelt.
28 lieiseberifht.
Meine Absieht, von Reykjavik mis nun auf dem Landwege allmählich nach Nordisland zu gelangen, scheiterte an der besonders ungünstigen, kühlen Witterung, der bodenlosen Schlechtigkeit selbst der im Sommer guten Wege und dem Mangel an jeglicher frischen Nahrung für die zum Keisen nötigen Pferde, Deshalb begab ich mich am 13. Mai auf den Küsteudampfer Skdlholt und fuhr mit diesem nach Norden. Das Schiff ging bei über 20 Ortschaften vor Anker,, und ich hatte dann mehrmals Gelegenheit, stundenlange Exkursionen zu unter- nehmen. Der Nordwesten Islands mit seinen gToßartigen Felsformationen zeigte sich noch völlig im Winterkleide, und auch das Meer war an vielen Stellen mit Treibeis bedeckt. Trotzdem hatten sich die Seevögel überall an ihre Brutplätze begeben, und der eigentliche Vogelzug schien vorüber zu sein. Nur solche Arten, die im Innern des Landes brüten, hielten sich noch am Strande auf. Ungeheuer reich au Seevögeln war die Gegend am Kap Nord, Verschiedene Vogelarten, die sich in der Ferne zeigien, z. B. Kaubmöven, konnten vom Schiffe aus nicht immer richtig angesprochen werden.
Da ich nicht wieder in einer größeren Ortschaft wohnen wollte, ging ich bei dem kleinen Fischerplatze Hjalteyri im Eyjafjördi- (Fig. 1), das
1. Hjalteyri.
einige Stunden nordwärts von Akureyri liegt, am 25. Mai an Land. Die Gegend zeigt in der Nähe des Meeres grasige Heideflächen. Im Hinter- grunde steigen höhere Gebirgszüge auf, die aber nur zum kleinen Teil das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt bleiben. Der Strand ist zumeist flach und steinig, an einigen Stellen aber fallen auch steile Felsen senkrecht ins Meer, an denen Phalacrocorax carbo, Coitus corax u. a. horsten. Zahlreiche Flüsse und Bäche durcheilen das Hügelland. Fruchtbare, teilweise versumpfte Einsenkungen und Täler bieten den Vögeln Schutz und Nahrung. Gegen- über von Hjalteyri ergießt sich die wasserreiche Fnjöskä in den Eyjafjördr,
Keisebericht. 29
die im Laufe der Zeit große Mengen Sand und Erde mitgebracht und vor der Mündung als Inseln abgelagert hat. Diese bieten mit ihrem niedrigen Gestrüpp von Heidekräutern und Zwergbirken verschiedenen Entenarten, besonders Soinatf-ria mollissima, ferner auch Seeschwalben, Gänsen u. a. m., willkommene Brutplätze. Wenige Stunden aufwärts der Mündung sind die Abhänge des Fnjöskätales mit dichtem Buschwalde bedeckt, der Turdus iliacns und Acanilds Jinaria zum Wohnplatze dient. So beherbergt die Gegend im weiteren Umkreise die meisten der zu erwartenden Vogelarten, aus welchem Grunde ich mich bis zum 25. Juni in Hjalteyri aufhielt.
Ich besuchte auch von hier aus den norwegischen Konsul in Akureyri, Herrn Kaufmann I. V. Havsteen, der ein guter Kenner isländischer Vogel- «ier ist. Ich verdanke ihm eine Anzahl wertvoller Mitteilungen, für die ■er, hoffe ich, einstehen kann.
Um nun die auf den Vogelbergen brütenden Arten zu beobachten, begab ich mich mit dem Küstendampfer Hölar nach Grimsey im PJismeere. Da diese interessante Insel in neuerer Zeit oar nicht ornitlioloa'isch unter-
Fig. 2. Reykjalid am Myvatn.
sucht wurde, will ich ihr bei Schilderung der Landschaftsformen einen besonderen Abschnitt widmen. Mich lockte vor allem der Krabbeutaucher dahin, der hier seine südlichsten sicher bekannten Brutplätze besitzt, sowie der Sanderling, der zu Fabers Zeiten gleichfalls daselbst gebrütet haben soll. Trotz ungünstiger Witterung war diese Exkursion hochinteressant, und mit einer Anzahl Bälgen und einer Menge Eiern kehrte ich in einem sechs- rudrigen Boote am 11. Juli nach Hjalteyri zurück.
Nunmehr begab ich mich, unterwegs auch den berühmten Buschwald bei Hals im Fnjöskätale durchstreifend, nach dem größten Binnensee Nord- islands, dem Mvvatn. Der Aufenthalt daselbst ealt in erster Linie dem
30 Reisebericht.
Sammeln von Entendunenjungen, speziell solchen von Glaucionetta islavdica. Diese Absicht wurde dadurch erleichtert, daß die kühle, stürmische Witterung vielen der zarten Tiere den Tod brachte und ich Dutzende derselben am Ufer des Sees auflesen konnte, die sich teilweise noch recht gut zur Prä- paration eigneten. Die größte Menge der tot oder halbtot gefundenen Dunen jungen bildeten solche von Mergus serralor und Aditija mavüa, seltener die von ClaiK/ida hyemans, Oidemia tiiyra, Anas boschus und Glaii- cionHtd isiamlira. Die landschaftlich abwechslungsvolle, eigenartige Umgebung des oft besuchten Myvatn ist auch sonst ornitliologisch äußerst interessant. Am 4. August verließ ich das gastliche Reykjalid (Fig. 2), ritt nach Hjalteyri zurück, verpackte meine Sammlungen, die den oft schwierigen Transport gut überstanden hatten, und brachte sie auf das nach Reykjavik fahrende Schiff.
Am andern Tage trat ich selbst den Landweg nach Reykjavik an und zwar allein mit nur einem, freilich vortrefflichen Pferde. Das hastige Reisen mit Führern und vielen Reit- und Lasttieren behagte mir auf die Dauer nicht, zumal oruithologische Untersuchungen dann sehr in den Hinter- grund treten mußten. Um meinem Pferde etwas Erholung zu gönnen, schloß ich mich allerdings einige Tage Isländern an. Ich sammelte auf der 15tägigen Tour zwar keine Vögel mehr, konnte aber noch eine Menge Beobachtungen über deren Verbreitung und Lebensweise anstellen. Der Weg führte von Akureyri durch das grasreiche Öxnätal, dann über die steinige, romantische Hjaltadalsheidi, wo es lebhaft schneite und der Boden fest gefroren war, nach Silfrastadii*. Von hier aus besuchte ich den enten- reichen Miklavatn, durchquerte nun bei Nebel und Regen, meist öde. sumpfige Täler benutzend, die einsamen, nur selten von Vögeln, Schafen und Pferden belebten Gebirge bis zum Blandatal hinab. Hier besserten sich die Wege. Ich ritt über Blönduös, Sveinstadir und Lsekjamöt nach Stadr, von da aus aber- mals über öde Heiden, in denen ein schreiender Jagdfalk mein Begleiter war, nach Hvammr, von da wieder durch grasreiche, abwechsluugsvoUe Hügellandschaften, wo hier und dort kräftiges Birkeugebüsch die Abhänge bedeckte, nach Saurbaer am Hvalfjördr. Diese großartige Gegend wieder verlassend, kletterte ich, mein Pferd am Zügel nachführeud, über steile, wilde Gebirge nach dem Tale des ]?ingvallavatu. Wundervolle kleine Seen, auf denen die weißen Schwäne dahinzogen, lagen am einsamen Wege. Von ])ingvellir aus durchstreifte ich die großen Buschgebiete zwischen Middalr und Uthlid und besuchte dann den merkwürdigen Geysir und den majestätischen Gullfoss. Von hier aus ritt ich auf schwierigen, sumpfigen Pfaden nach Skälholt, übersetzte die tiefe, milchweiße Hvitä in einer Fähre und gelangte endlich nach Eyrarbakki au der Südküste, wo ich Herrn Faktor Nielsen (Fig. 3), einen tüchtigen Vogelkenner, besuchen wollte. Leider war dieser abwesend. Doch traf ich ihn kurz vor meiner Abreise in Reykjavik. Später hatte er noch die Liebenswürdigkeit, mir schriftlich zahlreiche Mitteilungen zukommen zu lassen, weshalb ich ihm zu besonderem Danke verpflichtet bin. Von Eyrarbakki reiste ich zuletzt nach Reykjavik,^
Reisebericht.
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wo ich am Nachmittage des 23. August aulangte. Am Abend des 27. dieses Monats verließ ich die Stadt, am Morgen des 28. passierten wii- die Vest- mannaeyjar, und einige Stunden darauf verschwanden die fernen Berge Islands im Nebel.
An Material habe ich über 150 Vogelbälge in 43 Arten'^bis zur Größe des Siugschwaus, sowie ca. 400 Eier in 37 Arten in Island gesammelt. Mit wenigen Ausnahmen befindet sich dieses noch in meiner Sammlung. Die speziellen ornitliologischeu Resultate werden, soweit es der Phitz erlaubt, im
Alf Bachmanu, München. Phot.
Fig. 3. P. Nielsen am Neste von Megalestris skua.
zweiten Teile der Arbeit dargelegt. Ereilich sind die Ergebnisse meiner Untersuchungen auch nur durchaus lückenhafte, wovon niemand mehr als ich selbst überzeugt sein kann. Möchte die eingehende ornithologische Er- forschung Islands, die von Dänemark aus geplant wird, recht viele der heute noch vorhandenen Lücken ausfüllen und die Kenntnis der Vogelwelt unseres Gebietes auf dieselbe Höhe bringen, wie dies, besonders durch dänischen Forschungseifer, bei der benachbarten grönländischen Kolonie, wenigstens bei deren Westküste, der Fall ist!
4. Die Landschaftsformen Islands mit Hervor- hebung ihrer Charaktervögel.
Gras, Wasser, Steiü: iiii großen Ganzen ist die isländische Natur nur eine Zusammensetzung von diesen Dreien, oft das eine vorherrschend, ander- mal wieder alles Dreies gleichmäßig vereinigt und abwechselnd. Nur an sehr wenigen günstigen Stellen kommen noch niedere Buschwälder hinzu, außerdem natürlich maunigfaclie Blumen und Kräuter, die die Landschaft etwas weniger tot und starr erscheinen lassen. Im allgemeinen aber kann mau wohl sagen, daß die isländische Natur arm und traurig ist, freilich auch gToßartig; denn überall wird der Hintergrund durch die dunkeln stillen Berge abgeschlossen, die zum Teil das ganze Jahr über ihre blendend weiße Schneekappe tragen. Ja an verschiedenen Stellen glänzen von ferne die gewaltigen, unheimlichen Gletschergebiete. Aber kein Windhauch flüstert heimlich mit den schwanken Hängezweigen hochstämmiger Birken. Kein Lied vom deutschen Walde kann wiederhallen in stolzen Richbäumen und ernsten, dunkeln Tannen. Kein Saatfeld wogt, über dem die Lerche frühlings- jubelnd dahinflatterte. Kein Blütenbusch steht am Hange, aus dem in schwellender Mainacht die Nachtigall ihre Liebeslieder jauchzte. Und doch: du sehnst dich fort aus deinem blühenden Garten, fort aus deinem rauschenden Sommerwalde nach der nordischen Einsamkeit, nach der unendlichen Stille, die geheimnisvoll über den dürftigen Gräsern und Blumen lagert und über Wasser und Fels. 0 die isländische Natur ist reich an Poesie und altem, wunderbarem Märchenzauber! Nur muß man Sinn dafür haben und allein sein. Laute, lebensfrische Geselligkeit paßt nicht in diese Landschaften.
Wie manchmal lag ich dort am Berghange, wo der Gießbach mir sein Lied sang, oder am glitzernden See, wenn die Sonne darin sclilafen ging! Die isländischen Vögel sind wie alle anderen abhängig von ihrer Umgebung. Wenn ich ihr Leben schildern will, muß ich zuvörderst ein Bild malen von den charakteristischen Landschaftsformen der Insel.
Wiesen und GrasLind.
Besonders in den tiefer liegenden Teilen des Gebietes finden sich aus- gedehnte Graslandschaften, ebenso in den PJinsattlungen zwischen den Bergen und an den Abhängen derselben. Die Flußtäler zeigen natürlich gleichfalls Oraswuchs. Jedoch verliert sich in der Nähe des Wasserlaufes sehr oft der
Wiesen und (irasluiid.
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(.'harakter eigontliclier Wiesen, um in Moor- und Sumpfland überzugehen, das eine besondere Vogelwelt hat. Freilich ist der Name Wiese auch für jene erst angedeuteten Gebiete nicht völlig bezeichnend. Höheres und kräftigeres Gras von frisehgrüner Farbe findet man, außer an wenigen be- .sonders begünstigten Plätzen, meist nur in unmittelbarer Nähe der Bauern- höfe. Die übrigen Wiesenflächen zeigen gewöhnlich bloß kurzes und nicht besonders dicht wachsendes Gras von mehr graugrüner Färbung, ähnlich wie bei uns die Matten der Gebirgsabhänge. Das Terrain solcher Gebiete ist selten eben. Fast immer besteht der Boden aus unzähligen kleinen Hügeln, die kaum höher als ein halber Meter sind und so dicht beieinander- liegen, daß man in den meisten Fällen von einem zum andern steigen oder wenigstens springen kann (Fig. 4). Zur feuchten Jahreszeit, besonders im Frühlinge, findet sich zwischen den Hügeln oft Wasser und Sumpf, sodaß
Graslandschaft bei Hjalteyri.
ein längeres Durchqueren der Grasflächen des fortwährenden Springens wegen nicht ohne Anstrengung ist. Aber auch wenn später im Sommer die Ver- tiefungen trockner werden und man bei ihrem Betreten nicht mehr einsinkt, ist es immer noch am bequemsten, von Hügel zu Hügel zu steigen, und nur dann, wenn diese zu weit auseinanderliegen oder die Einsenkungeu ein Stück wegartig am Boden hinführen, letztere zu benutzen.
Für den jagenden Ornithologcn bieten solche Graslaudschafteu, wie leicht ersichtlich, mancherlei Hindernisse. Nicht nur bei feuchter Witterung, sondern aucli bei Trockenheit sind die kleinen Hügel oft so glatt, daß man gar leicht ausgleitet. Darum ist es nicht ungefährlich, mit schußfertigem Gewehr, also mit gestochenen Hähnen, ein derartiges Terrain abzusuchen. Andernteils aber flnden die Vögel hinter den Schollen so günstige Deckung, daß sie dann und wann schneller vor dem Jäger auffliegen, als dieser zum
Hantzscli, VoKi^lweU I.slamls. 3
34 Wiesen und (irasland.
Schießen bereit ist. Laiigsain und schrittweise geht mau deslialli Norwarts. die Flinte in der Hand und mit dem Blicke den Fuß unterstüt/end. Aber aller ])aar Sekunden Ideibt man stehen, scliaut sich um und hiusclit. In den stillen isländischen Landschaften schärft sich das Olir. und nnin be- herrscht mit dessen Hilfe ein großes Gebiet. Wenigstens im Frühjahr und Sommer, wenn die Vögel überhaupt liäufiger ihre Stimme hören lassen, be- grüßen sie nicht selten den Mensclien, der es wagt, in ihre einsamen Wohn- orte zu dringen. Sie rufen verwundert ilire Locktöne oder nähern sich sogar neugierig dem Beobachter. Im Herbste scharen sich die meisten zusammen und sind dann, aucli ohne daß man iln-e Stimme vernimmt, leichter sichtbar. So lernt man gar bald die wenigen Charaktervögel der isländischen Wiesen- flächen recht gut kennen, wenn freilich ihre Flrlegung auch oftmals Schwierig- keiten bietet.
Wieder steh' ich nun im Geiste draußen am gi'asigeu Hange, das gute Fernglas, die treue Flinte in der Hand, sonst einsam und lauschend und schauend. Der Winter ist vorüber, und der Frühling beginnt. Isländischer Frühling! Wie ganz anders ist er als bei uns daheim! Nur eine ferne Sage vom Lenzesglttcke dringt hinauf nach dem nordischen Eilande. Kein dunkelblauer Himmel wölbt sich über der kahlen Erde. Kühl bleibt auch der Sonne blinkender Strahl. Statt milder Frühliugslüfte kommt eilend der rauhe Nord geflogen: vom Grönlandseise nach Islands weißen Berggipfeln. Und doch beginnen die Grasflächen bereits im Mai, sich im ersten Frühlings- ahnen zu schmücken. Das trübe Grau der Hügel und Hänge mischt sich langsam mit feinem Grün, und hier und dort am windgeschützten Orte entfalten winzige Pflänzchen schüchtern ihre roten und weißen Blüten, und lautlose Stille deckt feierlich das weite Land und zwingt zum Schauen und Lauschen. Da in der Ferne ein feines Sit Sit! Rascher und stärker werden die Töne, und nun beginnt ein angenehmer Gesang. Der Wiesenpieper (Anthus pratensis) ist es, der den Frühling verkündet. Wie lieblicli klingt sein weiches Schmettern und Trillern, wie stimmungsvoll wechseln damit die einzelnen gezogenen Töne ab! Doch nicht er allein belebt die Gras- flächen: Goldregenpfeifer (Charadrins apricarms) und Brachvogel (Numenhis ])haeoj)Hs) schweben hoch oben am Himmel dahin und erfüllen mit ihrem anhaltenden Trillern die ganze Gegend. Und der kleine Alpenstrandläufer (Faüdna alpiria) sucht es den beiden gleichzutun; sausend durcheilt er die Luft, zitternd flattert er in die Höhe, die Stimme freilich, die er dabei hören läßt, muß mehr ein Schnurren als Trillern genannt werden. An andrer Stelle der Grasfläclien dringt das meckernde Schwirren der Bekassine (Gallinago galUnago) an unser Ohr, und zahlreiche Seeschwalben (Stirna mao-ura) erfreuen uns durch ihr geschicktes, gaukelndes Hin- und Her- schweben. Aber plötzlich stoßen die gewandten Flugkünstler ihr lebhaftes „Kria" aus, die andern Vögel verstehen die Stimme und machen sich zum Kampfe oder zur Flucht bereit. Ein Zwergfalke (talco merilLus) kommt flatternd dahergezogeu ! Auf einmal beschreibt er einen engen Kreis in der Luft, in schönen Bogenlinien schwebt er tiefer zur Erde und stürzt plötzlich
Moor und Siiuipl'land. 35
mit angezogoiieu Flügeln nach dem Boden. Laut schreiend erhebt er sich wieder und trägt den eben noch so froh singenden Wiesenpieper in die Luft einpor. Bald verschwindet er in der Ferne, um auf seinem Lieblingsi)latze die Beute zu verzehren. Manchmal kommt auch der stolzeste Vogel Islands, der Jagdfalke (Hierofalco is(andus), aus seinen Bergen in das Grasland hinab. Angstlich lockend sitzen dann die Brachvögel um Boden, erschreckt eilen die Goldregenpfeifer umher, und die Alpenstrandläufer nicken und knixen in ihrer Aufregung. Keiner vermöchte dem kühnen Räuber zu entfliehen, höchstens der Alpenstrandläufer, wenn er sich regungslos hinter einen Gras- hügel stellt, was er so gern tut. Aber der Falke zieht langsam weiter. Wer weiß, welch' Vogellebeu heute unter seinen Fängen bluten muß! Zeigen sich Rabe (Cormis corax) und Schraarotzerraubmöve (Stercorarms parasiticus), so werden sie nicht selten von den andern Vögeln, besonders den lebhaften und streitbaren Brachvögeln, verfolgt. Häufigere Gefahren freilich drohen von Seiten der Menschen und des weidenden Viehes, vor allem zur Brutzeit. Kaum eine andere Landschaftsform wird von ihnen in gleicher Weise beunruhigt wie die Wiesenflächeu.
Moor und SumpHand.
Außerordentlich reich ist Island, wie ja auch andere wenig bewohnte und wenig kultivierte Länder nördlicher Gebiete, au Mooren, Sümpfen und wassergetränkten, feuchten Örtlichkeiten. Zahllose fließende Gewässer be- rieseln das Land, überschwemmen dieses auch nicht selten bei starken Regen- güssen oder rascher Schneeschmelze und hinterlassen beim Zurücktreten an vielen tiefer gelegenen Plätzen Lachen und Tümpel. In manchen flachen Tälern besitzt auch der Bach so geringes Gefälle, daß er sich ausbreitet »md bedeutende Strecken längs seiner Ufer in Sumpf 1 and verwandelt. Trotz üppigen Graswuchses sind derartige Gebiete gewöhnlich nur während der trockensten Sommerwochen vom Vieh zu begehen, bilden auch eins der unangenehmsten Hindernisse beim Reisen. Andere, selbst große kesseiförmige Täler haben gar keinen Abfluß; das Schnee- und Regenwasser rieselt von den Bergen in die Talsohle hinab, wo es völlig stagniert. Je dichter und torfiger die Schicht der im Laufe der Jahre abgestorbenen Pflanzen wird, desto weniger kann ein Durchsickern des Wassers bis zur touigen oder steinigen Unterlage einti-eten. Da ferner auch die isländische Luft, vielleicht mit Ausnahme weniger Somraerwochen, fast immer kühl, ^ucht und neblig ist, wird das Vorhandensein der zahlreichen Sumpfgebiete zur Genüge erklärt.
Manche derselben ähneln den Wiesen. Dies sind entweder nur zeit- weilig unter Wasser gesetzte Grasflächen, vielleicht mit eingestreuten kleinen Tümpeln und Teichen, oder auch Tieflandsraoore, deren ti'ügerische grüne Rinde oft nur dünn über dem zähen schwarzen Schlamme liegt. So ge- fährlich, als man diese Gebiete manchmal schildert, habe ich sie allerdings nicht gefunden. Mit der nötigen Vorsicht und einem Stocke versehen, der zur Untersuchung kritischer Stellen dient, selbstverständlich auch nur zu Fuß
3*
36 Moor und Siiiii|.flan(l.
uutl nicht zu Fferd, das man acl 1 1 im lustcii falls am Zügel liiiiteiliorfüliren miiU, kanu man zur ti-ockneu Jalivi'Hzoit aucli derartigo Moore durrlisuclien. Hohe Lederstiefel, denen der Sclilamm zu leicht anhaftet, eignen sicli freilicli nicht gut für derartige Exkursiontiu. Hesser ist es. man bindet richtig passende ishindische Scliulie au die l>loBen FüiW und reclinet im übrigen mit der Möglichkeit, den unteren Extremitäten ein kleines Moorbad bieten zu müsseu. Auch erkennt man au dem Aussehen der l'Hanzendecke. welche Tragfähigkeit man ihr zumuten darf.
Die versumpften Wiesenflächen und Tieflandsmoore sind fast immer mit kräftigem I'tlauzenwuchse überzogen. Algen und Torfmoos bilden mehr den Untergrund, dazwischen wuchern harte (iräser — vor allem Cyperaceen und Juncaceen, unter den Scirpeeu zwei schöne Arten Eriophorum, Wollgras, die oft große Strecken ganz weiß erscheinen lassen — . Sie erreichen mitunter eine recht ansehnliche Höhe, wenn auch nur eine geringe Dichte. Niedriges Gesträuch erblickt man ganz selten, Blumen auch nur in wenigen Arten, am häutigsten die leuchtend gelbe Sumpfdotterblume (Caltha jyal-iistris).
Wohl aber ist die Vogelwelt oft ziemlich reich, besonders wenn der- artige Tieflaudsmoore keine allzugroße Ausdehnung haben, offenes, am besten fließendes Wasser und abwechslungsvolle Umgebung besitzen. Vor allem beim Beginne der Brutzeit glauben sich die Vögel hier am sichersten, weil vorher weder Menschen noch Vieh ein solches Gebiet aufsuchten und die Pflanzen- welt Schutz und Nahrung verspricht.
Von Kleinvögeln freilich ist nicht viel zu erblicken, denn auch der Wiesenpieper bewohnt sumpfige Gegenden nicht so häufig als andere. Das- selbe gilt von dem Goldregenpfeifer. Dagegen sind Brachvögel und Alpen- strandläufer regelmäßige Bewohner dieser Gebiete, wenn sie auch zu Brut- plätzen ein trockenes Hügelchen aussuchen. Ste7-7ia macrura besucht ebenfalls das Sumpfland, obgleich sie als Kolouienvogel durchaus nicht überall brütet. Sehr zur Belebung einer derartigen Gegend trägt bei, wenn eine Anzahl Rotschenkel (Totanus totanus) daselbst nisten. Die Vögel sind ja so außer- ordentlich unruhig und verursachen durch ihr angenehmes Flöten und Trillern so viel Lärm, daß es immer wieder interessant ist, ihre Brutplätze zu be- suchen. Dann umfliegen sie den Beobachter mit allen Kennzeichen größter Besorgnis und mit unaufhörlichem Rufen. Einen besonders schlimmen Auf- ruhr verursacht die Annäherung einer vielleicht sogar in der Nähe nistenden Schmarotzerraubmöve, die Eier suchend dahinschwebt. Eine solche verfolgen die erregten Vögel, gemeinsam mit Auinenius p/iaeopus, auf das heftigste und bewegen den Räuber oft genug zum Verlassen des Ortes. Auch die Bekassine ist im Sumpf lande zu Hause, jedoch meist seltner als in den Hochmooren. Ganz einförmiges, ebenes Terrain liebt sie nicht. Wenn kleine Teiche das Gebiet durchsetzen, findet man auch den überaus zierlichen Üdinshani, den kleineu Wassertreter (PhcUarojiiis lobaiu^). Geradezu rührend ist es, das Familienleben dieser Vögelchen zu beobacliten. Weiter bewohnt die Wasser- ralle (Rallus aqnaiicus) die Sumpfgegenden, wird aber im Sommer nur
Moor und SumprUmd. 37
äußerst selten gesehen. Das merkwürdige Balzgeschrei des Vogels mag woliJ 7.11 seinem isländischen Namen Keldusvin (d. i. Sumpfschweiu) Veranlassung gegeben haben. Tu einem kleinen Teile Südwest-Islands belebt auch die schwarzschwäuzige Uferschnepfe (Llmosa limosa) die feuchten Wiesen, doch wird sie sonst nirgends auf der Insel gefunden. Noch erwähnt als Oharakter- vögel des Sumpf landes seien die Gänse und Enten. Über das Vorkommen und die Verbreitung der erstereu liegen bestimmte Beobachtungen erst in recht geringer Zahl vor; unter den l^]nten sind Anas boschas, Nettion crecca und Mareca penelope am liäufigsteu an den Gewässern der Tieflandsmoore, wenigstens in Nordislaud.
Ganz andere Stimmung liegt über den Hochnioorciil Kein Weg Inhrt hinein in diese trostlosen, düsteru Landschaften, die man gewöhnlicli auch nur zu Fuße besuchen kann. Leicht bricht das Pferd bis an den Leib in den zähen Schlamm, bringt den Reiter zu Sturze und wird selbst so ein- geschüchtert, daß es sich kaum am Zügel weiterführen läßt. So mutig die Isländer als Reiter sind, so vorsichtig verhalten sie sich beim Betreten von Mooren, die sie wenn irgend möglich umreiten. Freilich kann sich auch der Isländer kaum trennen von seinen Pferden. Niemals unternimmt er frei- willig größere AVanderungen zu Fuße, und deshalb l)leiben ihm gewisse Gebiete gänzlich unbekannt. In der Nähe der Gehöfte sticht der isländische Bauer Torf aus den Mooren, den er als Brenn- und Baumaterial benutzt, weshalb an solchen Plätzen kleine Wege vorhanden sind.
Die Pflanzenwelt der Hochmoore ist meist recht dürftig, doch maiub- irial abwechslungsvoller als die des sumpfigen Tieflandes. Nicht nur Moose und Gräser bedecken den Boden, sondern hier und dort auch verschiedene Heidekräuter mit hübschen Blüten. Die zierliche Zwergbirke (BeUda nemo) bildet niedriges, aber dichtes Gestrüpp. Manchmal zeigen sich kleine, kaum kniehohe Weiden, deren große Blütenkätzchen die düstere Fläche freundJirli schmücken. Auch verschiedene Blumen strecken (Um- Sonne ihre leuchtenden Köpfchen entgegen: die weiße Dryas octopetala, die vielblütige rote Saxifraga opposüifolia, die zierliche Farnama jyahistris, die dunkelblaue Pingviculo vulgans u. a. m. So geht das Hochmoor schon otwns in die Heideland- schaften über.
Die Vogelwelt ist gewnihnlich ;irm: doch sind die Brntvögel oft recht zutraulich, weil sie selten bennruliigt werden, l'ud einen eigentümlichen Reiz hat es, ihrem liCbeu und Treiben aus unmittelbarer Nähe zuzuschauen, sich mit Verständnis und Liebe in ihre Gedanken und deren Äußerungen zu vertiefen, selbst aufzugehen als Geschöpf unter den Geschöpfen.
Fs war ein .lunimorgeu, trübe und feucht, f. eise strit h der AVind über das einsame Moor, und raschelnd erzitterten die kh'inen harten Blätter. Sonderbare Nebelmassen wälzten sich auf den tieferen Finsenkungen und (gründen, während die nahen Berggipfel in ihrer stillen weißen Pracht feierlich herabschauten auf das weite öde Land zu ihren Füßen. Auch die Rufe der sonst alles belebenden Vögel vermochten nicht, die nielancli(dische Stimmung zu beseitio-en. Ein Paar Bekassinen strich sausend vorüber. Fast schrill klang
38 Heidi-.
(las taktiiiiilMgo, sonst so yelicinmisvull zärtliche l'itepiteiiit, das beide Vögel aiisstielieu. Doch nach kurzem Fluge tiel das AVeibclien an sunij)figer Stelle ein. während das Männclien sicii hinimelhoch eniporsdiwang. um im krampf- haft starren AbwärtsHiegen sein eigentümliches Meckern hervorzubringen. Der kleine Alpenstrandläufer stolzierte wenige Scliritte vor mir von Hügelchen zu Hügelchen und warnte mit verständigem Tüb Tüb. Plötzlich schwang er sicli auch mit scharfem l*ip davon, sauste in der Luft umher und zeterte sein rasches, rauhes Tiiiiii. Dann kam sein Begleiter, der Goldregenpfeifer. Wie zutraulich er auf dem ^Moosliügelcheu saß! Wie unverdrossen er sein Didüli Didüli rief, während daweile das Weibchen tief niedergeduckt das Nest verließ! Vorsichtig lauerte noch H*iu Brachvogel in der Ferne; tu tu war das einzige, was er sagte.
Wenigstens die drei letztgenannten Vögel ähneln sich außerui deutlich in ihrem Wesen und in ihren Stimmen. Fast möchte man glauben, sie hätten einer von dem andern gelernt, oder die Lehrmeisterin Natm- hätte hier in> einförmigen Hochmoore nicht gewollt, daß ein abwechslungsvolles Treiben, ein buntes Gemisch der Töne die ernste Stimmung störe.
Selten zeigen sich noch andere Vogelgestalten iu diesen Gegenden: ein Wieseupieper, der kaum wagt, sein fi-öhliches Liedchen anzustimmen, Ivrickente und Wassertreter, die auf dunkler Lache umherschwimmen, ein Schneehuhn, das mit lautknarrendem Balzrufe fast unheimlich die Stille unterbricht, wohl auch ein Rabe oder Raubvogel, denen ihre hervorragende Flugkraft ermögliclit, alltäglich große Gebiete nach Beute abzusuchen. Doch kann man halbe Stunden die Hochmoore durchqueren, ohne einem einzigen Vertreter dei' Vogelwelt zu begegnen.
Heide.
Vielleicht noch öder sind die Heiden, die Island in großer Ausdehnung, besonders in seinen gebirgigen Teilen, bedecken. Selbst wenn die Sonne freundlich herabstrahlt, vermag sie kaum den geheimnisvollen Zauber zu lösen, der übei" diesen verlassenen, stillen Landschaften liegt. Wenn man aber bei trübem Wetter einsam über sie hinwegreitet, erfaßt bange Be- klommenlicit Mann und l^oß. Und wenn vollends die märchenhafte, dämmernde Sommernacht ihre Schatten niederseukt, dann werden all die unheimlichen Sagen lebendig, mit denen isländischer Aberglauben die Heide erfüllt hat.
Lautlose Stille liegt über dem Ganzen! Die wenigen Schafe, die sich mit den dürftigen Kräutern und Gräsern begnügen, haben sich zwischen den /ahllosen Hügelchen uiedergetan. Raschelnd streifen die Füße des Pferdes die am Boden hinkriechenden Gebüsche von Weiden und Zwergbirken. Das kluge Tier hat keine Neigung hier zu rasten, wo ihm nur allzuharte Nahrung winkt. Heideki'aut (Callnna viihfanKJ, Rauschbeere (Arctostap/ii//os ura ur.^i). Krähenbeere (Kmpetrum idgrum) und verschiedene Vaccinieen bedecken eben- falls das trockne Erdreich, doch selten schimmern hier und dort kleine Blumen: S<(.ri/ra;i(i oppositifoUa. Dn/as octopctala, Armevia ehngalo, Potenülla nipestris
Lavaoebiete. 39
<pder auch (mu Enzian und Hieracimn. Stellenweise suclien Sand und Kies die dürftige Vegetation nocii vollends zu vernicliten, während an andern Plätzen, besonders in kleinen Tälern, sich Moortiächen eiuscliiebeu.
Aus der schwarzen Lavii. des Untergrundes hat man Steinpyramideii aufgerichtet, um bei Sturm und Schnee Wegweisung zu geben. Oben auf der Spitze einer s(»lclien sitzt der graue Steinschmätzer (Suxicola oenanthe), wippt mit dem Schwänze und verschwindet dann in einem der Zwischen- räume. Auch die Schueeammer (Passerina nivalis) hat manchmal ihr weich gepolstertes Nest daselbst gebaut und singt mit dem Wiesenpieper um die Wette, der gleichfalls hier wohnt. ( 'haraktervogel aber der Heide ist das Schneehuhn (Lagopus mpestris), das Schutz und Nahrung in 'dem Gestrüpp daselbst findet, wenn auch sein Hauptfeind, der große isländische Falke, es hart verfolgt. Fast noch mehr als bei uns das Rebhuhn (PenUx pevdix) bietet in Island das Sclmeehuhn die rührendsten liilder eines innigen Familien- lebens. Auch Goldregenpfeifer, Alpenstrandläufer und Brachvogel bewohnen die Heide, die sie mit ihren melancholischen Stimmen beleben. An besonders trocknen Plätzen ist ferner der Sandregenpfeifer (Aegialitis Maticula) zu Hause, der in Besorgnis um Eier und Junge den einsamen Reiter viertelstundenlang mit wohlklingendem Düid begleitet. Vielleicht noch das Gekrächze eines Kolki-al)en! Oft a])er auch überall lautlose Stille, wenn nicht der Sturm übei- das Land braust, der mit Regen und Schneeschauern vereinigt die isländischen Heiden selbst im Hochsommer als einen Ort des Grauens erscheinen läßt, in dem Spukgestalten uivd ))öse Geister ihr Wesen treiben! Wenn freilich der taufrische Augustmorgeu aufwacht, wenn in den Spinngeweben die unzähligen Tröpfchen blitzen und der Sonnenschein über der weiten Land- schaft zittert, dann erscheint die Heide iils ein Märchen und Rätsel, dessen Lösung miin sucht und nicht findet.
Lava^ebiete.
Hie zahlreichen, teilweise heute noch tätigen Vulkane, die Island besitzt, liab(;n große Flächen einst vielleicht fruchtbaren Landes mit Ijavaströmen übergössen, die nun erstarrt ganz e'gentümliche Landschafts formen bilden. Je jünger die erkalteten Massen sind, desto weniger hat sich Vegetation auf ihnen entwickelt und desto ärmer ist infolgedessen auch die Faunii. Ver- wittern die Laven allmählich, so lüldet sich darauf eine gewöhnlicli dürftige 1 Pflanzenwelt, die im allgemeinen den Typus der isländischen Heide dar- .stellt. Hin ebenso interessantes wie abwechslungsvolles Gebiet jüngerer vulkanischer Tätigkeit ist die Gegend des Myvatn. die teilweise sogar gut i'iitwickelte Vegetation zeigt.
Wie ein Gletscher, wie ein starrer Fisstrom erscheinen manche Lava- felder. In großen, ganz flachen Blasen ist die Masse erkaltet, sodaß man <»ft weite, Strecken äußerst bequem darüber gehen kann. Meist aber wird das liai'te Gestein von zahllosen Rissen und Spalten durchzogen, die je nach der Stärke der Schicht mehr odei- weniger tief sind, mitunter selbst völlig den Weg versperren, weil sie senkrecht ;ibt;ill('ii (Fig. 5). Derartige Schlucliten,
40 liavaijebietc.
in denen sicli iiiandinuil aucli klares und wolilsclinicckendcs Wasser findet, zeigt am or()üarti<,^sten die (ie<fend Vdii |>ingvellir. Im GruiKle der Kisse hat sich zuerst Erde angesammelt, in der nun Gräsrr und Kräuter üj^pig wuchern, weil sie vor den oft äußerst heftigen und kalten Winden geschützt sind. Hier baut dann der Wiesenpieper sein Nest, während in seitlichen .Spalten Steinschmätzer und Schneeamraer ihre Jungen großziehen. Und wahrlich, sie haben sich kein iil)les Plätzchen gewählt, wo aucli der müde Wanderer im .Schein der warmen Sonne nur zu gern sich im frischen Grüne nied(n-läßt! Manchmal freilich gibt es in den Lavagehieten so viele Ritze. Löciier. Spalten und Schluchten, daß sie fast unzugänglich werden oder man zum mindesteil außerordentlich vorsichtig umherklettern mul». um nicht auf dem hai'ten Gestein auszugleitoii und gefährlich zu stürzen, liier und durt
Lavafeld beim (Vlyvatn.
nehmen die Lavannissen die Gestalt großer Blöcke an. die z. 15. in der Nähe von Kc'ilfaströnd am .Myvatn phantastische, wunderliche Formen zeigen. Sonderbare Felsen, gewöhnlich von schwarzer, selten r(»tbrauner I'^ärhung. starren kahl empor. Zwischen ihnen al)er wächst eine recht gut entwickelte Pflanzenwelt. Zahlreiche Birkenbüsche {Ikhda puhe-'o-ciis) gehen diesen Ge- bieten einen hesduderen Heiz, locken auch die isländische Hotdrossel (Turdn.i iliacnx) und den l.eintiidcen (Acant/tis /Inaria) herbei, die ungestört von den Mensclien hier ihr bescheidenes Dasein führen. Diese kleinen Vögel finden daselbst so viel Deckung, daß man weit öfter ihre Stimme vernimmt. al> sie selbst zu Gesicht bekommt. Häufig begegnet man den Schneehühnern, die unter den Birkeubüschen geschützte Nistplätze finden, außerdem freiJicli ihrem Verfolger, dem Haben, der in wenigen Lavagebieten fehlt, in einigen sogar Charaktervogel ist. Ebenso wie iI(M- i'nlarfuchs ((Äum Jagopus) weiß
N'ulkiuüsclie (lebiete.
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iiucli der Idugo Rabe, daß er in dem scliwer zugäiigliclien Gewirr der Fels- broi'keii kaum von Meiisclieu belästigt wird, und der große seliwarze Vogel paßt mit seinem tiefen Gekräehz ganz ausgezeichnet in die wild zerrissenen Massen. Die beiden Falkenarten suchen ebenfalls die Gebiete auf, Fako meriUiis besonders der /.abli-eiclien Steinschmätzer, flierofa/ro yyrfalco der Schneehühner wegen.
Viilkaiiiselie Gebiete imd lieilJe (Quellen.
Dort, wo die vulkanische Tätigkeit sich noch jetzt unniittcliiar geltend macht oder wo vor kurzer Zeit Ausbrüche erfolgten, ist jedes organisclie Leben so gut wie verschwunden. Keine Blume, ja kein Grashalm rntsproßt dem Boden, keine Fliege snmnit. kein Käfer läuft darüber hin. und auch die Pferde betreten höchst ungern die nackten Schuttilächen und die scharl- kantige poröse Lava. Totenstille lagert über solch öden Gebieten, aber hier und dort entsteigen dünne Kauchsäulen dem Boden, die sich mitunter iinf-
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Schwefelberge beim Myvatn.
fällig verdichten luul deren ersticl<cnde Dünste dem liesuchci- warnungsvoll ervtgegenwehen. Gelber Schwefel bedeckt stellenweise die Obertläche der Lrde, und die ausstrahlende Hitze mahnt gleichfalls zur ^'orsicilt (Fig. (>). Selten, daß solche Orte von einem Raben, einem Falken überflogen werden, weil ja doch keine Beute winkt. Nur den kleinen Sandregeiipfeifer traf ich finmal dicht am Rande eines derartig erhitzten Gebietes.
Einen völlig andern Liudruck machen die Orte, wo heiße oder kncliende Ouellen dem Boden entströmen, was ja in vielen Gegenden Islands der Fall ist. Der berühmte (leysir freilich und seine Lmgebung sind durchaus nicht die ornithologisch interessantesten Spring(iuellen. weil das kochende Wasser nur ab und zu aus der Lrde schießt und deshalb nicht ständig eine genügende Menge davon abfließt und die Umgebung erwärmt. Oft fern vom Verkehre, ich denke z. B. an Deildartungu in der Borgarfjardar Sysla. sprudeln kochende <>uellen unnnterbroclien iiervor. die das umlierliegende T-and mit lauem
42 Gebirge mit geringem l'flauzenwuclise.
AN'asser bedecken und d;iinitf(Mide Bäche bilden. Hier und dort entspringen auch inmitten von Tcirlien und Seen, wie in gewissen Teilen des Myvatn, derartige Quellen, die das umgebende AVasser erwärmen. Wd die Hitze nicht mehr vegetationshindernd wirkt, entwickeln sich üppige Gräser und Sumpl- gewächse, die der Tierwelt äußerst willkommen sind. Mehrfach sah ich zur Zugzeit im .Vugust große Scharen von Goldregenpfeiftn-n und Brachvögeln in derartigen Geliieten so eifrig dem Kerbtierfange obliegen, daß ich im Schutze des aufsteigenden Dampfes mich bis auf wenige Schritte den Vögeln nähern konnte. In der kalten Jahreszeit haben die heißen Quellen größte Bedeutung, da sie und ihre rmgebung niemals zufrieren, Pflanzen, niedere Tiere und Fische am Leben erhalten, und auch den Vögeln die Möglichkeit einer Über- winterung bieten.
Grebiri^e mit geringem Pflauzenwuchse.
Bergköuigin nennt der Isländer seine Heimat in dem vielgesungeneu Nationalliedc „Eldgamla Isafold", und auch der Reisende behält in seiner Erinnerung vor allem das Bild der einsamen, dunkeln oder auch schuee- gekröuten Bergriesen. Nirgends wollen sie ein Ende nehmen, immer wieder in andern, oft so cliarakteristischen Formen türmen sie sich auf: selten nur .sanft, steigen sie gewöhnlich steil und starr in die Höhe, ragen oft so wild empor, daß eine Besteigung der Gipfel fast unmöglich erscheint.
Kaum sichtbar schlängelt sich der kleine Pfad über Bergmatten hin- weg nach den höheren Teilen des Gebirges. Die Schafe allein sind es, die ihn benutzen. Höchstens wenn im Spätjahre die Bauern das Vieh von den Hochweiden nach den Höfen treiben, klettern sie auch da hinan. Langsam schreitet man vorwärts, schaut hier und dort nach einem auffälligen Steine, der am Boden liegt, nach einer der vielen zierlichen Blumen, die den Ab- hang bunt überstreuen, oder lauscht, wenn eine Vogelstimme an das Ohr drang. Allmählich wird die Pflanzenwelt dürftiger, und das Steingeröll herrscht vor. Selbst in der tiefen Rinne, die der murmelnde Bach gegraben hat, entwickelt sich keine Vegetation; stürzt ja nur zu oft das Wasser so wild herab, daß es jedes Körnchen Erde mit fortreißt und die großen und kleinen Felstrümmer voi' si<-h herrollt, daß man es trotz des Brausens hören kann.
Jetzt aber fließt der Bergbach, von Trockenheit und Sonnenschein be- zwungen, ungefährlich in seinem Bette dahin. Zahllose kleine Riesel eilen auf ihn zu, sodaß er wenige Kilometer talabwärts vielleicht kaum mehr von einem Mensclien durchquert werden kann. Solche Riesel, die der schmelzende Bergschnee speist, führen oft durch sumpfiges Erdreich, auf dem sich kurze Gräser, Moose und vor allem die überaus verbreitete Alchemilla alpina ent- wickeln. Diese gelblichgrüne Pflanze begleitet die kleineu AVasserläufe von der Schneegrenze bis hinab ins Tal, sodaß man schon aus weiter Ferne erkennt, ob der Gebirgsabhang trocken oder feucht ist. Alerkwürdig und nicht ungefährlich sind die Stellen, wo das rieselnde Wasser streckenweise verschwindet, um von torfigen Erdschichten überdeckt unsichtbar dahinzu- fließen. Dann und wann vermögen dünne Scliichten das Gewicht des Menschen
(lebirge mit f^eriiigfiu Pttanzenwuchsc. 43
nicht zu tragen, sie geben nach, brechen durch, und man steht,' mitunter in höhlenartigeu Vertiefungen, in Wasser und Moor. Oder was ungleich häufiger, füi- den mit Gewehr und andern Utensilien versehenen Ornithologen aber ebenfalls wenig vergnüglich ist. man gleitet auf dem äußerst schlüpfrigen Moosgruüde ans und rutsclit ein Stück abwärts. Am besten noch kommt man vorwärts, wo niedrige Zwergbirken, Heidekräuter und ähnliche Arten den trocknen lioden bedecken.
Aber doch, wie schön ist es inmitten der pflanzenarmeu Gebirgsland- schaften, besonders wenn der Wind feiert und die Sonne scheint! Über mir die flatternden weißen Wolken auf dem blaßblauen Grunde, vor mir die wilden, uubesteigbaren Bergwände, von denen nicht selten ein Wasserfall schäumend lierunterstürzt. neben mir der murmelnde klare Bach, die unzähligen kleinen Steine und die mächtigen Felstrümmer! Und schaut man hinab: wie friedlicli liegt das weite stille Tal im Sonnenscheine, das auf der andern Seite drüben sieb wieder zu stolzen Berghöhen auftürmt! Grün schimmern die Matten, weiß steigt der Rauch aus dem grasbewachsenen Torfhause, in <lem man mit einfachen, biederen Menschen zusammenwohnt, weit weg von allem Hader der Welt.
Neben mir schmettert ein wolilbekanutes Stimmchen : Anorthuratroglodytes ist es. die gleichfalls am Bachufer das Gebirge bestieg. Aber leise in der Ferne beginnt Siilskrikjan (Passerina nwalis) der Sonne entgegenzusingen. Ich klettere hin in ihre Nähe, wo sie auf dem großen Steine immer sitzt. Es ist ein altes Männclien mit pechschwarzem Rücken und blendendweißer Unterseite. Und das Singen hat es auch gelernt! Man muß die Sclmeeammer in solcher Umgebung gehört haben, um zu verstehen, warum der isländische Dichter jiorsteinn Erlingsson sie höher schätzt, als alle Nachtigallen Kopen- liagens ' ). Auch der Steinschmätzer belebt • die einsamen Berghalden mit seinem Gesang, und in der Nähe der AVasserriesel ertönt mitunter die fröhliche Stimme des Wiesenpieiiers. Das Schneehuhn geht nur so hoch hinauf in die Gebirge, als etwas lieideartiger Pflanzenwuchs sich findet.
Doch in den senkrecht emporsteigenden gewaltigen Felsen mit ihren Rissen und Klüften sind die Horstplätze der Raubvögel und des Raben. Da sitzt der Jagdfalke regungslos auf vorspringender Felszacke, schreiend flattert der Steinfalke an den Abhängen dahin, und in wundervollen weiten Bogen schwebt der scheinbai- ungeschickte Rabe hoch oben in reiner Morgenluft. Freilich behauptet jeder von diesen Vögeln ein großes Revier, wo er horstet, für sich allein. V^ersucht ein andrer daselbst einzudringen, so kommt es zu heftigem Kaui]ife. Besonders die Raben, die gewöhnlich familienweise zu- sammenfliegen. greifen die Falken mit zornigem Gekrächze an. vermögen fi-eilich den wohl bewehrten und gewandten Fliegern kaum etwas anzuhaben.
Manchmal bin ich auch stundenlang in den Bergen umhergestiegen, <'line einen eijizigen V(»gel zu sehen oder zu hören.
') Jii Wirkln-likfit koiimit dort nur der Sprosser (Erithaciis philomela) vor.
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SchiH'cfelder iirnl (Tletscher.
Scliufefelder iiiid (Gletscher.
islaudl Wohl nicht mit UniTcht hat der alte Flnki Vilgerdaröon oder irgend eiu andrer AVikiiioer der Irisel diesen Namen gegeben. Wenn in entsprecliend nördlichen Teilen Norwegens längst der Frühling eingezogen ist. steht Islands Erde noch unter dem liarten Banne des Winters. Wohl sind die Witterungsverhältnissc der einzelnen Jahre recht verschieden, auch die Meeresküste und das Innere, der Süden und der Norden des Landes, doch kann nicht geleugnet werden, daß Schnee und Kis auf der Insel viele Monate des Jahres herrschen. Bedecken ja allein die Gletschergebiete einen ungefähr dreimal so großen Raum als die der Alpen. Wenn man sich von
Kig.
Nordwestisländische Steilküste.
Süden her der Insel nähert, leuchten schon aus weiter Ferne die blendenden Zinken des vulkanischen Öra?fa-Jökull. weiter im Hintergrunde dieinnjestätischen Kuppen des ungeheuren Vatna-Jökull, die ebenso großartig wie erscb reckend auf den Reisenden wirken, der vom warmen Süden kommt.
Als ich in der zweiten Hälfte des Mai die Nordwestküste umfuhr, bot sie noch völlig das Bild des Winters (Fig. 7 — 10). Bis an das Meer hinab ging vielerorts der Schnee, während höher hinauf an den steilen Abhängen durclisichtig grünes Eis schimmerte. Und das Hinterland war überall weiß, ein Reisen daselbst kaum denkbar. Aber sclion lierrschte an den Brut]ilätzen der Seevögel das regste Leben.
unvergeßlich prägen sich d(!m Naturfreunde diese stillen, großartigen Wiuterlandschaften ein, die er hier betracliton k;inn. wenn d;ilieini Rosen und Jasmin ihre Blüten öftnenl
Schueefolder und Gletscher.
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Wir hatten von Hafnarljövdr aus eine unruhige Fahrt über den Faxafjördr gehabt, als wir abends gegen 10 Uhr vor Budir den Anker fallen ließen. Die Luft war still geworden, sonimernächtige Dämmerung sank herab, niemand dachte an Schlaf. Einer der schönsten Gletscherberge Islands lag vor uns: der märchenhafte Suae felis, der sich gegen 1400 m hoch trotzig aus dem Meere erbebt und sein weißes Haupt leuchtend in den Nachthimmel empor- reckte. AVir schauten alle auf ihn, aucli die ihn oft genug gesehen hatten; denn immer wieder war er schön.
Aber hundertfältige Bilder isländischer Schnee- und Eislandschaften bot die Fahrt um die nordwestliche Spitze der Insel. Wir hatten Cap Nord überschritten und das Eismeer durchkreuzt. Nirgends auch nur ein grüner Schimmer au den steilen Bergen, bloß das Weiß des Sclmees oder hier und
Fig. 8. Nordwestisländische Steilküste.
dort das Schwarz des Basaltes! Das Meer war still, so still und spiegel- glatt wie selten in diesen Gegenden. Und auch wir drei auf der Kommando- brücke sprachen kaum ein Wort. Der Cours ging nach Südost, längs der Küste hin. Allmählich kam die Mitternacht heran, und das Thermometer sank auf 0^ Welch wunderbare Farben zeigte die Landschaft! Hinter uns war eben die Sonne ins Meer versunken. Aber leuchtend in duftigem Rot strahlten die vielen kleinen AVolken des nordwestlichen Himmels. Und sie spiegelten sich wieder in dem ungeheuren Spiegel der glatten Meeresfläche, hier in breiten gelben Streifen über diese hinweghuschend, dort funkelud und zitternd, wo das Schiff das Wasser durchschnitten hatte. Und rechts zur Seite! Tief im Hintergrunde türmton sich die Gletschergipfel der Dranga, an der Küste entlang eine unabsehbare Reihe steilansteigender Berge. Und welcher Kontrast der Farben! Unten am Meere ein schwarzblauer, düstrer Streifen, die Mitte der Felsen in eigentümlicli milcliiges Blau gehüllt, die
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Schneefeldor und (iletsclior.
Spitzen aber vom Abendscheine mit dem zartesten rosagelben Schimmer iiberliaucht. Und endlich der Norden! Schwarz nnd schweigend dämmerte das Meer, bloß am Horizonte glänzten zahllose lenchtendweiße Flecken: das Grönlandstreibeis, das uns die folgenden Tage so viele ]Mnhe verursachen sollte! Auf dem Meere plätscherten Lummen und Alke erschreckt vor uns her. Als wir in den Nordfjördr einfuhren, schliefen l'liderenten und andere Arten auf den großen Eisschollen. Wenige dreizeliige Möven. häutigi'r noch Eissturmvögel umflogen unser Schiff.
Im Spätsommer verschwindet der Schnee aus allen tiefen (legenden, es sei denn in Schluchten und steilen Tälern, die von den Sonnenstrahlen nicht getroffen werden. Und oben auf den Gletschern und Schneefeldern. die nie vergehen, hat der Ornitholog kaum etwas zu suchen. Sie sind durch-
Fio. 9. Nordwestisländische Küste.
aus verlassen von Vögeln oder werden höchstens von Raben und Falken überflogen. In Südostisland allerdings, wo die tiefsten Gletscherenden kaum 20 m über dem Meere liegen und die Schneegrenze sclion bei 600 m beginnt, mögen auch die andern Gebirgsvögel, sowie Seeadler und Raubmöven dann und wann in solche Gebiete eindringen. In Nordisland befindet sich die Schneegrenze erst in einer Höhe von 1300 m, doch hört eine eigentliche Pflanzenwelt fast immer schon in viel tieferen Gegenden auf, und ausnahms- weise nur wird die Vegetationsgrenze von den Vögeln überscliritten. Auch in den Höhenlagen, wo nur hier und dort, besonders in den Tälern, Sommer- schuee liegen bleibt, ist das Tierleben äußerst dürftig. Die Fährte des Polarfuchses führt über die weißen Flächen, in der Luft flattert ein Jagd- falke, knarrend fliegt ein Schneehuhn davon, hier und da noch ein Stein- schmätzer oder eine Schneeammer, die gern in der Nähe von Schneemassen ihr Nest baut, sonst ist es öde im höheren Gebirge, das voll von Gefahren,
Wüsten und Sandflächen.
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wohl nur von dem Geographen aufgesucht wird, Furclitbare Stürme, die eine Fortbewegung des Menschen in gefährlichem Terrain unmöglich machen, rasen über die unwirtlichen Höhen, dicke Nebel versclileiern oft plötzlicli die ganze Gegend. Der rasclie Wechsel der Witterung ist ja besonders in Nordisland so berüclitigt und fügt auch der Vogelwelt nicht selten empfind- lichen Schaden zu.
Wüsten und Sandfläclien.
Auch diese Gebiete entbehren beinahe völlig jedes Tierleben, wenigstens da, wo sie größere Ausdehnung annehmen. Und Island besitzt neben den unwirtlichen Gletschern große Strecken von solchem durchaus wüsten Lande. Ist ja kaum der dritte Teil der Insel für Menschen bewohnbar. Besonders
Fig. 10. Nordwestisländische Küste.
in der Umgebung des ungeheuren Vatna-Jökulls liegen derartige vöUig unfruchtbare Landschaften, die sich bis zur Nordküste Islands ausdehnen. Hier gibt es viele tageweite Strecken, die nur äußerst selten oder überhaupt nicht von Menschen aufgesucht werden und erst in den letzten Jahrzehnten, vor allem durch den unermüdlichen isländischen Geographen Professor Dr. Thorvaldur Thoroddseu, einigermaßen durchforscht und kartographisch auf- genommen wurden. Daß diese zum größten Teile freilich öden und kahlen Gebiete, die nur hier und da Gewässer und Pflanzenwuchs zeigen, doch von gewissen Vögeln als Brutplätze gewählt werden, ist mit Sicherheit anzunehmen.
Nicht zu unterschätzende Bedeutung würde es- haben, diese Gegenden ornithologisch zu untersuchen, wodurch eine ganze Zahl nicht nur für die Avifauna Islands wichtiger Fragen gelöst werden könnten. Freilich ist ein derartiges Unternehmen mit ebensoviel Strapazen wie Kosten verbunden.
In der weiteren Umgebung des Mi^vatn hat man Gelegenheit, die Wüsten und Sandflächen Islands kennen zu lernen. Unter Wüsten meine ich die
48 Wüsten iitul Sandflächen.
uToßeu Schutt- und Gemllfelder, die teilweise aus postglacialen Laven, teil- weise auch aus l>inisstein, Tuffen, Konglomeraten und ähnlidien Gesteinen gebildet sind. In geringer Ausdelinung tinden sich Geröllfelder zwar überall, besonders am Fuße der Gebirge, doch Itestelien sie dann vorzüglich aus den verwitterten und losgelösten Gesteinen der Umgebung, also hauptsächlich iiasalten und Trachyten. Die PHanzeuwelt solcher meist wenig bewässerter örtlichkeiten ist fast immer dürftig: manclimal wird sie nur durch Kryptogamen, insbesondere Moose, gebildet; streckenweise verschwindet sie auch gänzlich. An den Rändern der Geröllflächen wohnen Steinschmätzer und solche Vögel, die in den benachbarten Gegenden ihre Nahrung suclien und nur im Schutze des Felsgewirres ihr Nest anlegen. Ich habe ausgedehnte Wüsten nicht genug bereist, um von Charaktervögeln daselbst reden zu können. Für gewöhnlich scheint aber nur der Steinschmätzer ein solcher zu sein, vielleicht noch die Schneeammer, wo es sich um gebirgigere Gegenden handelt.
Wer mit Zeit und Geld rechnen muß, wird kaum die isländischen Wüsten aufsuchen, zumal man abseits von den wenigen sogenannten Wegen Pferde oft nicht gebrauchen kann. Und das Klettern über die Schotter- und Geröllfelder ist ebenso anstrengend wie langsam fördernd. Eigenartig berührt es freilich den Forscher, wenn er sich, vielleicht ganz allein, inmitten des Gewirres von Schutt und Steinen befindet, ringsum ein lebloses, starres Meer, dessen Pflanzenwelt, wo überhaupt vorhanden, den melancholischen Eindruck durchaus nicht vermindert. Wie verbannt und ausgestoßen von der Welt kommt man sich vor, wie erlöst und von einem seelischen Drucke befreit, wenn man wieder frisches Grün und bewohnte Gegenden unter den Füßen hat.
Landschaftlich kaum angenehmer sind die Kies- und Sandflächen, die freilich vor den Geröllfeldern den erheblichen Vorzug leichterer Passierbarkeit besitzen. Wenn man vom Myvatn nach Hüsavik reitet, muß man viele Stunden lang über den Hölasandr, das ist ein solches Gebiet, hinweg (Fig. 11). Sanft wellig, im kleinen fast eben, liegen die öden Flächen vor unsern Blicken. Kilometerweit rundum nur brauner Sand und grober Kies, der heftig stäubt, wenn man bei trocknem Wetter rasch dahintrabt. Strecken- weise werden auch die unzähligen runden Steine, die den Boden bedecken, größer und erschweren dann dem Pferde das rasche Laufen, natürlich auch dem Menschen, der es unternimmt, ein solches Gebiet zu Fuße aufzusuchen. Aber ich glaube nicht, daß schon einmal ein Mensch zu Fuße über den Hölasandr gegangen ist. In geringen Ausdehnungen trifl't mau Kies- und Sandflächen auch sonst überall auf der Insel. Sie sind gewöhnlich so eben wie ein Tisch und ganz verlockend zum Begehen. Doch der Schein trügt! Nur im Hochsommer, wenn wochenlange Trockenheit herrschte, erfüllen sie die Erwartungen; im Frühlinge und bei feuchtem Wetter aber sinkt man bis an die Knöchel oder tiefer in zälieu Schlamm, was besonders den Pferden höchst unangenehm ist. Pflanzenwelt findet sich an derartigen Stellen durch- aus nicht; sie sind noch öder als die Geröllfelder und bieten auch den Vögeln so gut wie nichts. Nur den Sandregenpfeifer beobachtete ich auf solchen (')rtHclikeiten. Im- Hndet scheinbar immer noch genügend Insekten,
(Teröllf eider an Flüssen.
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und schnell wie eine Maus läuft er vor dem Reiter her. Der Vogel brütet üuch auf solchen Kiesflüchen ohne jeden Pflanzenwuchs. Wenigstens fand ich inmitten des Hölasandrs ganz kleine Dunenjuuge, die freilich schon recht schnell laufen konnten. Im übrigen ist eine derartige Landschaft außer- ordentlich öde und tot. es sei denn, daß Wasseradern sie günstig beeinflußten.
OeröUMder an Flüssen.
Einige der teilweise überaus reißenden Gebirgsgewässer Islands rollen kaum glaubliche Mengen abgesclilififener Steine vor sich her und setzen sie bei hohem Wasserstande an geeigneten Plätzen ab. Auf diese Weise sind ausgedehnte fruchtl>are Wiesenstrecken, sogar innerhalb weniger Tage, in tote GoröUfelder verwandelt worden, die sich durch spätere Überschwemmungen
Fio. 11. Holasandr nördlich vom Nlyvatn.
immer mehr vergrößerten. Diese Erscheinung ist durchaus nichts Seltenes in Island, besonders an den Ufern der mit furchtbarer Gewalt dahinstürzenden Gletscherflüsse, deren milchiggrünes, undurchsichtiges Wasser die Tiefe der- selben gar nicht erkennen läßt. In großer Ausdehnung fand ich solche Geröllflächen z. B. zwischen Silfrastactir und Miklibser in der Skagafjardar Sysla. Sie bieten einen trostlosen Anblick, und weder zu Fuße noch zu Pferde ist ihr Betreten angenehm. Wohl ähneln sie gewissen Partien des zur Ebbe trockenliegenden Meeresstrandes, sind aber häufig viel breiter und ganz ohne Abwechslung. Trotzdem fand ich derartige Geröllfelder weit vogelreicher als die in dem vorigen Abschnitte beschriebenen Landschaften, was leicht erklärlicherweise seinen Grund in dem Vorhandensein des Wassers hat, das in jenen andern Gebieten fehlt. Oft teilt sich der Fluß gerade an solchen tiefer liegenden Stellen und bildet kleinere Arme, von denen der eine oder
H an tzsr.h, Vogelwelt Islands. ' ^
50 Flüsse.
der auderc mitunter langs-anier daliinströmt. Vielerorts bleibeu uach dem Rückgänge des Wassers kleine Tümpel stehen, wodurch die Möglichkeit des Vorhandenseins von Insekten daselbst erheblich gesteigert wird. Wenn die GcröUfelder an Flüssen den Vögeln auch selten zu Brutplätzen dienen oder im Falle dies doch geschieht, das Nest gar leicht ein Raub des plötzlich übertretenden Wassers wird, besuchen doch die Vögel jene Gebiete nicht ungern. Besonders während der Zugzeit, wo ich allerdings auch vorzugs- weise gi'ößere Geröllfelder untersuchte, stellen sich viele Arten ein, die mit dem Flusse wandern oder an und in diesem Nahrung zu finden hoffen. In- mitten der unzähligen Steine sind sie für Raubvögel nicht so leicht sichtbar und haben selbst doch vollständig freie Ausschau. Auf dem Zuge, in un- bekannten Gegenden also, erhöhen ja fast alle Vögel ihre Aufmerksamkeit und Vorsicht ganz erheblich.
Von Arten, die die Geröllfelder der Flüsse gelegentlich besuchen, müßten fast alle einigermaßen in Betracht kon]mendcu aufgezählt werden: vom Singschwane bis zum Wiesenpieper hinab beobachtete ich sie daselbst. Als Charaktervogel, der auch im Sommer die Geröllfelder belebt, möchte ich nur die Bachstelze (Motadlla alba) nennen, die freilich in Island viel seltener ist als bei uns. Von den Straudläufern und ähnlichen Gattungen werden besonders die Teile der Flußufer aufgesucht, wo Kies- und Schlamm- flachen sich hinziehen. Hier entwickeln sich im Juli und August oft inter- essante ornithologische Bilder vor dem Auge des Beobachters, wenn es diesem auch nicht so leicht möglich wird, die Vögel auf Schußnähe zu beschleichen.
Flüsse.
Island ist zum großen Teil reich versehen mit stehenden und fließenden Gewässern von der verschiedensten Ausdehnung. Allenthalben durchströmen Flüsse das Land, die trotz ihrer verhältnismäßig geringen Länge docli mit- unter eine ganz beträchtliche Breite und Tiefe besitzen. Sie bilden nicht selten unüberwindliche Hindernisse auf einer Binnenlandsreise, bei denen auch die unerschrockenen isländischen Pferde versagen. Freilich gestalten sich allmählich durch Anlegung von Brücken und Fähren die Verhältnisse etwas günstiger. Besonders die rasche Fortbewegung des Wassers und die damit zusammenhängende beständige Veränderung des Flußbettes erschweren den Durchgang (Fig. 12).
Die Flüsse sind natürlich Sammelorte des Vogellebens, zunächst schon zur Brutzeit, vielleicht noch mehr aber während des Zuges. Bilden sie ja den bequemsten und sichersten Weg vom Meere uach dem Innern der Insel und zurück, wohingegen das Überfliegen der zahlreichen, nur zu oft von Nebel umwogten Gebirgsrücken manchen Vogelarten Schwierigkeiten ver- ursachen oder wenigstens unangenehm sein würde. Die Flußläufe stellen keine selbständige Landschaftsform dar, führen vielmehr durch alle möglichen Gebiete, geben diesen aber ein besonderes Gepräge. Sie bringen Abwechslung in die ödesten Gebirge und beeinflussen die Vegetation teilweise auf das
Flüsse.
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günstigste. Das alles belebende und allen Gescliöpfcn notwendige Wasser lockt auch die Tierwelt herbei, unter der die leichtbeschwingten Vögel besonders vertreten sind. Damit soll nicht gesagt sein, daß die isländischen Flüsse selbst und deren Ufer eine beträchtliche Zahl von Charaktervögein aufwiesen, vielmehr siedelt sich jede Art in der ihr zusagenden Landschafts- form an, bevorzAigt aber solche Gebiete, die von einem fließenden Gewässer durchströmt werden. Diese Erscheinung ist natürlich durchaus nichts allein für Island Charakteristisches.
Dort, wo der klare Gebirgsbach hurtig zwischen den großen Steinen hineilt und hier und da auch einen rauschenden Wasserfall bildet, schlüpft der Zaunkönig durch die Ritzen und Spalten der Felsbrocken. Wohl hat er ein ziemlich langes Revier, in dem er Nahrung sucht, doch verläßt er zur
Fig. 12. Wasserfall im Skjälfandafljöt (Nordisland).
Brutzeit niemals die Umgebung des von ihm zum Wohnplatze gewählten Gewässers. Auch die graue Bachstelze (Motacilla alba) ist hier zu Hause, liebt aber die Nähe von menschlichen Ansiedlungen.
Ist der Bach zum Flusse geworden, so kommen noch andere Be- sucher an seine Ufer. Bilden sich hier und dort Inseln in seiner Mitte, so sind diese, besonders zu Brutplätzeu, noch mehr bevorzugt. Charakter- vogel der tiefen, wasserreichen Flüsse und Ströme Islands ist die Kragen- ente (Histnouiciis hisinonkics), die mit bewunderungswürdiger Gewandtheit selbst den stärksten Strudeln zu widerstehen vermag und scheinbar mit Leichtigkeit im reißendsten Gewässer stromaufwärts schwimmt. Neben ihr auf den Inseln oder am Ufer der Flüsse brüten mitunter noch andere Enten- arten, vor allem Clangula hyemalis, Aetliya inarila, Nettion crecca, Mareen penelope und Anas boschas. Auch die zierliche Küstenseeschwalbe (Steima
4*
52 Seen und Teiche.
maemra) mit deu biegsaineu, elastischen Schwauzfedeni, sowie die Mautel- möve (Lamts mariims) nisten kolonienweise auf manchen Inseln, im Süden des Landes auch die int(^ressante große Raubmöve (Megalesbis skna). Viel seltener in den bewohnten Gebieten finden sich die vorsichtigen Gänsearteu, die durcli ihre Größe sich leicht verraten. Mehrfach beobachtete ich auch, z. B. auf der l)reiten, wasserreichen Hvitci unterhalb von Skälholt, Schwäne, die hier während der Mauser im August weit sicherer sind, als auf eng- begi'onzten stehenden Gewässern. Die beiden Seetaucherai-ten (Urinator imber und luntme) bemerkt man ebenfalls nicht selten auf größeren Flüssen, wenn sie auch nicht hier brüten. Gern besuchen endlich Palidna alpina, Totnnus totanus, Limosa limosa und Numenius phaeopus die Ufer, während die Räuber unter deu isländischen Vögeln, Haliaetns alhicilla, Hürofako Idandux und
Fig. 13. Gullfoss (Hvitä).
merilhis, Corviis corax und Stercorar'ms p)arasiticus, beutesuchend über den Gewässern dahinfliegen. — An vielen Orten bilden die isländischen Ströme auch mächtige Wasserfälle (Fig. 13).
Seen und Teiclie.
Auch an stehenden Gewässern, vom kleinen Tümpel an bis zum majestätischen See, ist Island reich. Diese stellen nicht nur Sammelorte des Vogellebens dar, sondern mitunter Gegenden von ausgezeichneter land- schaftlicher Schönheit. In überaus malerischer Umgebung liegen manche der kleinen Gebirgsseen, die sich weltvergessen und unbeachtet in die groß- artige ßergszeuerie einfügen. Geheimnisvoller Zauber weht über ihnen, den kein Mensch stört. Vergelien ja selbst in den bewohnteren Gegenden oft Wochen und Monate, bis jemand in die einsamen, wegelosen Gebirge empor- steigt, um etwa nach Schafen zu suchen. Wenn man selbst nun, das treue Roß, das einen über die Bäche wegträgt, am Zügel nachführend, die Höhen hinaufgeklettert ist, immer näher dem ewigen Schnee und Eis entgegen, da weitet sich auf einmal der Blick: ein kleines windgeschütztes Tal nimmt
Seen und Teiche. 53
uus auf, das im Grunde von durchsichtig schimmerudem Wasser erfüllt ist. Trotz der Höhe wächst dürftiges Grün zwischen den Felsen, und man gönnt dem Pferde ein Kuhestündchen, um selbst zu schauen und zu lauschen.
Vormittag 10 Uhr ist es! Noch liegt das Tal in tiefem, dämmerndem Schatten; denn kaum die Mittagssonne vermag ihre neugierigen, alles durcli- dringenden Blicke in dieses Märchen hinabzusenken. Es schweigt der kühle Morgenwind, der die Spitzen der nalien Schueeberge mit zerrissenen Nebel- sti-eifen umhängt hat. Das Blau des Himmels scheint, vom düsteru Tale aus betraclitet, dunkler als sonst, und leuchtend heben sich die weißen, duftigen Streifenwolken davon ab. Waln-lich, ein eigenartiger Anblick, wie eine Sage vom fernwinkenden, unbeständigen Glücke! Verwundert schauen die beiden Schafe am Abhänge drüben nach mir her. Seit Minuten schon regen sie sich nicht. Vielleicht kommen ihnen alte. ))öse I^^rinnerungen an den Menschen, die sie fast vergessen hatten.
Doch nun der See! Leise spielen die Wellen am steinigen Strande, den ein schmaler Ring von weißem Schaume einfaßt. Zitternd spiegeln sich die Schneehäupter der Berge in seinen Fluten, die nie der Kiel eines Schiffes furchte. Ob ein Maler die unbeschreibliche Farbenstimmung des Wassers wiedergeben könnte? Ich bezweifle es; d(!nn der Pinsel ist schwach wie das Wort. In der Mitte der schimmernden Fläche gleiten zwei weiße Punkte dahin: ein Paar Siugschwäne, die hier ihre schöne, einsame Sommerwohnung aufgeschlagen haben. Sonst zeigt sich kein Vogel auf dem Wasser. Dort aber knixt der Steinschmätzer vor mir auf dem Steine, und die kleine Schneeammer singt von dem Felsenvorsprunge aus der allmählicli höher steigenden Sonne entgegen.
Befinden sich die Seen in etwas tieferen Lagen, avo die Luft nicht beständig so kühl ist, wo die Sonnenstrahlen besser auffallen können und kräftigere Vegetation sich entwickelt, so vermehrt sich auch die Vogelwelt. Freilich verlieren solche Gebiete den Reiz der starren, unberührten Scliönheit und nehmen mehr den Charakter unserer Bergseen an. Lieblichere und anheimelndere Bilder zeigen sich nun den Blicken des Reisenden, und bis- weilen läßt der aufsteigende Rauch eines Gehöftes erkennen, daß Menschen in der Nähe sein müssen. Außer dem Schwane brüten die Seetaucher am Rande derartiger Gewässer: Uiinator imher in tiefer Einsamkeit, jedoch mit- unter auf gar nicht großen Teichen. Urinator Immae dagegen auch in be- wohnten Gebieten. Eigentlich scheu ist keine der beiden Arten, wenn die Vögel nicht erschreckt und verfolgt werden. Wassertreter (besonders Phcda- ropus lobaii(s) und Ohrentaucher (Colymlms auritus) bauen ebenfalls ihr Nest an derartige Gebirgsseen, endlich auch einzelne Paare solcher Vogelarten, die in gi'ößerer Menge die tiefer gelegenen Gewässer bewohnen.
Die großen Seen sind zur Brutzeit Sammelorte zahlreicher Wasser\ (igcl, die gegen Ende des Sommers, wenn die ueuvermauserten Schwingen die Wanderung gestatten, zum Hauptteile wieder davonziehen. Manche der Seen haben ihre Eigentümlichkeiten, der jn'ngvallavatn z. B. eine Kolonie der Mautplniövc (Lams marinus). keiner aber sclieint so viele Arten zu
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Seen und Teiche.
vereiuigen wie der Myvatn, der. weil uucli landscliaftlicli abwechsluugsvoll uud interessant, von verschiedenen Reisenden ornitbologisch nntersucht wurde. Im allgemeinen kann man freilich die Angaben über die dortige Vogelwelt auf jeden anderen ähnlich gelegenen See beziehen, von denen ich einige kennen lernte, die im Verhältnis zu ihrer Oröße kaum vogelärmer waren.
Der Myvatn liegt, wie ein Teil des noch größeren j^ingvallavatn, auf Schichten postglacialer Basaltlava, welcher Untergrund ihm sein eigentüm- liches Aussehen verschafft. Tief eingeschnittene Buchten, deren durchsichtiges Wasser die grottenartigen Bildungen des schwarzen Gesteins deutlich erkennen läßt, wechseln ab mit großen, überaus seichten Fläclien, die von Wasser- pflanzen, besonders Myriophyllum spicafnm, erfüllt sind. Sie beherbergen die Larven der unendlichen Mengen kleiner Mücken (isl. My, Myfluga; Gatt. Culex und Simnlvi), die dem See zu seinem Namen verholfen haben. Diese
Fig. 14. Slutnes im Myvatn.
schwärmen zur Somnjerszeit oft in Iniushoheu, breiten Säulen über dem Wasser und dem Ufer und bringen dabei ein nicht unangenehmes, eigen- tümliches Geräusch hervor, das ähnlich wie ein fernes, unklares Stimmen- gewirr oder wie leiser Orgelton klingt. Besonders bei w^ecliselnder Witterung sterben nun diese zarten Dipteren sehr rasch, fallen in Menge auf das Wasser und bedecken mitunter buchstäblich das Ufer, was man an freien Plätzen deutlich erkennt. Dieser Tnsektenreichtum kommt nicht nur den zaldlosen Forellen des Sees zu Gute, sondern auch den Vögeln, die sich manchmal fast ausschließlich von Mücken und deren Larven ernähren mögen.
Im nördlichen Teile des Sees, zwischen Grnustadir und dem Vindbel- gjarljall, befindet sich eine l)reite Hal))insel, die aus Moor- und Sandboden besteht und mit zahlreichen kleinen Tümpeln. Teichen uud Sümpfen bedeckt ist. Hier entwickeln sicli über meterhohe Ttlanzendickichte. vor allem aus
Seen und Teiche.
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Birken und Weiden bestehend, die den Vögeln willkommene Brutplätze und Schlupfwinkel bieten. Fast noch günstiger beschatten sind einige Inseln, von denen Slntnes, zum Hole Grimstadir geliörig. als vogelreichste gerühmt wird. Man glaubt wirklich niclit auf Island zu sein, wenn man diese Ört- lichkeit betritt. Parkartig wechseln mannshohe Birken und frischgrüne Weidenbüsche mit Grasflächen und kleinen Teichen ab; das anffillligste aber sind die üppigen Archangelica-Stauden. die mitunter zwei Meter liocli kerzen- gerade nebeneinander stehen (Fig. 14, 15).
Hier und auf ähnliclien Inseln sind die Hauptbrutplätze der Enten, deren Hier als Nalu'uugsmittel für die Bewohner große Bedeutung gewinnen. Einige Arten, besonders Glancionetta islandica, bauen freilich ihr Nest lieber in die Spalten der Kraterinseln. Hasselbe gilt von dem sehr häufigen Mergux setrator und dem seltneren Mergu-^ mergansev. Reclit zalilreich findet man
Fig. IT). Slutnes im Myvatn.
ferner den zierlichen Phalaropu.^ lolMitns auf den Inseln, in geringerer Menge auch Totamis totanus. Vielerorts nistet Stema inacrura, die von den Bew.ohnern deshalb gern gesehen wird, weil sie die Iiaul>vögel anzeigt und verfolgt. Charakter- vogel des Myvatn ist weiter dei- Ohreutaucher (Colt/inbus auritus), der mit den graufleckigen Dunenjungen auf dem Rücken den Eindruck eines recht vielgeplagten Familienvaters maclit. üriimtor Iniume brütet am Rande kleiner Teiche auf Inseln oder in unmittelbarer Nähe des Mfvatu: doch beobachtete ich aucli den großen Eistaucher (Urinator imber) im Juli auf dem See. Im sumpfigen Teile wohnen mehrere Paare der Schmarotzerraubmöve. die als Eierräuberin berüchtigt ist, Gänse und Schwäne brüten jedocli für gewöhnlich nicht daselbst. Häufig besuchen die beiden Falkenarten das Gebiet; denn unschwer bemächtigen sie sicli hier einer Beute. Dagegen trift't man den Raben nur ziemlich selten lieim Myviitn.
56 Ijuscliwaki.
Nicht immer und iii<-lit überall bietet der See die liildcr eines über- reichen Vogellebens. Man kann ntundenhing auf ihm herumfaiiren und endlich recht enttäuscht zurückkehren. Die Vög-el finden alter so mannigfache Ver- stecke am Kande des Sees, wo man sie mitunter kaum vermutet. Die günstigst*' (Telegenheit, hetiftchtliche Mengen von Knten zu heoliachtcn. hat man be- sonders dann, wenn die Jungen den Eiern entschlüpft sind und morgens bei schönem Wetter von der Mutter aufs Wasser geführt werden. In der Nähe der Brutinseln oder in stillen seichten Huchten zeigen sich dann äuLW^rst zahlreiche Familien der verschiedenen Arten. An andern Stelleu des offenen Sees scharen sich die Krpel zusammen und liegen zu vielen Hunderten bei einander. Man kann wohl behaupten, dal) der ]\Kvatn noch vogelreicher ist. als die günstigsten Teichgebiete Mitteleurojias. wie ich solche z. li. in den Donaurieden Ungarns und Slavoniens oder ;iucli in der sächsischen Lausitz kennen b'rnte.
rnvergeßliche Bilder wird dieser See in dem IJcsuciicr hinterlassen, die an eigenartiger Stimmung nicht so leicht ihresgleichen finden. Noch denke ich zurück an manchen Abend, den ich am steilen Lavarande einer Bucht bei Reykjalid zubrachte! Die Sonne stand tief über dem schöngeformten Vindbelgjarfjall und tanzte auf dem weiten, zitternden Myvatn lier zu mir. Feuerrot flammte der AVeg, den sie ging, bis sie sich endücli hinter dem Berge schlafen legte. Doch die nordische Sommernacht ist nicht minder schön als der Abend. Blauglitzernd lag die kleine Bucht vor mir. auf der wenigstens ein Dutzend Bergenten, mittlere Säger und Schellenten mit ihren Jungen schwammen. Wenn man nicht die Gestalt der Vögel genau kannte, waren sie freilich nicht mehr zu untersclieiden. sojidern alle schwarz. Noch saßen sie auf dem Wasser, während über ihnen in der l^uft, zufrieden ihr Kria rufend, eine Anzahl Seeschwalben flatterte. Ort und Tageszeit schienen besonders reiche Beute zu bescheren; denn fortwährend stießen die Vögel auf das Wasser oder stürzten in dieses hinein, um mit einem kleinen Fische im Schnabel frohlockend wieder emporzusteigen. Das sind weihevolle Augen- blicke für den Ornitlndogen, und still schleiclit man endlich mich Hause, wo schon alles schläft. Freilich den Feierabend nniL> man draußen lassen.
Busch wald.
Wenn auch der Isländer seinem Skc'igur denselben Namen l>eilegt wie unserm stolzen Walde, so darf man sich nicht falschen Vorstellungen hin- geben. Der isländische Wald besteht nur aus (4ebüschen. die zum größten Teile von Birken (Betnla odorato /nibesccm), hier und dort aber auch, z. B. in der Umgelnmg des Myvatn, von Weiden gebildet werden. SaU.r phylidfolia, die häufigste Art, erreicht eine Höhe von :> m und bietet mit dem frischen Grün ihrer Blätter einen recht erfreulichen Anblick. Selten höher als 1,5 m wird SalLr, lanata, die auch weit unscheinlnirer ist. Die anderen beiden Weidemirten Islands. Salix fflauca und ho'hncea. können wegen ihrer geringen Größe nicht als waldbildende Pflanzen in Betracht kommen. Dasselbe gilt von der schon melirfach erwähnten HeUiIa iKom. wohingegen lietulo pnbff'ceiis
.Buschwald. 57
manchmal eine Hölie von :5— 4 in erreicht. Hier und dort wachsen im Schatten des Gesträuchs auch niedrige Wachliolderbüsche (Juniperus communis nana).
Der berühmteste Skogur Islands findet sicli bei Hdls im Fujöskätale, wo man ))ei bescheidenen Ansprüchen wirklich die Vorstellung eines Birken- waldes haben bann. Auch der 8kögur im Fljötstale in Ostisland soll ähnliche Höhe besitzen, doch sah ich ihn nicht selbst. Für gewöhnlich eiTeicheu die IJüsche kaum die GröL^e eines Menschen, der Bestand aber ist so dürftig, daß man ihn unschwer passieren kann. Oft stehen die von unten auf be- laubten Sträucher gruppenweise inmitten von Grasplätzen, wodurch die Gegend doppelt abwechsluugsvoU und angenehm erscheint. An besonders günstigen Stellen freilich werden die Gebüsche mitunter auch äußerst dicht. Ja, es gibt Örtlichkeiten, von denen es fast unmrtglich ist, sie zu durchqueren. Das sind die Lieblingsplätze der Rotdrossel (Turdus iliacus), während der andere^ ( 'haraktervogel des isländischen Waldes, der Birkenzeisig oder Leinfink (Acantlds linaria), meist oft'nere Stellen bevorzugt.
Ich besuchte eine ganze Reihe der immerhin in Island seltnen Busch- wälder. In der Umgebung des Myvatn befinden sich solche teilweise auf sandigem, trocknem Boden, sind aber deshalb keineswegs dürftig. Auch zwischen den älteren Lavabrocken hat sich frisches Birkengebüsch angesiedelt, das außer den eben genannten Vogelarten aucli beträchtliche Mengen von Schneehühnern beherbergt. Die Gebüsche auf den Inseln des Myvatn und seiner sumpfigen Umgebung im Norden sind kräftiger und dichter, werden aber von den Kleinvögeln nicht so häufig bewohnt. Bedeutende Streckeji des Fnjöskätales in Nordisland sind gleichfalls mit Wald bedeckt, keineswegs bloß die Gegend von Hals, sondern hinab bis kurz vor die Mündung des Flusses in den Eyjafjördr. Gerade dort, im Skuggabjargaskögur und Skards- skögur, traf ich selbst während der Brutzeit kleine Scharen alter Acantlm linana, etwas seltner Turdus Uiac.m. Freilich begegnete ich diesen Vögeln aucli in allen anderen von mir besuchten Waldgebieten, so in der Nähe von Hvammr und Nordtunga, dann später auf dem AVege von der in den Borgar- fjörcti- fließenden Hvitä bis nach dem Skorradalsvatn. Auch die Umgebung des ]^ingvallavatn hat zahlreiche Gebüsche. Besonders ausgedehnte Birken- waldungen durchreitet man ferner auf dem Wege von ]:>ingvellir nach dem (leysir, zwischen dem Laugarvatn und Uthlid. In diesen landschaftlich eigen- artigen Geländen, wo weite Hügel ringsum mit Gesträuch bedeckt sind, war die Rotdrossel geradezu gemein. Auch den Wiesenpieper trift't man in den meisten derartigen Ge))ietcn in großer Menge. Merkwürdigerweise aber sind dun'haus nicht alle isländischen Buschwälder so vogelreich, als man in einem zum größton Teile ja völlig baumlosen Lande erwarten könnte.
Für den Fremden, der aus waldigen Gegenden nach der kalüen Insel versetzt wird, ist der Anblick dieser dürftigen Buschlandschaften anheimelnd und erfreuend. Malen sie ihm ja Bilder der Heimat, wenn auch angepaßt dem nüchternen Norden.
Es war am 8. Juni. In dem Hofe Skard, etwas aufwärts der Fnjöskii- rnündnng. hatte ich ein paar Stunden geschlafen. Frühzeitig verließ ich
58 Das Meer.
das Haus, schritt über das taufeuchte Gras nach der kleinen Brücke hin. die ein schäumendes Bergwasser überspannt, und befand mich im Skögur. der die Abhänge des Fnjöskatales bedeckt. Vorfrühling war's hier oben, und jener rötlichviolette Schimmer, der dem Grünworden der Sträucher voraus- geht, lag über dem harzduftenden Buschwaldc. Hier und dort, wo die Sonne besser dazukonnte, brachen auch schon die ersten gi-ünen Spitzen hervor, die uns hoffnungsfrendiger stimmen, als alle Blätter des Sommers. Im Dickichte drüben sang die Rotdrossel ihr hastiges Lied, während der Birkeu- zeisig drei Meter vor mir sein warnendes, weiches Düid rief. Sonst lag tiefe Stille über der Natur, die bloß durcli das ferne Rauschen der reißenden Fnjöskä nicht unangenehm beeinträchtigt wurde. Die Sonne brach in vollem Glänze über die Berge, der Hrossagaukur (Gallinago gaüuuigo) flog ihr wiehernd entgegen, der eben noch am sumpfigen Riesel nach Würmern ge- stochen hatte. Doch kein ewiger Friede in der Natur! Mit schrillem Geschrei fährt ein Steinfalke vor mir auf, in den Fängen die blutige Leiche des kleinen Wiesenpiepers!
Das Meer.
Auf einer verhältnismäßig nicht allzu großen Insel wie Island stellt das Meer natürlich eine der Hauptlandschaftsformen dar, das immer bewegte, immer lebendige Meer. Zahlreiche tiefeinschneidende Fjorde verlängern die Ausdehnung der Küste, die, wie die Oberfläclie des Wassers selbst, eine mannigfach verschiedene ist. Seichte Strandflächen, von der Ebbe weithin bloßgelegt, wechseln ab mit wilden Geröllpartien und steil abfallenden Bergen, denen niclit selten kleine und große Klippen vorgelagert sind. Da der unterschied der Wasserhöhe bis fünf, ja sogar sechs Meter bcti-ägt, zeigt dei- Sti-and auch im Verlaufe des Tages oft gänzlich verschiedene Bilder, von denen natürlich das Leben der Meeresvögel gleichfalls abhängig ist. Dort, wo während der Flut die Wogen an die Felsen schlugen, liegt jetzt zur Zeit der Ebbe ein breiter, flacher Sandstreifen. Gewisse Küstenstrecken kaun man nur bei Ebbe auf dem Landwege passieren, in manche Häfen nur bei Flut vor Anker gehen. Doch dieser immerwährende Wechsel des Strandes selbst, verbunden mit der Veränderlichkeit des bald leise spielenden, bald in machtvoller Dünung lieranbrausenden Meeres, gibt der Küste gerade ihren Reiz.
Der Island umgebende Atlantische Ozean, zum kleinen Teile auch das nördliche Eismeer, bieten natürlich, wie alle anderen Meere aucli, zahllosen Tieren Aufenthalt und Nahrung. Die Vögel, von denen freilich durchaus nicht alle tagelang auf dem Wasser zu wohnen vermögen, finden daselbst reichlicli ihren Tisch gedeckt, falls nicht Treibeis und Winterkälte ihnen den Zugang verwehren. Dies geschieht aber für gewöhnlich nur im Nordwesten und Norden der Insel und auch dort nicht allwinterlich. Die Anzahl der Vogelarten, die man bis jetzt auf den Island umgebenden Meeren festgestellt hat, darf sicher nicht als erschöpft angesehen werden. Nur fehlte es, besonders zur Winterszeit, an geeigneten Beobaclitern. Es ist auch keineswegs leicht,
Das Meer. 59
ja manchmal sogar völlig iiiimöglich, vou einem dahinfahreudeu Schiffe aus alle Vögel, die sich zeigen, richtig anzusprechen. Und selbst wenn man fähig wäre, durch einen Scliuß das fragliche Exemplar zu erlegen, wird man kaum das Verlangen äußern wollen, das Schiff stoppen zu lassen, bis man die Beute geholt hat. So bleiben denn die oruithologischen Beobachtungen auf der See oft unvollkommen und unsiclier, zumal die Beleuchtung und der Mangel «Ines eigentlichen Hintergrundes außerordentlich täuschen. Selbst in ruhigen Meeresbuchten ist dies mitunter der Fall. Manche Vogelarten freilich haben eine s(» charakteristische Färbung und Gestalt oder nähern sicli den Schiften derart, daß eine zweifellos richtige Bestimmung erfolgen kann.
Wenn man viele Tage auf dem Ozeane dahinfährt und lange Zeit hindurch nichts als Himmel und Wasser erblickt, wendet sich das Auge unwillkürlich nach den Seevögeln, die als beinahe einzige lebende Wesen über der endlosen Fläche sicht])ar werden. Verwundert erwarten die Alke (Alca torda) und Lummen (Una troile und lomvia) den mächtigen Schiffs- koloß. Mit hochgestrecktem Halse lassen sie ihn ganz nahe kommen, um nun schnell unterzutauchen oder plätschernd über das Wasser hinzuflattern, indem sie dieses mit den Füßen streifen und mit den Flügeln schlagen. Noch weniger scheu zeigt sich manchmal Cepphtis grylle, der kaum vor dem Schifte flüchtet. Gar zu gern sieht man den Flugkünstlern unter den See- vögeln zu: den zierlichen dreizehigeu Möven (Rissa rissa), von denen nicht selten ein Dutzend das Schift' begleitet, oder dem Eissturmvogel (Fulmarm glacialis), der das Fahrzeug in weiten Bogen umfliegt. Mag der Sturm toben, daß man sich festhalten muß. um nicht hin- und hergeworfen zu werden, die Vögel überwinden ihn, indem sie Flügel und Füße nach allen Richtungen auf das geschickteste bewegen. Sind sie aber müde, so lassen sie sich auf dem wilden Wasser nieder, werden aus den tiefen Wellentälern auf die Höhe emporgetragen, wo der Wogenkamm oft schäumend über sie hinwegspült. Seltener beobachtet mau die großen Möven und ßaubmöven. die übrigen Seevögel meist nur in der Umgebung ihrer Brutplätze.
Nähert man sich der Küste, so wird das Vogelleben gewöhnlich reichei-, obwohl es auch Strecken gibt, die außer der Zugzeit fast gänzlicli verlassen und einsam daliegen.
Die isländischen Meeresküsten sind, wie schon erwähnt, mitunter recht abwechslungsvoll. Ausgedehnte flache Strandpartien, wie sich solche z. B. in Norddeutschland finden, besitzt die Insel in geringem Maße. Das Land ist ja zum größten Teile gebirgig. Freilicli lagert sich auch den Steilküsten meist ein mehi- oder weniger breiter Geröllstreifen vor. Flacher Strand findet sich mitunter im innersten Zipfel von Fjorden und Meeresbuchten oder dort, wo größere Flüsse münden. Während der Ebbe sind solche, oft mit dickem, weichem Schlamme bedeckten Plätze Sammelpunkte zahlreicher Sti-andvögel, die aus der ganzen Umgegend herbeikommen, um Nahrung zu suchen. Schon die Oberfläche derai-tiger Gebiete zeigt, was das Meer zurück- ließ. Tauseude von Quallen (Acalephae) bedecken mitunter den Grund, hier und dort liei>en Muscheln. Seesterne und Taschenkrebse, wälirend viele Ideine
(;() Das Meor.
liöclier zu K('»l)i-pii\vüi-nieni (Tnhicoln). winzigen Kvclis- nnd andern See- tierchen führen, die sich im .Sande verkrochen. JiCider bieten derartige Meeresufer znr Ebbezeit selten Deckung, weshalb man siel) gewöhnlich be- gnügen miili, die versammelten Vögel aus entsprechender Ferne zu beobachten. Sehr häutig erblickt man dann den llotschenkel (Totanu,^ totanm), der bei der geringsten Beunruhigung mit flötenden Warnrufen davoneilt. Langsamer und bedächtiger wandeln die habhaft gef^irbten Austerntischer (Haematoptis ostralegm) einher, die mit dem harten langen Schnabel den Schlicker unter- suchen. Eilig läuft der Saudregenpfeifer (Aecjialitis Inatlruln) dahin, den» sich gern der Alpenstrandläufer (Palidna alpina) zugesellt. Etwas abseit« von den andern erblickt man eine Schar der zutraulichen !\Ieeresstrandläufer (Arquatella ■maritbnd). die liebst Arenaria interpres und Tringn canutus auch steinige Strandpartieeii häufig besuchen.
Besonders reichlich wird den Vögeln der Tisch gedeekt. wenn der Wind die Wellen nach dem Ufer zu treibt. Dann sieht man die behenden Ge- stalten eilig am Rande des Meeres umherlaufen und eifiüg suchen und picken, .fede Welle bringi ihnen neue Nahrung, und es stört sie auch nicht, wenn einmal das Wasser sie erfalU, ein Stück in die Höhe hebt oder mit fortträgt. Möven, Seeschwalbeu und Kaben überfliegen die Gegend, gleichfalls nach zurückgebliebenen Seetieren suchend, während Seeadler und Falken den ver- sammelten Vögeln nachstellen.
Tritt die Flut ein, so ziehen sich die Scharen zurück, sitzen auf den Steinen am Ufer und ruhen oder fliegen nach den 15rut])lätzen.
In geeigneten Gebieten kann man zur Zugzeit, besonders im August, noch andere als die erwähnten Arten antreffen; jeder Tag bietet oft neue Bilder, sodalA der Ornitholog mit Befriedigung von seinen Exkursionen zurückkehrt.
Außerordentlich günstigen Flachstrand traf ich im Innern, vor allem im nördlichen Teile des Hvaltjörctrs, ein(> gute Tagereise nördlich von Reykjavik. Dieses (lebiet ist auch landschaftlich überaus groL^ai-tig. Am 1 7. August kam ich von Saurban- (Borgarfjardar S.) dahin. Ich ritt bis an den Ausgang des Fjordes mit zwei Isländern, die etwa zehn Pferde bei sich hatten. Ein scharfer Wind blies, dodi der Himmel war blau, und die Sonne schien. Wir konnten der Ebbe halber am Strande hinreiten, aber der weiche, gummiartige Boden, in den man freilich nur wenig einsank, schien den Pferden Furcht einzuflößen. AVie rasend wollte; mein Tier vorwärts; durch die Nüstern blasend bekundete es seine Aufregung und ließ sich kaum halten. Und ich gab ihm die Zügel frei, und wir flogen voraus, dahin über den sonderbaren zähen Schlamm, der von zahlreiclien Strandvögeln mannigfacher Art belebt war. Sie blieben ruhig stehen; denn wir kamen und gingen schneller, als ihre überlegenden Gedanken. Hoch auf spritzte das Salzwasser, wenn wir hier und dort ein Stück seichtes ]\reer durchsprengten. Aber kein Stein hinderte den l^auf. Roß und liciU'r kannten sich, und die AViendruhe winkte.
Rechts liegt der Hvalfjördr, über diesem prächtige Berge, hinter denen die Nachmittagssonne stralilt. Neben uns steigen märchenliaft die kahlen.
Diis J\Ioer.
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wilden Felswände empor. Senkrecht türmen sich die mächtigen schwarzen IJasaltburgeu. wie von Riesenhänden erschaffen. Doch ein Streifen Grün am Fuße der Berge hat die Menschen verlockt, hier und dort einen Hof anzu- legen, wo der Reisende über Nacht bleiben kann. Niemand wird bereuen, dieses Gebiet besucht zu haben.
Ungleich häufiger als mit Schlamm- und Sandflächeu ist das Meeres- ufer mit Steinen bedeckt. Je höher den Strand hiuauf, desto größer sind diese, sodaß man oft zur Flut höclist mühselig vorwärts kommt, wo man zur Ebbezeit auf glattem Kiesboden hinwandert. Derartige Partien gewähren im Flachlande meist einen recht toten Anblick. Nur einzelne der schon Yornin erwähnten Vogelarten besuchen sie (Fig. 16).
Abwechsluugsvoller erscheint die Gegend, wenn steilere Gebirgsstöcke dicht an die Küste treten. Zur Ebbe werden dann mitunter wilde Geröll-
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Fig. 16. Strand bei Ebbe (Reykjavik).
fiächeu bloßgelegt, deren größte Steinbrocken wohl auch bei hohem Wasser- standeTals Klippen hervorragen. Landschaftlich wirken derartige Küsten- streifen oft äußerst romantisch, lassen sich jedoch nur schwer begehen. Die zahlreichen, teilweise mächtigen Steine sind vom Wasser rund geschliffen und gewöhnlich dicht mit Tangen bedeckt, die ihrer erheblichen Glätte wegen das Betreten erschweren. Nur langsam kommt man vorwärts und ist doch beständig in Gefahr zu fallen. Die kleineren Steine dagegen sind oft von andern üppigen Tangarten überwuchert, wodurch Erhebungen und Vertiefungen unsichtbar werden. Weit bequemer ist es natürlich, solche Strandpartien mit dem Boote zu befahren, wobei man auch selten einen Vogel übersehen wird. Will man schießen, muß man freilich beim Erblicken des Objektes rechtzeitig ans Land gehen, das Boot weiterfahren lassen, selbst aber zu Fuße sich anpirschen. Da zwischen den Felsbrocken Unmengen kleiner
62 l^as Meer.
Meertien; zurückbleiben, Hiuleii di(! Vögel reiclilirlic Niiliruiig und ))esucheii aus diesem Grunde den (ileröllstrund sehr ^crn.
Am häufigsten tritt't man den Meeressti-andläufer (ArqnateUa maritima), der sich äußerst geschickt hinter den Steinen zu verbergen weiß. Nicht selten läßt er so den Menschen l>is auf wenige Schritte herankommen, um dann ein kleines Stück weiterzufliegen und dasselbe Spiel von neuem zu beginnen. Oft begegnet man auch dem Rotschenkel (Totanus totanus), der alle andern Vögel warnt und dem Scliützen nicht selten das mühsamste Anpirschen verdirbt. Hinter großen Steinen gedeckt gelingt es freilich mit- unter, den schlauen Vogel selbst zu überlisten. Zur Zugzeit kann mau • Tnnga carmtus und große Scharen nicht allzu scheuer Arenaria interpres am Strande bemerken und außer den Möven, die gern auf den großen Steinen sitzen, auch Scharben (Fhalacrocorax carbo und graculus) erblicken, die im Wasser verschwinden, ehe man sich dessen versieht. Ral)en und Falken übei-fliegen die Strandpartien nach Beute, und zuweilen hakt auch der mächtige Seeadler (Haliaetus alhicilla) auf einem tangbewachsenen Steine auf, um den Enten naclizustellen, die besonders zur Zugzeit die Meeres- küsten bevölkern. Charaktervögel des felsigen Strandes sind endlich die nützlichen Eiderenten, die freilich, weil kolonienweise brütend, nicht tiberall angetroffen werden. Doch unternehmen sie stundenweite Ausflüge von ihrem Brutorte.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Geröllflächen am Strande mit- unter recht vogelreich sein können, zumal sie selten von Menschen beunruhigt werden. Will man aber die ganze Menge der nordischen Seevögel beobachten, muß man sich an deren Brutplätze begeben, wo der Ornitholog, der zum ersten Male oder nach längerer Abwesenheit dahin kommt, in der Betrachtung geradezu schwelgen kann. Ich meine hierbei weder die himmelaustrebendeu Felsen, wo einsam ein Seeadlerpaar horstet oder die trägen, sondei'baren Ge- stalten der Kormorane friedfertig beieinander sitzen, noch die grasbewachsenen Inseln, auf denen Eiderenten oder Seesciiwalben nisten, sondern vielmehr die sogenannten Vogelberge, wie Island solche in ziemlicher Anzahl besitzt. Es sind das gewöhnlich steil aus dem Meere aufsteigende Klippen, Inseln und Vorgebirge, die von einer an Arten geringen, an ludividuenzahl aber nicht selten ungeheuren Menge von Seevögeln bewohnt werden. Solange man zurückdenken kann, sind derartige Orte zu gleichem Zwecke benutzt, während viele andere, scheinbar ebenso gtinstige, dauernd unberücksichtigt bleiben. liier und da besetzt nur eine einzige Art den ganzen Berg, der dann zwar Leben und Bewegung, jedoch wenig Abwechslung zeigt. Ungleich interessanter sind die Plätze, wo verschiedene Gattungen nebeneinander brüten, was auch bei den meisten der bedeutenderen Vogelberge der Fall ist. Als bekannteste und wichtigste derselben seien aufgezählt die Inseln Papey und Sküdr, sowie die Klippen vor Vopnafjörclr im Osten Islands, im Nordosten Gap Digranes und Langaues, im Norden die unbewohnten Mänäreyjar, Grimsey im Eismeere, die kleine Insel Drangcy im Skagafjördr und der Hornbjarg bei Cap Nord, ferner im westlichsten Funkte Islands Lätrabjarg und südlich
Griiusey. 63
von Reykjavik der Vogelberg bei Krisuvik, endlich die bedeutendste Insel- gruppe im Süden, die Vestmannaeyjar. Hiermit ist die Zahl der Vogelbergo aber keineswegs erschöpft.
Die gTößte Menge von Vögeln mag wohl der Hornbjarg am Cap Nord aufweisen, doch ist dieser nie ornithologisch genauer untersucht worden. Die unwirtliche Gegend, nach der man nur äußerst schwierig gelangen kann, wird bloß von wenigen armseligen Menschen bewohut, welche die Vögel zweifellos in weit geringerem Maße als anderwärts beunruhigen. Wenn man mit dem Schiffe längs der Küste dahinfährt, ist man erstaunt über die Zahl der Lummen, die das Meer in langen Streifen bedecken, und stundenlang fährt man dahin, ehe die Vögel verschwinden, üuunterbroclien hüpfen einzelne, Fröschen ähnlich, mit flatternden, schweren Flügelschlägen über das Wasser oder tauchen erschrocken, wenn das Schiff allzuschnell näherkommt. Eine Schätzung der Zahl auch nur der gesehenen Vögel ist kaum möglich. Wie reich muß doch das Meer sein, um all die Scharen zu ernähren, denen sich außerdem Eissturmvögel (Fulmarus glacialü), Dreizehenmöven (Rissa nssa), Papageitaucher (Fratercula arctica), Lunde (Cepphus grylle) und vielleicht noch andere Arten zugesellen.
Da die Vogelberge von großer Bedeutung für die Bewohuer der Gegend sind, zugleich aber auch die ornithologisch auffälligsten Örtlichkeiten jener nördlichen Länder darstellen, will ich zwei der interessantesten, nämlich die größten Gestadeinseln Islands, im Norden Grimsey, im Süden die Vest- mannaeyjar, eingehender besprechen. Ich knüpfe meine Schilderungen an Grimsey, die dadurch vielleicht an Interesse gewinnen, weil diese Insel selten zwecks wissenschaftlicher Forschungen besucht worden ist.
Grimsey (Nordisland).
Grimsey^) liegt ungefähr unter 66^ 35' n. Br. und 18" 2' w. L. v. Gr. Im Juni 1820 weilte Fr. Faber auf der Insel, ein Jahr darnach, nämlich vom 21. Mai bis 8. Juni 1821, F. L. A. Thienemaun; 1837 hielt sich W. Proctor vom 3. — 17. Juli daselbst auf; seit dieser Zeit aber wurde das Felseneiland nicht wieder ornithologisch untersucht. Grimsey ist von länglicher Gestalt. Seine größte Ausdehnung in ziemlich nordsüdlicher Richtung beträgt ungefähr 6,5 km, die größte Breite 2,8 km. Von dem ihm nächsten Punkte Islands, der Mündung des Eyjafjördrs, liegt es ca. 47 km nordnordöstlich. Das Süd- westende der Insel ist am niedrigsten. Hier lagert sich den kaum 5 — 10 m hohen Felsen ein Stück flacher Strand vor, der mit glatten Steinen bedeckt ist. Vor der Südspitze liegen zwei Klippen, Flesjar, die stets über dem Wasser sichtbar sind und von deren südlichster ein kurzes Rift' ^msschießt (Fig. 17). Die Westküste ist bloß an wenigen Stellen höher als 50 m. Trotzdem macht die Steilheit der Felsen ein Hinabklettern nach dem schmalen Strande nur hier und dort möglich. An dieser Küste befinden sich auch
^) Nach allgemeinen Gesichtspunkten habe ich die Insel beschrieben im Dresdner Anzeiger, Frühjahr 1904.
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Lfrimsey.
die einzigen Ankerplätze, diu-li ist die Landung- .seihst nur in kleinen Booten zu bewerkstelligen und wird selir oft durch Dünung ersclnvert oder sogar unmöglich. Weiter nach Norden zu ist die AVestküstc höher und fast überall senkrecht abfallend, während die Nordspitze wieder etwas tiefer liegt (Fig. 18). Am höchsten ist die Ostseite, an der die Felsen etwa 140 m ins Meer ab- fallen. An einigen Stellen der Küste sind kleine Klippen vorgelagert, die teilweise kaum über das Wasser ragen, teilweise aber auch, wie die llafsülastapa im Osten, steil und hoch aufsteigen (s. Fig. 25). Im Innern zeigt Grimsey ein welliges Plateau, das von einigen kaum sichtbaren Pfaden durchzogen wird. Hier und dort erhel)en sich saufte Hügel, die aber kaum die Höhe der Ostküste überragen. Dazwischen liegen kleinere und größere Täler. An einigen Stellen tinden sich Geröll- und Sandflächen, an anderen merkwürdig gestaltete Klüfte und Felspartien, die ebenfalls des Pflanzenwuchses entbehren.
Fig. 17. Südwestlicher Strand auf Grimsey.
Im allgemeinen muß man das Innere Grimseys öde und einförmig nennen. Etwas Abwechslung bieten eine Anzahl Süßwasserteiche von etwa 3 — 25 m im Durchmesser, die von Hügeln eingeschlossen werden, teilweise aber im Sommer vertrocknen. Sie sind die Sammelorte zahlloser Vogelscharen, ins- besondere der Seeschwalben und dreizehigen Möven, die in buntem Gewimmel darüber hinwegfliegen oder sich auf dem Wasserspiegel niederlassen, um zu trinken, zu baden und Nahrung aufzunehmen. Fließende Gewässer fehlen durchaus. Das Klima Grimseys ist Seeklima, im allgemeinen feucht, rauh und stürmisch. Auch unter dem Treibeise muß die Insel oft leiden. Dem- zufolge ist die Pflanzenwelt äußerst dürftig und besteht größtenteils nur aus kurzen Gräsern und Moosen: höhere Gewächse fehlen vollständig. Außer ein paar Sehafen, zwei Pferden und einer Kuh flnden sich keine Säugetiere auf der Insel, ebensowenig I^eptilien oder Amphibien.
Grmisev.
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Von um so gTößercr Bedeutung für die etwa 75 Menseben, die es gewagt haben, die unwirtliche Insel 7AI ihrer Heimat zu wählen, sind deshalb die unzähligen Vögel, die dem kleinen Felseneilande sein Gepräge verleihen, ja die zweifellos die Hauptursache zur Besiedelung desselben gewesen sind. Kaum ein Stückchen Land gibt es auf der ganzen Insel, wo niclit der Be- sucher von Vögeln umgeben wäre oder wenigstens ihre Stimme vernähme. Höchstens in einigen der kleinen, tiefen Täler kann es vorkommen, daß mau auf Viertelstunden unberührt und ungestört von dem bunten Vogelleben über sich bleibt. Für den Oruithologen ein interessantes Land! Freilich jeder andere Besucher muß hier halb und halb zum Oruithologen werden. Die Zahl der regelmäßig auf der Insel brütenden Arten ist freilich gering. Was aber an Artenreichtum abgeht, wird durch Individuenzahl ersetzt.
Fig. 18. Blick auf die Nordspitze von Grfmsey.
Der häufigste und zugleich auffälligste Vogel im Innern Grimseys ist <iie Küstenseeschwalbe (Slerna niarrnra), die in ungeheuren Mengen die sonst ao trostlosen, öden Moos- und Grasflächen belebt. Zur Brutzeit können diese Vögel den Besucher fast zur Verzweiflung bringen, indem sie nicht nur mit ihrer durcadringenden Stimme, besonders einem scharfen Kria — so ja auch der gebräuchlichste isländische Name der Art — ihn fortwährend umfliegen, sondern auch pfeilschnell auf den Kopf des Menschen herabstoßen, was mit- unter wirklich schmerzt.
Ungleich wichtiger sind die 9 Arten der sogenannten Felsenvögel, die an den steil abfallenden Basaltwändeu und Klippen ihre Wohnung auf- geschlagen haben, ein unwirtiiclies und unsicheres Heim freilich, das von abrollenden Steinen, von Sturm und Brandung fortwährend bedroht wird!
Hantzsch, Vogelwelt Islands. 5
66 (inrnsey.
Und doch, der Ausblick auf das weite, wilde Meer, das all die tausend und abertausend Tiere beständig mit Nahrung versorgt, das am Fuße ihrer stolzen Felsenwohnung immerfort grollt und wogt, ist ihnen Lebensbedingung; ge- fangen und im Hause oder auch im Freien abseits des Meeres losgelassen, laufen sie elend flatternd am Boden umher, fahren in alle Ecken und Löcher oder verhalten sich wie geistesabwesend ganz still.
Oben am Rande der hundert Meter hohen Bergwände sitzen die sonder- baren Papageitaucher (Fratermla arctica) mit dem bunten breiten Schnabel. In etwas geschützten Vertiefungen brüten die fetten f^issturmvögel (Fnlmarus glacialis). In großer Menge bewohnen die Dreizelienmöven (Rissa rlsm) den oberen Teil der Vogelbergc, sowie die niedrigeren Felsen und Klippen. Die nützlichsten Arten dieser Seevögel sind die Alke (Alca torda) und Lummen. von denen Uria lomvia am häufigsten ist, wäln-end Uria troile seltener ge- funden wird. Der große weiße Tölpel (Sida bassana, isländisch Hafsühi) brütet nur auf der Hafsülastapa und einem Stück des gegenüberliegenden Felsens. Die Gryll-Lumme (Cepphus grylle) hat ihi-e Bruthöhlen gewöhnlicli abseits von anderen Arten in geringer Höhe über dem Meere. Der kleine Kra])bentaucher (Alle alle) legt sein Ei zwischen die abgestürzten mächtigen Geröllbrocken am Grunde einiger Felsen. Er wohnt sonst an keiner Stelle von Island und hat zugleich hier auf Gri'msey seinen südlichsten bekannten Brutplatz (siehe Fig. 20).
Wenn im Frühjahre das Meer eisfrei zu werden beginnt, kommen die Seevögel nach der Insel. In laugen Reihen sitzen sie dann später auf jedem Vorsprunge der Felsen, um ihi* einziges großes Ei abzulegen, das sie viele Wochen bebrüten, wenn es nicht durch Naturgewalten vernichtet oder von den Menschen weggeholt wird. Für den Binnenländer ist es ein doppelt interessanter Anblick, dem unbeschreiblichen Gewimmel der zahllosen Vögel zur Brutzeit zuzuschauen.
Unten brandet dumpf das dunkle Meer, mit leuchtend weißem Rande den schmalen Küstenstreifen einfassend; gespenstische Nebelwolken flattern drüber hin, und der Sturm rast gegen die senkrechten Felsen. Krampflmft an den Vorsprüngen sich festhaltend klettert man in eine geschützte Erd- nische, läßt sich nieder und schaut. Wenige Meter entfernt sitzen eine Menge Papageitaucher. Sie verlassen den einmal gewählten Platz nicht sogleich, trotzdem sie hin- und herbalaucierend immerfort gegen den Sturm ankämpfen müssen. Mit äußerst raschen Flügelschlägen eilen in großen Bogen die Alke dahin. Froh, endlich nach mehrfaclieu vergeblichen Ver- suchen den Brutplatz erreicht zu haben, läßt sich flatternd eine Lumme auf ihr Ei herab. Aber ein Windstoß faßt sie unter den halb geöffneten Flügeln : aufschlagend rollt das große grüne Ei hinunter, was der Vogel, der nun erst festen Fuß auf dem mit Löffelkraut (Cochleana groenlandica) be- wachsenen Erdrande gewinnt, scheinbar kaum bemerkt. Knurrend kriechen jetzt die Papageitaucher in ihre Bruthöhlen, und brummend zanken sich die dickschnäbligen Lummen. Aber spielend mit der bewegten Luft schwebt als Flugkünstler der Eissturmvogel dahin. Wie er mit den einzelnen Federn
Grimsey.
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der oft sonderbar gebogeueu Flügel und des Schwanzes gegen den Wind operiert! Wie er die Füße vor- und rückwärts biegt und langsam mit ge- spreizten Zehen und Schwimmhäuten in der Luft rudert! Wie er den ganzen Körper nach allen Kichtungen dreht und die merkwürdigsten Schwenkungen ausführt! Dann wieder beschreibt er einen schönen Bogen, um abermals ohue wirkliche Flügelschläge minutenlang an derselben Stelle zu verharren. Mit lautem Kreischen durchwirbeln die leichten weißen Scharen unzähliger Dreizehenmöven die bewegte Luft. Ein unbeschreibliches Durcheinander ist es, aber kein hastiges und ungeschicktes, nein, ein von tausend gewandten Flugkünstlern ausgeführtes Ballett, dem man zuschauen kann, so lange man will, und der einzige Zuschauer ist man selbst.
Die Stunden gehen dahin! Der Sturm hat sich gelegt, die düsteren Nebel sind fortseflooen nach anderem Lande; ein Frieden gießt sich aus
Fig. 19. Oberster Teil eines Vogelberges auf Grimsey.
über die ganze Welt, „am Abend wird es licht sein!" Überall sitzen die weißschwarzen Vogelgestalten auf den Felsen und putzen das Gefieder, gi-oße Scharen liegen tief unten auf dem Meere, dessen uralter Sang vom Kommen und Vergehen noch immer heraufhallt an dein Ohr. Und noch immer um- gaukeln dich die Tänzer der Lüfte, mit dem unmelodischen Zusammenklange ihrer Stimmen die Luft erfüllend.
Die Sonne sinkt: Mittnachtssonne! Glühend übergießt sie den ganzen Himmel, leuchtend überflutet sie das weite Meer, schimmernd überhaucht sie die schwarzen Felsen, stiehlt sich auch hinein in die Brust des einsamen Be- schauers. — Etwas stiller wird's am Berge. Die Männclien kommen, um die Weibchen im Brüten abzulösen, das bunte Gewimmel in der Luft verringert
5*
ßg Verzoichnis der Vöfjel Griinseys.
sich, aluT Felsen und Meer sind dicliter mit ruhenden Vrtf^eln l)edeckt. Doch nur wenige Stunden n:ich Mitternaelit beginnt von neuem das geseliäftige Treiben. Und auch der Ornitliolog erliebt sieli mit dem Bewußtsein, wieder einige Stunden verlebt zu haben, die ihn voll befriedigten (Fig. 19).
Verzeichnis der Vögel Grimseys.
Nach eig^enon Untersuchungen uud nach JVIitteihingen der Bewohner, insbesondere des besten Vogelkcnners der Insel, Yngvar Gudmundsson, sowie des Pfarrers Matthias Eggertsson. Außer den angeführten Arten wurden in den letzten .Jahrzehnten noch einige andere nnbestimnibare beobachtet. Die mitverzeichneten isländischen Namen sind die auf der Insel gebräuchlichen.
1. Urinator imber (Gunn.), Himbrirai. Gelegentlicher Gast im Spätsommer.
2. Urinator lumme (Gunn.), Lömur. Gelegentlicher Gast.
3. Fratercula ardica glacialis Steph., Lundi. Häufiger Brutvogel im oberen Teile der Vogelberge.
4. CeppJnis grylle grylle (L.), Teista. Nicht seltner Brut- und Standvogel, in kleinen Kolonien getrennt von anderen Arten.
5 a. Uria trolle troile (L.), Langvia. Nicht häufiger Brut- und Standvogel, mehr im unteren Teile der Felsen, b. Uria troile troile (L.) var. rliingvia (Brunn.), Hringvia. Seltene Abart.
6. Uria lomvia lontvia (L.), Stuttnefja. Gemeiner Brut-, Stand- imd Wintervogel.
7. Alca torda L., Alka. Häufiger Brutvogel.
[Alca impennis L., Geirfugl. Eine Schar soll nach Erkundigungen Preyers (Naumann XII, S. 194) c. 1838 — 40 nach Grimsey gekommen und daselbst getötet worden sein. Pastor Matthias Eggertsson fand hierüber in alten Kirchenbüchern u. dgl. nichts aufgezeichnet. Auch die ältesten Bewohner Grimseys können sich nicht erinnern, von dem Erscheinen des Vogels gehört zu haben.]
8. Alle alle (L.), Haftirdill. In 150—200 Paaren Brut- und Standvogel.
9. Megalestris skua (Brunn.), Häkallskümur. Gelegentlicher Gast.
10. Stercorarius parasiticus (L.) ?, Kjöi. Gelegentlicher Gast.
11. Rissa rissa rissa (L.), Skegla. Gemeinster Brutvogel an den Felsen, im Winter selten.
12. Larus niarinus L., Svartbakur. Seltener Brutvogel, doch häufiger Gast.
13. Laras glaucus Brunn., Grämäfur. Wahrscheinlich nicht Brutvogel, aber ziemlich häufiger Gast.
14. Larus leucopterus Faber, Hvitmäfur. Häufiger Herbst- uud AVintergast.
1.5. Sterna macrura mncrura Naum., Kria. Gemeiner Brutvogel auf dem grasigen Plateau des Inuern.
16. Fulmarus glacialis glacialis L., F^lingur. Häufiger Brut- und teilweise Stand- vogel.
17. Puffinus puffinus (Brunn.), Skrofa. (xelegentliciier Gast.
18. Puffinus gravis (O'Ileilly), Störa Skrofa. Der geiuiuen Beschreibung zufolge mehr- maliger (jast.
lit. Siila bassana (Ij.), Hafsüla. In etwa 50 — 70 Paaren Brutvogel auf der Hafsülastapa und dem gegenüberliegenden Felsen.
20. Phalacrocorax carba (L.), Skarfur. Zeigt sich zuweilen im Herbste.
21. Plialacrocorax graculus graculus (L.), I^oppskarfur. Seltener Gast.
22. Anas boschas L., Gräönd. Mitunter zu den Zugzeiten.
23. Nettion erecca crecca (L.), Urtönd. Vereinzelt im Herbste beobachtet.
24. Clangula hyemalis (L.), Hävella. Gelegentlich zu den Zugzeiten.
2.5. Soinateria spectabilis (L.), ^darköngur. Seitoner Gast. Anfang .Juni l!)()t ein cJ
erlegt. 2(i. Somateria mollissima mollissinui (L.). ^Edar. Häufiger Brut- uud Standvogel.
Vestmannaeyjar. ()<»
27. Oidemia nigra nigra (L.), Hrafnsönd. Gelegentlicher Herbst^ast.
28. Anser sp.'^, Grägaes. Vereinzelt im Frühjahre.
29. Branta leitcopsis (Bchst.), Helsingi. Ziemlich regclmäliiger Herbstrlnrchzügler. '■iO. Cygnus cygnus (L.), Svanur. Selten im Frühjahre.
."U. Ardea cinerea L., Hegri. Ansnahmsweiser Gast. Nach Fabers Mitteilungen wurde ein Exemplar Ende September 1819 auf der Insel gefangen (Prodromus S. 23).
.'32. Ciconia ciconia (L.), Storkur. Yngvar Gudmundsson versicherte mit Bestimmtheit, im Frühjahr 1856 ein Exemplar auf der Insel beobachtet zu haben.
••{3. Crytnophilus fulicarins (L.), ^örshani. Seltner Gast.
.'{4. Phalaropus Johafus (L.), Odinshani. Häutiger Brutvogel an den Süß\vasserteich<Mi im Innern.
■iö. Arquatella maritima maritima (Brunn.), Sendlingur. Vereinzelter Brutvogel.
36. Palidna alpina schimii (Brehm), Tj6u|7ra!ll. Nicht seltner Brutvogel, besonders im südlichen Teile der Insel.
37. Calidris arenaria (L.), Sanderia. Soll nach Fabers Vermutung auf der Insel ge- brütet haben, was jetzt bestimmt nicht mehr der Fall ist. Kommt wohl gelegentlich zur Zugzeit.
38. Totanus totanus (L.), Stelkui-. Gelegentlicher Gast.
39. Numenins phaeopiis phacopus (L.), Spöi. Kommt mitunter zur Zugzeit. Brut- angaben, wenigstens aus neuerer Zeit, sind in-tümlich.
10. Vanelhis vanellus (L.), Vepja. Wurde einmal im Frühjahre beobachtet.
U. Charadrins apricarius L., Loa. Brütet in wenigen Paaren im Innern der Insel.
42. Aegialitis hiaticula (L.), Sandlöa. Nicht seltner Brutvugel im Innern.
43. Arenaria interpres (L.), Tildra. Seltner Gast. Ich fjind die tjberreste eines Exemplars, Kopf deutlich erhalten, Ende Juni 1903.
4:4. Haematopus ostralegus L., Tjaldur. Selten im Spätsommer.
45. Lagopus rupestris islandormu (Faber), Rjüpa. Mitunter im Winici- bei viel Kis.
46. Haliaetus alhicilla (L.), Orn. Kommt selten während der Brutzeit der Seevfigel.
47. Hicrofalco gyrfalco islandus (Brunn.), Fälki. Besucht die Insel gelegentlieh /u allen Jahreszeiten. Im Winter oft sehr helle grönländische Exemplare.
48. Falco mcrillus ((rer'nn), Smirill. Kommtabundzu, besonders im Frühjahreund Herbste.
49. Nyetea nyctea (L.), Kattugla. Nicht seltner Wintergast.
.'")0. Apus apus apns (L.), Svala. Ansnahmsweiser Gast. Am 2. ,luli 1903 ein einzelnes
Exemplar von mir erlegt. .')1. Corvus corax principalis Ridgw., Hrafn. Seit alten Zeiten brütet regelmäßig nur
ein Paar auf der Insel, auch die .Jungen werden bald fortgetrieben. Im Winter
ausnahmsweise mehrere Vögel.
52. Corvus cornix cornix Ij., Kräka, Ist einige Male im Spätjahre gesehen winden.
53. Corvus frugilegus frugilegus L., Kräka. Seltener Wintergast.
54. Passerina nivalis nivalis (L.), Snjotitlingur. Häufigster Kleinvogel dei- Insel. Regelmäßig daselbst überwinternd.
55. Motacilla alba alba (L.), Märiatla. Nicht seltener Brutvugel, gel(;gentlicli üImt- winternd.
56. Anthus pratensis (h.). Grätitlingur. Nicht häuüger Brutvogel.
57. Anorthwa troglodytes borealis (Fisch.). Müsarbroctir. Ab und zu ist ein ('nur brütend beobachtet worden.
58. Turdus iliacus coburni Sharpe, Skögarl'röstur. Zeigt sich nicht selten im Früh- jahre und Herbste.
59. Saxicola oenanthc Icucorrhoa (Gm.), Steindepill. Regelmäßiger, aber nicht hüuliycr Brutvogel.
Vestmannaeyjar (Südisland).
Die Westmaim-Inselu liegen ungefähr unter 63" 25' n. Hr. und 2«"" 15' w. L. V. Gr.. von der benachbarten siidisländiscben Küste etwa 6 — 25 kin
70 Verzoiclinis der N'üoel der Vostniantiaeyjar.
euttVriit. Von den über ein Dutzend gröLk'ren Klijiiien ist nur die H;iui>t- insel Heiniiiey von (5 — 700 Menschen bewohnt, die sicli durch Fischfang, Schafzucht und Vogelfang ernähren. Heiraaey fällt nach Norden zu flach al> und besitzt dasell)st eine Art Hafen. Die Insel ist vielerorts mit kahlen Lava- und Tufffelderu bedeckt und steigt im Osten zu dem 300 m hohen Helgafell em])or. Der übrige Teil der durchaus vulkanisdieu Insel, wie auch die zahlreichen andern Klippen, senken sich steil ins Meer und bieten den .Seevögeln geeignete Brutplätze. Die Menge der auf den Vestmannaeyjarn brütenden Individuen ist wohl noch größer als auf Grimsey, der Anblick der Vogelberge aber in beiden < jrtlichkeiten sehr ähnlich.
Verzeichnis der Vögel der Vestmannaeyjar.
Besonders nach den mir liebenswürdigst von Herrn Kreisarzt porsteinn .lönsson daselbst gemachten Angaben. Die mitverzeichneten isländischen Namen sind die unter der Bevölkerung gebräuchlichen.
1. Urinator imber ((Tunn.),,Himbrimi. Gelegentlicher Gast.
2. TJrinator lumme (Gunn.), Lömur. Desgleichen.
3. Fratercula arctica glacialis Ste])h., Lundi. Gemeiner Brutvogel, besonders auf Ystaklett.
4. Cepphiis grylle grylle (L.) Tcista. Nicht besonders zahlreicher Brutvogel in kleinen Kolonien von höchstens 8 Paaren; teilweise überwinternd.
öa. Uria troile troile (L.), Laugvia. Gemeiner Brutvogel, b. Uria troile troile (L.) var. rhingvia (Brunn.), Hringvia. Jiedeutend seltner als vorige Art.
6. Uria lomvia lomvia (L.), Stuttnefja. Brutvogel auf verschiedenen Klippen, doch in geringerer Zahl. Die Uria-Arten ziehen im Winter zum größten Teile fort.
7. Alca torcla L., Alka. Häufiger Brutvogel.
[Alca impennis L., Geirfugl. Hat besonders auf den südlichen Klippen, nach dem Vogel Geirfuglasker genannt, bis zu Ende des 18. Jahrhunderts in beträcht- licher Anzahl gebrütet. Das letzte nachgewiesene Exemplar wurde 1843 daselbst getötet.]
8. Alle alle (L.), Haftirdill. Mitunter im Spätjahr und AVinter.
9. Megalestris skua (Brünu.), Skümur. Besucht die Inseln häufig.
10. Stercorarius parasiticus (L.)?, Kjöi. Nicht seltner Gast.
11. liissa rissa rissa (L.), Kita. Gemeiner Brutvogel.
12. Larus marinus L., Svartbakur. Einzeln oder in kleineu Kolonien auf verschiedenen Inseln brütend; auch im AVinter regelmäßig anzutreffen.
13. Larus glaucus Brunn., Grämäfur. An einigen Felsen in Kolonien von 6 — 10 Paaren brütend; bleibt auch im Winter da.
14. Larus leiicopterus Faber, Hvitmäfur. Häufig im Spätjahre und Winter.
15. Sterna macrura macnira Nauin.. Kria. Gelegentlicher Gast, brütet nicht auf den Inseln.
Iß. TludassogeroH chlor orhynchos (Gm.), Fuglköngur. Wahrscheinlich ein einzelnes Individuum hat mehrere Jahre als „Vogelkönig" auf einer der Klip])eu gelebt und wurde 1846 daselbst erlegt.
17. Fulmarus glacialis glacialis L., Fill. Häufiger Brut- und Standvogel.
18. Puffinus puffinus (Brunn.), Skrofa. Brütet in Kolonien auf Ystaklett und an einigen andern Stelleu.
19. Oceanodroma leucorrhoa (Vieill.), Sjösvala. Brütet in einigen hundert Paaren besonders auf der Halbinsel Ystaklett und einer nördlich davon gelegenen Klippe.
20. ProceUaria pelagica L., Litla Sjösvala. Wahrscheinlich nicht brütend, sondern nur gelegentlicher Gast.
Verzeichnis der Vögel der Vestmannaeyjar. 71
21. Sula bassana (L.), Si'ila. Brütet in einer bedeutenden Kolonie auf der Sülasker; zieht im Winter nicht fort.
22. Phalacrocorax carbo (L.), Dilaskarfur. Brütet in wenigen Paaren an unzugäng- lichen Felsen auf Heimaey. Zeigt sich während dos ganzen "Winters.
2B. Phalacrocorax graculus (L.), Topi)skarfur. Seltner ßrutvogel. im Winter häufiger,
24. Mergus merganser (L.), Störa Toppönd. Wird mitunter zur Zugzeit beobachtet.
25. Mergus serrator (L.), Litla Toppönd. Vereinzelt im Spät- und Frühjahre.
26. Anas boschas L., Störa Stokkönd. Nicht seltner Durchzügler und Wintergast.
27. Glaucionetta dangula clangula (h.), Hüsönd. Ein Exemplar von den Vestmannaeyjarn befindet sich im 3Iuseum in liej'kjavik.
28. Glaucionetta tslandica (Gm.), Hüsönd. Mitunter zu den Zugzeiten.
29. Clangula hyemalis (L.), Hävella. Auf dem Zuge beobachtet.
30. Histrioniciis histrionkus (L.), Straumönd. Einige Male zur Zugzeit beobachtet.
31. Somateria mollisslma mollissima (L.) ^Edar. Häufiger Brut- und Standvogel.
32. Oidemia nigra nigra (L.), Hrafnsönd. Im Frühjahre und Herbste beobachtet.
33. Anser fabalis (Lath.)?. Grägtes. Nicht selten auf dem Zuge.
34. ßranta leucopsis (Bchst.), Helsingi. Gelegentlicher Durchzügler.
35. Cygnus cygnus (L.), Alft. Nicht selten zu den Zugzeiten.
36. Ardea cinerea L., Hegri. Nicht seltner Gast; 1891 ein Exemplar erlegt.
37. Rullus aquaticus L., Keldusvin. Gelegentlicher Gast, z. B. Januar 1902 und 25. November 1903.
38. Gallinula cJdoropus (L.). Sjöha?na. Seltener Gast. Am 5. April 1882 wurde ein Exemplar tot ans Land getrieben, 2 lebende im Herbste 1903 beobachtet.
39. Fulica atra L., Blesönd. Hat sich mehrmals gezeigt.
40. Phalaropus lobatus (L.), Odiushani. Häufiger Gast, besonders im Früh- und Spätjahre.
41. Arquatella maritima maritima (Brunn.). Sendlingur. Zeigt sich das ganze Jahr hindurch, auch im Winter, ist aber noch nicht brütend gefunden worden.
42. Palidna alpina schinzii (Brehm), LöuprajU. Nicht seltner Durchzugsvogel
43. Totamis totanns (L.), Stelkur. Regelmäßiger Durchzugsvogel.
44. Numenius phueopus phaeopus (L ), SiJÖi. Zur Zugzeit häufig.
45. Vanellus vanellus (L.), Vepja. Ist einige Male beobachtet worden.
4ti. Charadrius apricarius L., Loa. Häufig auf dem Durchzuge, brütet jedoch nur in wenigen Paaren auf Heimaey.
47. Aegialitis Jiiaticula (L.), Sandlöa. In einigen Paaren Brutvogel, häufiger auf dem Zuge.
48. Arenaria interpres (L.), Tildra. Nicht häufiger Durchzugsvogel.
49. Haematopus ostralegus L., Tjaldur. Regelmäßiger Durchzugsvogel, brütet aber nur in geringer Zahl auf Heimaey.
öO. LagojMS rupestris islandorum (Faberj, Rjiipa. Seltner Wintergast, öl. Haliaetus albicilla (L.), Sa?örn. Besucht ab und zu die Vogelberge.
52. Hierofalco gyrfalco islandus (Brunn.), Fälki. Gelegentlicher Gast während des ganzen Jahres.
53. Falco merillus (Gerini), Smirill. Zeigt sich besonders zu den Zugzeiten.
54. C'eryle alcyon (L.), isfugl. September 1901 wurde ein cj auf Heimaey gefangen.
55. Corvus corax principalis Ridgw., flrafn. In einigen Paaren Brutvogel: zieht im Winter nicht fort.
5tj. Corvus cornix cornix L., Kräka. Seltner Gast.
57. Corvus fruyilegus frugilcgus L., Fiereyjahrafn. Besucht gelegentlich, besonders im Winter, die Inseln, sehr zahlreich z. ß. 1880.
58. Bombycilla garrula (L.), Silkihali. Eine Schar am 18. Oktober 1903 auf Heimaey; ein Exemplar davon gefangen.
59. Sturnus vulgaris vulgaris L., Stari. Gelegentlicher Gast.
60. Passer ina nivalis nivalis (L.), Sölskrikja. Nicht seltner Brutvogel, z. T. überwinternd.
72 Verzeichnis (Iit Vögel der N'estmannaeyjur.
Kl. Hirumlo msfica rustica iL.), Svala. Gelogentlidier Frülijahrsgasl. Hat niehrnmls.
■/.. B. 1892, Hrutversuche gemacht. Frühjahr 190-1 g-rößerc Schar, die aber auch
wieder verschwand. ♦)2. Chelidonaria urbica urbica (L.), Svula. Aiisnahnisweiser Gast. (53. Motacilla alba alba (L.), Märiatla. Nicht; seltner Brutvogel. tj4. Änthus pratensis (L.), j'i'd'utitlinoin-. Nicht seltner Briitvogel.
65. Anorthura troglodytes borealis (Fisch.), Mi'isarrindill. Unregelmäßiger, vielleicht manchmal auch übersehener Briitvogel.
66. Turclns iliacns coburni Sharpe, Skögarpröstur. Regelmüßiger Durchzugsvogel. Anfang April vind Mitte Oktober.
67. Merula merula merula (L.), Sölsvort. Seltener Gast.
68. Saxicola oenanfhe lencorrJwa (Gm.), Steindepill. Nicht seltner Brut- und Durch- zugsvogel.
5. Wandlungen innerhalb der Vogelwelt Islands in geschichtlich bekannter Zeit.
Wie im ersten Abschnitte gezeigt worden ist, kann vor der Zeit l'^aliers (1820) von wissenschaftlicli glaubliaften Mitteilungen über die Vogelwelt Islands nicht viel die Rede sein. Insbesondere muß man die Nachrichten über das Vorkommen seltener Spezies kritisch betrachten, falls nicht von ver- schiedenen Seiten übereinstimmende Berichte vorliegen. Nur wenige auf- fällige, charakteristische und deutlich benannte Vogelarten ermöglichen einen unmittelbaren Vergleich der früheren Verhältnisse mit den heutigen.
Zweifellos sind ehemals die weißgefleckten Raben (Corvus corax varius Brunn.) ungleich häutiger in Island vorgekommen als jetzt. Ja man kann wohl annehmen, daß auch die gewöhnliche Form in weit größerer Menge vorhanden war. zumal man von Seiten der Bewohner eine gewisse Anzahl der Vögel gern in der Nähe der Geliöfte duldete und im Winter sogar fütterte. Wurde der Schaden, den sie anrichteten, nicht allzu bemerkbar, so verfolgte man sie nicht, hatte ja auch bis in die neuere Zeit so ungenügende Schießwaffen, daß man den klugen Vögeln wenig anhaben konnte. Albinismus ist nun aber ein Zeichen der Degeneration, tindet sich am häutigsten bei Standvögeln, die blutsverwandt sind, wie dies auf den Färöern sehr deutlich zum Ausdrucke kommt, und vererbt sich auch leicht.'') Hierdurch wird das liäufigere Vorkommen weißgefleckter Raben in früheren Jahrhunderten ver- ständlich, zumal alle Corviden Neigung zum Albinismus zeigen. Seitdem man die Schädlichkeit unserer Vogelart mehr erkennt, fast jeder isländische Bauer eine Flinte besitzt und der Glaul)e an die ünantastbarkeit der sicli an die Häuser gewöhnenden Exemplare sehr geschwunden ist, gehört auch Corvus varivs zu den größten Seltenheiten in Island.
Eine Abnahme an Individuenzahl ist ferner bei den zwei großen Raub- vogelarten, dem Seeadler und dem Jagdfalken, festzustellen. Der erstere mag früher nur ganz selten erlegt worden sein. Noch zu Fabers Zeiten traf man ihn regelmäßig in der Nähe von Vogelbergen und Eiderbrutplätzen. Ich sah die Art nur wenige Male während meines Aufenthaltes in Island, und auch die Mitteilungen älterer Bewohner der Insel bestätigen, dati die Zahl der Vögel zurückgeht. Ebenso eifrig verfolgt man den Jagdfalken, der sich ja gleichfalls von Nutzgeflügel nährt. Man schießt ihn und raubt auch seine Eier. Auf solche Weise schadet man den Vögeln weit mehr als in
^) Vgl. Amseln (Merula m,crtda) und Sperlinge ( FaxHer domci^ticus) iinsrer Städte.
74 Wandlungen innerhalb der Vogelwelt Islands.
ffülicreu Jahrliuuderteii, wo man sie zwar fing, im übrigen aber als ein ständig sich verzinsendes Kapital beschützte.
Vielleicht im Zusammenhange mit dieser Abnahme steht das ziemlich häufige Vorkommen des Steinfalken (Falco menlhis), dessen Zahl zuzunehmen scheint. Während der Vogel von verschiedenen älteren Schriftstellern gar nicht genannt wird, und auch Faber ihn als ziemlich selten bezeichnet, ist er heutzutage allbekannt und ungleich häufiger als die beiden anderen Raub- vogelarten. Er wird wenig verfolgt, da der Isländer ihm die scheinbar nutz- losen Kleinvögel im allgemeinen gönnt.
Bedeutend hat sich die Eiderente in neuerer Zeit vermehrt, besonders seitdem man gesetzlich das Töten derselben streng untersagt (vgl. Abschn. 2) und ihr größtmöglichen Schutz an den Brutplätzen angedeihen läßt. In dieser Beziehung ist das Verhalten der Isländer mustergültig, und man kann zuversichtlicli hotten, daß die Vermehrung der so nützlichen Vögel immer weiter fortschreiten wird, falls nicht Krankheiten oder sonstige Kalamitäten Einhalt gebieten.
Ganz dasselbe ist von den Süßwasserenteu leider nicht zu sagen, die vielerorts, z. B. an ihrem Hauptbrutgebiete, dem My-vatn, an Zahl zurück- gehen. Der Grund hierfür liegt sicher in der allzugroßen Ausnutzung der Vögel. Nicht nur, daß man ihnen die Eier nimmt, schießt man sie auch außer der Brutzeit in beträchtlicher Menge. Diese Vernichtung aber scheint die Vermehrung zu übersteigen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei dem Singschwane, den Tauchern und Sägern.
Vielleicht noch deutlicher macht sich die Abnahme der sogenannten Felsenvögel bemerkbar, d. h. der Arten, die an den Vogelbergen brüten. Die Küstenbevölkeruug Islands hat freilicli in neuerer Zeit erheblich zu- genommen, alle Nahrungsquellen müssen intensiver ausgenutzt werden, wes- halb die AVegnahme der Eier und das Fangen junger und alter Vögel an deren Brutplätzen als verhältnismäßig einfach und lohnend lebhaft betrieben wh'd. Soll der Nutzen, den die Seevögel dem Menschen heute noch ge- währen, in den späteren Jahrhunderten nicht wesentlich zurückgehen, muß in Zukunft maßvoller und überlegter gehandelt werden, was leider nach dem neuen isländischen Vogelschutzgesetze nicht zu erwarten ist. Schon beim Befragen alter Isländer, die Jahrzehnte hindurch ein und denselben Vogelberg beobaclitet haben, kann man die Klage der Abnahme gewisser Arten hören, vor allem der Lummeu (Uria trolle und lomcia), Alke (Alca torda) und Papageitaucher (Fratercula arctica), deren Eier und Fleisch besonders ge- schätzt sind. Dagegen haben die nur zu gewissen Zeiten begehrten und deshalb weniger verfolgten Arten nicht so augenscheinlich an Zahl abgenommen. So zeigt die Kolonie des Tölpels (Sida bassava) auf Grimsey dieselbe Stärke von etwa 50 — 70 Paaren wie zur Zeit Fabers und Thienemanns vor über 80 Jahren, und der kleine Krabbentaucher (Alle alle) ebendaselbst scheint sich sogar zu vermehren.
Den deutlichsten Beweis aber für den unvernünftioen Vernichtungski-ieg,
Wandlungen innerhalb der Vogehvelt Islands. 75
hat, bietet die völlige Ausrottung des Riesen- oder Brille nalkes (Alca impennis), die freilieb durch das Zusammentreffen verschiedener ungünstiger Verhältnisse beschleunigt worden ist. Zunächst lockte schon die Größe des Vogels, noch mehr aber die seiner p]ier, zum Fange und zur Wegnahme. Erleichtert wurde beides durch das kolonienweise Brüten der Art, sowie durch ihre Unfähigkeit zu fliegen. Da heute noch die verwandten Felsen- vögel am Nistplatze überaus ungeschickt und wenig scheu sind, auf unbewohnten Eilanden nicht selten sogar mit den Händen gegriffen werden können, mag auch der Fang des ßiesenalkes keine besonderen Schwierigkeiten verursacht haben. Weiter kommt in Betracht, daß Eier und Fleisch des Vogels wahr- scheinlich besonders wohlschmeckend gewesen sind. Ich habe solches von fast allen sogenannten Felsenvögeln (Una trolle und lomvia, Alca torda. Alle alle, Cepphus grylle, Fratercula arctlca, Sula bassana, Rissa rissa, Fidmams gladalis) genossen und gefunden, daß Alca torda, also der nächste Verwandte von Alca impennis, am wohlschmeckendsten ist. Höchstens können sich noch die üria-Arten auf gleiche Stufe mit ihm stellen. Die Federn des Vogels scheint man ihrer Härte wegen in Island weniger gern benutzt zu haben.
Leider war es mir nicht möglich, auf meiner diesmaligen isländischen Reise gewisse noch der Lösung harrende Fragen über die ehemalige Ver- breitung des wahrscheinlich mit Reclit als ausgestorben geltenden Vogels zur Untersuchung zu stellen, weshalb ich eigene Bemerkungen über die Art nicht zu bieten vermag. Um aber den interessanten Alk, der ja heutzutage wenigstens noch historische Bedeutung für die isländische Avifauna besitzt, in dieser Arbeit nicht uuberücksichtig-t zu lassen, gebe ich die wichtigsten Bemerkungen über sein früheres Vorkommen bei Island an der Hand der ausführlichen Zusammenstellungen, die W. Blasius 1903 im 12. Bande von Naumanns Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas geliefert hat. Leider ist über die eingehenden Forschungen, die John Wolley in Verbindung mit Alfred Newton 1858 an Ort und Stelle selbst anstellte, nach dem frühen Tode Wolleys bis jetzt nicht allzuviel veröffentlicht worden.')
Verschiedene Gestadeinseln Islands erinnern in ihrem Namen noch heute an das einstige Vorkommen des „Geirfugls". So liegt an der Ostküste, in der Nähe von Djüpivogr am Berufjördr, ein „Geirfuglasker", auf dem wenigstens bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts Riesenalke in größerer Zahl gebrütet haben sollen. Eggert Olafsen hebt dies hervor (ca. 1755) und noch Olaus Olavius, der 1775, 76 und 77 Island bereiste, berichtet, daß alljährlich um die Mittsommerzeit Fahrten nach der Klippe unternommen würden, um Vögel und Eier zu liolen. Scheinbar ist aber kurze Zeit darauf die Kolonie aus- gerottet worden, oder Olavius hat überhaupt nur Olafsen nachgeschrieben, da Mohr, der sich 1781 etwa zwei Monate in Djüpivogr aufhielt, nichts davon erwähnt. Wolley und Newton haben, wenn auch nicht mit völliger Sicherheit, festgestellt, daß sich 1858 keine Riesenalke mehr auf jener Klippe fanden
1) Alfred Newton, Abstnict of Mr. .John Wolleys researches in Iceland respecting- the Garefowl. Ibis 1861.
76 \V;iiidlun<;cii iiinorhalb dor Vogelwelt Islands.
und iiiicli die M('V('tlk(H-iiiig der lHMUiclil)iivt('ii Kiistp iiiclits vnii dem ('"msti-^rn N'orkoinmon dor Vö<>(d wußte.
Die südliclistf^ Klippo der Vcstnuuimiov juv heißt L(lei('lifalls (leirt'uglasker. Hier haben die Riesonalke sicher bis zum p]nde des 18. Jahrhunderts in beträchtlicher Zahl gebrütet. Öfters sind Leute hingefahren, die unsere Vögel derart rücksichtslos töteten und sammelten, daß nach den Angaben Steensti'ups und Newtons bereits im Anlange des 11). Jahrhunderts Alra impennis aucli auf diesem Brutplatze äußerst selten wurde. Faber, der sich im Juli und August 1821 auf den Vestmannaeyjarn aufhielt, berichtet nur. daß ums Jahr 1800 ein Vogel nebst einem Ei dasclltst erbeutet worden sei, und Newtitn teilt mit, daß man ungefähr im Jahre 1S43 einen jungen Riesenalk an dieser Stelle fing, von dem aber unsicher ist. ob er auf dem Felsen selbst erbrütet wurde.
Die wichtigsten isländischen Inseln, die einst ^Uca impenni-' beherbergten, liegen südwestlich von Cap Reykjaiies und führen den Namen Fuglasker. Mannigfaclie Umgestaltungen durcli vulkanische Kräfte scheinen das Bild dieser Klippen wiederholt verändert zu halten. Bis zum -lahrc 1830 bestand die Gru})pe aus vier nennenswerten Inseln: nämlicli 13 km von Cap Reykjanes entfernt l*ildey, 2 km weiter südlich die Klippe Eldeyjardrängr, etwa 10 km westlich von dieser Geirfuglasker und nocli 4 km südwestlich Geirfugladrangr. Abermals etwa 10 km entfernt soll der 178:5 aufgetaucht(^ und I)ald wieder verschwundene Felsen Kldeyjabodi gelegen liaben. Diese ganze Gruppe hat Alca impennis bis in die ersten Jalu'zehnte des \S). Jahrhunderts bewohnt, doch brüteten die Vögel nur auf dem für Menschen schwer zugänglichen Geirfuglasker. Schon seit dem 14. Jalirhundert scheint mau sie daselbst gekannt und ziemlich regelmäßig verfolgt zu hal)en. In den -Jahren 1628 und 39 ereigneten sich indes auf Fahrten nach den Inseln schwere Unglücks- fälle, worauf man viele Jahrzehnte hindurch die gefährlichen Klippen mied. Erst 1732 wurden die Bewohner durcli das zahlreiche Auftreten des Riesen- alks am benachbarten Festlande zu neuen Beutezügen veranlaßt, die man des guten Erfolges halber bis etwa 176(i last alljährlich wiederholte. Bei diesen Fahrten tötete mau alle Vögel, die zu erlangen waren, und fand bis- weilen so viele Eier derselben, daß die Boot(^ damit gefüllt werden konnten. Natürlich ging infolgedessen die Zahl dei- Alke rasch zurück, und die Nach- stellungen unterblieben, wenn man merkte, daß die gefährliche Kx])edition nicht lohnte. Hatten sich aber die Vögel wieder vermehrt, so begann man von neuem mit der Abschlachtung der tlugunfähigen Tiere, die der Ha))gier des Menschen nicht gewachsen waren. Auch fremde Seelahrer landeten auf dem Geirfugla- sker von Reykjaues. 1808 wurden von dei' Besatzung des Dampfers Salamine zahlreiche Ricsenalke daselbst erschlagen und Eier und .hinge niedergetreten. 1813 kam wieder ein anderes Schiff dahin, und man tötete abermals (sine Menge der Vögel ..auf ihren Eiern'-. Die meisten davon salzten die Leute ein, 24 wurden in frischem Zustande ]nitgenommen. viele aber blieben tot auf der Insel liegen, weil das AVetter die beabsiclitigte zweite Landung ver- hinderte. Von all diesen Vögeln sclieint nur ein einziges Exemplar für die Wissenschaft gerettet und nach England gel »rächt worden zu sein. I<jinige
Waudlungen innerhalb der Vogelwelt Islands. 77
der erschreckten Vögel verließen bei diesem Massenmorde die Insel; 1814 wurden z. B. 7 p]xemplare bei Lätrabjarg an der Westküste Islands getötet.
Erst in dieser Zeit richtete sich das Interesse der europäischen Orni- thologen lebhafter der seltenen Vogelart zu, und man versuchte, sie nebst ihren p]iern für die Sammlungen zu gewinnen. Aber schon war das Werk der Vernichtung zu weit vorgeschritten, und bloß wenige Exemplare konnten späterer Wissenschaft erhalten werden.
Da vernichtete plötzlich noch im Jahre 1830 eine vulkanische Katastrophe das Geirfuglasker, diesen letzten Brutplatz des Rieseualks/) Die wenigen überlebenden Vögel trieben sich zunächst in der Nachbarschaft umher und gerieten an verschiedenen Orten der isländischen Küste in die Gewalt der Menschen. Die letzten Individuen wählten als Brutstätte das Reykjanes am nächsten liegende Eldey, womit ihr Untergang besiegelt war. Diese Insel konnte viel leichter als das Geirfuglasker erreicht und bestiegen werden, und so stellte man den wertvollen Vögeln derart nach, daß im Jahre 1844 die beiden letzten Exemplare, ein gepaartes Paar, getötet und deren zerbrochen gefundenes Ei weggeworfen wurde. Spätere Untersuchungen der Insel sind resultatlos gewesen, weshalb man annehmen muß, daß AU-a hnpennls 1844 in Island ausgerottet wurde. Da kaum noch eine oder die andere für Menschen fast unzugängliche Klippe existiert, die als Brutplatz des Vogels in Betracht kommen könnte, ohne bereits daraufhin untersucht worden zu sein, nimmt man jetzt allgemein an, daß die interessante und charakteristische Art überhaupt ausgestorben ist. Der Hauptfoktor, der dies bewirkte, war eben das Unvermögen des Vogels, sich fliegend in Sicherheit zu bringen. Aber im übrigen darf man nicht glauben, daß die Menschen heutzutage rücksichtsvoller handeln, wenn der Kampf ums Dasein oder die Sucht nach Geld jede idealere Regung unterdrückt. Nur strenge gesetzliche Bestimmungen können die Vogelwelt schützen.
Während also die unmittelbar schädlichen, wie auch einige nützliche Vogelarteu Islands durch menschlichen Einfluß zweifellos an Zahl abgenommen haben, kann dies von den vielen kleineren und weniger beachteten Arten kaum gesagt werden. Das ganze Innere Islands zeigt im Vergleiche zu früheren Jahrhunderten kein wesentlich verändertes Bild, zumal auch die Bevölkerung daselbst nicht zugenommen hat. Noch wohnt der Isländer in seinem ein- samen Hofe, nirgends im ganzen Lande — mit Ausnahme der Küsten- streifen — findet sich ein Dorf. Kein Pflug furcht den Boden, keine Fabrikesse schüttet giftigen Rauch über die grünen Matten, kein Eiseubahnzug eilt durch die stillen Täler. Wie aus meiner Schilderung der Landschaftsforraen ersichtlicli ist, tnff"t man in Island noch überall die ursprünglichen, bei uns längst ver- schwundenen Naturverhältuisse, die den reisenden Forscher in hohem Maße anziehen. Und wenn auch der Isländer hier und dort die Kleinvogelwelt durch Wegnahme der Eier schädigt, so ist dies wohl früher nicht viel anders gewesen, und im übrigen nützt er ihr durch Verminderung des Raubzeuges.
^) Auf der geologischen Karte Islands von Th. Thoroddsen, 1901, ist allerdings das Geirfuglasker noch aufgezeichnet.
78 "Wandlungen innerhalb der Vogelwelt Islands.
Ob das Schneehuhn seltner wird, will ich dahingestellt sein lassen; gewisse Bauern erzielen ohne besonder«^ Geschicklichkeit noch derartig große Strecken, daß man vorläufig eine sichtbare Abnahme der Art kaum 7,u konstatieren vermag.
Möchte es noch lange so bleiben! Möchte die einsame Insel im äußersten Europa die Natur so bewahren, wie sie ihr gegeben wurde, 7Aim eigenen Wohle und zur Freude des Wanderers, der sich heraus aus der Kulturwelt zu ihr flüchtet, um aus ihrem Jugendborn zu trinken!
6. Zugverhältnisse isländischer Vögel.
lu der Tertiärzeit besaß Island, wie auch Grönland, Spitzbergen, die Bäreninsel usw. eine ziemlich reiche Flora, und es ist anzunehmen, daß auch die Vogel weit bereits in einigen Arten vertreten war. Bis jetzt mangeln allerdings noch Funde, die sicheren Aufschluß über deren Beschaffenheit geben könnten. Doch handelte es sich jedenfalls um mehr oder weniger zirlmmpolar verbreitete Standvögel. Als dann am Ende der Tertiärzeit jene tiefgreifenden Veränderungen in den physikalischen Verhältnissen der Erde eintraten, die den allmählichen Beginn der Glazialzeit auch für Island be- deuteten, wurden die Vögel, soweit sie nicht untergingen, gezwungen, sich entweder den Unbilden der Witterung anzupassen, oder periodische Wanderungen zu unternehmen, oder das Gebiet überhaupt dauernd zu verlassen. Die zu- rückgedrängten Arten siedelten sich wahrscheinlich in naheliegenden Gegenden au, besuchten in vielen Fällen die ursprüngliche Heimat noch während der Sommermonate und brüteten daselbst, oder kehrten zu dieser zurück, als die Eiszeit allmählich wieder verschwand. Nach Analogie mit andern, besser bekannten Gebieten darf angenommen werden, daß die meisten charakteristischen und weitverbreiteten isländischen Vogelarten von heutzutage Nachkommen der Tertiärformen sind, zu denen sich aber noch eine Anzahl südlicherer Arten gesellte, die erst nach dem Zurückweichen der Glazialzeit in jene Gebiete vordrangen. Diese letzteren kennzeichnen sich schon dadurch als spätere Einwanderer, daß sie nicht zirkumpolar auftreten, sondern zum größeren Teile rein europäisch-asiatische, zum kleineren auch amerikanische Formen darstellen. Die paläarktischen Vögel sind von Norwegen und Groß- britannien, teilweise jedenfiills über die Shetlands-Inseln und Färöer nach Island gelangt, die nearktischen Arten dagegen haben Grönland als Brücke benutzt. Mit Sicherheit kann freilich weiter angenommen werden, daß nicht nur die erwähnten klimatischen Veränderungen, sondern auch mehr zufällige und außergewöhnliche Vorkommnisse, die allerdings wohl erklärbar sind, solche Einwanderungen unterstützt haben, zumal die Vögel wie keine andere Klasse der Landtiere fähig sind, bedeutende Entfernungen in verhältnismäßig kurzer Zeit zurückzulegen. Treten besonders günstige oder besonders un- günstige lokale Verhältnisse ein, so binden sich die wenigsten Vogelarten sklavisch an ererbte Gewohnheiten, sondern verändern diese selbständig und bisweilen in ganz auffälliger Weise.
Gerade Island bietet uns zufolge seiner geographischen Lage und Gestalt alle möglichen Beispiele für die Art des Vogelzuges, und es wird sicher von
80 Zuo-s'crliältnisse islätidisclicr Vögel.
Interesse für die gesiimte Ornithologie sein, diesen auch während des Winters eingehender als bisher in unserni Gebiete zu studieren.
Als weit draußen iin Ozean liegende Insel mit hochaufragenden Küsten und mächtigen Gebirgsstöckeu winkt Island manchen Irrgast herbei, der auf dem vielleicht ungewohnten Meere Weg und Richtung gänzlich verfehlte. Ks handelt sich hierbei zumeist um solche Vögel, die auf dem Zuge durch Stürme und Neliel verschlagen wurden, wie dies z. B. bei Ceryle alcyon, Ujmpa epops und Cerchneis ümmnmla der Fall gewesen sein mag.
Reicht das ständige Verbreitungsgebiet einer Art bis in die Island nächstliegenden Länder und bedingen Zugverhältnisse und Lebensgewohn- heiten eine, wenn auch seltene Wiederholung ihres Vorkommens auf unsrer Insel, so kann man sie als gelegentlichen Gast bezeichnen. Dahin gehören z. B. Merula merula, Sturnns vulgaris, Apus apus und Vanellm lumellus. Am häufigsten wird es sich um Vögel handeln, die von ihrem Zuge zwischen Norwegen und Schottland durch südöstliche Stürme abgelenkt wurden, wie man dies in verschiedeneu Fällen für die Färöer und Island nachgewiesen hat. Aber nur ein verschwindend Tileiner Teil der verschlagenen AVanderer mag das rettende Eiland erreichen. Die meisten finden in dem weiten Ozean ihren Tod. Andere streben nach der fern winkenden Insel hin, erreichen diese mit Aufbietung der letzten Kräfte, stürzen sich todmüde auf den Strand, werden jedoch von den brandenden Wellen mitunter auch hier noch erfaßt und getötet. Derartige Exemplare hat man gelegentlich gefunden, z. B. von Ardeüa ndnuta und Gallbnda chloropns.
Manche fluggewandte und ausdauernde Vogelarten haben aber au und für sich die Neigung, zur Zugzeit weit umherzustreifen. Sie erscheinen mit- unter, wie die Krähen (Corvus comix und frugücgus), gelegentlich des Herbst- zuges, wenn auch erst am Ende desselben, in Island, oder wie die Scliwalben (Hirundo rustica und Chelidonaria urhica) im Frühjahre.
Als Gäste kommen auch die jüngeren Individuen einiger größerer Vogelarten in Betracht, die erst im Alter von mehreren Jahren fortptlanzungs- fähig werden, bis dahin aber große Teile der Erde, darunter auch Island, besuchen. Ich erinnere hierbei au Stercorarms pomarinus und cepphus, Pnjjinus gravis und vielleicht auch an Ardea cinerea.
Bei all diesen Gästen, wenigstens den häufigeren Arten, liegt die Möglichkeit vor, daß gemeinsam erschienene Paare zur Brut schreiten, wie solches die beiden Schwalbenarten mehrfach, freilich erfolglos, versucht haben. Sind die Lebensbedingungen genügende und kommen die Jungen wirklich in die Höhe, so ist nicht ausgeschlossen, daß diese samt den Eltern die Insel von nun an als Heimat betrachten, wie es vielleicht ]>ei Fulica atra und Marem amencana der Fall sein mag. Natürlich können derartige Vögel ebenso rasch auch wieder verschwinden. Aus der Beobachtung oder p]rlegung einzelner Individuen seltner Arten während der Sommermonate darf man jedoch durchaus nicht ohne weiteres auf deren Brüten in Island schließen, wie dies nur zu leicht geschieht. Man muß hierbei zunächst an jüngere, noch nicht geschlcchtsreife oder alte, gelte Tiere denken. Gelegeutlidi inögen
Zugverlaältnisse isländischer Vögel. 31
nucli gesellig- lebende Vögel, wie Enten, einzelne Exemplare verwandter Arten aus den gemeinsamen Winterquartieren, die teilweise schon an den britischen Küsten liegen, mit nach Island locken. Diese mehr oder weniger freiwilligen Gäste verlassen natürlich die Insel auch erst mit der folgenden Zugzeit. Bei Beobachtung aller derartigen Erscheinungen ist nötig, sich von Nest, Eiern oder Jungen zu überzeugen, bevor mau sie als Brutvögel bezeichnet.
Weiterhin müssen die mehr oder weniger regelmäßigen üurchzügler erwähnt werden, die Island als willkommene Station auf ihren Wanderungen von oder nach den nordwärts liegenden Brutgebieten benutzen. Es kommen hierbei besonders Vögel aus Nordostgrönland, Mevenklint, Jan Mayen und Spitzbergen, etwas weniger wohl von der Bäreninsel und dem nördlichen Norwegen in Betracht. Einige dieser Arten nehmen mitunter schon in Island, besonders an der eisfreien Südküste, ihr Winterquartier. Dies mag am häutigsten bei rein arktischen Vögeln der Fall sein, z. B. bei Fagoj^hüa ebumea, Xema sabiniifnnd nordostgrönländischen Exemplaren von Hierofalco [Pjrfalco. Andere Arten treiben sich längere Zeit auf oder in der Nähe unserer Insel umher, z. B. Lams lencoptencs, Nyctea nyctea und Alle alle, wandern aber häufig auch noch milderen Klimaten entgegen. Die meisten der Durchzügler freilich berühren Island nur kürzere Zeit auf der langsameren Herbst- und eiligeren Frühjahrswanderung. Manche davon, wie Branta leucopsis und Larus leucoptems, erscheinen ziemlich regelmäßig, andere, wie Alle alle, Tnnga camdns und Calidris arenaria, nur gelegentlich. Die zahl- reichen nordischen Vogelarten, von denen Angehörige in Island selbst brüten, lassen sich natürlich auf ihren Wanderungen schwer kontrollieren.
Auch von den durchziehenden Gästen bleiben mitunter einzelne I^xemplare und kleine Scharen während des Sommers in Island zurück. Ob man es dann freilich bei den größeren Arten, wie Branta leticopsis, Anser hrachyrliynchus und Nyctea nyctea, mit Brutvögeln zu tun hat, ist sehr fraglich. Jedoch konnte das ausnahmsweise Brüten kleinerer nordischer Gäste, wie Tringa catmtus und Calidris arenaria, festgestellt werden.
Besonders interessant ist es endlich, die Zugverhältuisse der regelmäßigen isländischen Brutvögel zu betrachten. Wie wenige gleichgroße Gebiete zeigt unsere Insel gan,z auffällige klimatische Verschiedenartigkeiten, die selbstverständlich einen bedeutenden Einfluß auf ihre gesamte organische Welt ausüben. Der Süden Islands wird von der warmen Golfstromtrift bespült, während die an der Dänemarkstraße liegenden nordwestlichen Gebiete unter dem ungünstigen lilinflusse der kalten Grönlandsströmung zu leiden haben. Jene Meeresteile sind deshalb fast immer auch völlig eisfrei, während die nördlichen Küsten oft genug vom Treibeise blockiert werden. Zu diesem gesellen sich noch heftige, kalte Winde, die das betroffene Land nicht selten bis in den Juni hinein unter Schnee und Eis begraben sein lassen. Aber auch tief im Innern Islands sind die lokalen Gegensätze groß, berühren sich jedoch hier und da. Zwischen eisigen Gletschern und ewigen Schneefeldern liegen geschützte Täler, die durch vulkanische Einwirkungen, insbesondere durch kochende Quellen, derart erwärmt werden, daß sie das ganze Jahr
Hautzsch, Vogel weit Islands. 6
82 Ziifjvoi-liällnissc isländischer X'ilgrl.
übei* schneefrei hloilteii. V'crscliiedeiie (iewiisser. kleine IJäelie sowdlii als ganze Seen, z. IJ. große Teile des Myviitn, frieren iiiis diesem ({r\iiide niemals zu, wie schon im 4. Abschnitte hervorgehoben wurde.
Kein Wunder, daß sich infolgedessen einheitliche Termine für die Jahres- teilung vieler isländischer Vogelarten nicht angeben lassen, was sich sowohl bei den Ankunfts- und Abreisedaten, wie bei den lirutzeiten usw. bemerkbar macht. Das lokale und temporäre Schwanken des islandischen Klimas führt in all diesen Beziehungen zu Angaben, die auch unter sonst natürlichen Lebensbedingungen der Vögel mehr als Monatsfrist voneinander abweichen. Ich habe selbst z. B. auf meiner Reise beobachtet, wie die Wiesenpieper bei Reykjavik bereits überall mit dem Baue des Nestes begannen, während sie eine Woche später im Nordwesten eben erst angekommen waren und noch in Scharen auf schneefreien Orten umherliefen. Es ist durchaus nicht selten, daß die Mehrzahl der Vögel einer Gegend erst frische I']ier besitzt, während dieselben Arten gar nicht weit davon bereits die Jungen füttern. Je kleiner und zarter eine Spezies und je mehr sie auf Pflauzenwuchs und damit gleich- zeitig sich entwickelnde Tiere angewiesen ist, desto unbestimmter sind die Kalenderdaten, in denen sich ihr lieben während des Jahres abspielt. Ver- suchen einzelne Individuen, sich den Unbilden der Witterung voreilig gegen- überzustellen, müssen sie dieses nicht selten auf das schwerste büßen.
Die Zugverhältnisse der isländischen Brutvögel gestalten sich nun ungefähr folgendermaßen. Die wenigsten Arten sind ausgesprochene Zug- vögel, die unter allen Umständen zu einer annähernd feststehenden Zeit die Insel, besonders von ihrem südlichen Teile aus, verlassen und ebendahin wieder zurückkehren. Nur einige Kleinvögel, vor allem Saxkola oenantJie und Turdus iliacus, sowie verschiedene Regenpfeifer und Strandläufer, besonders Charadrius apricariiis und Palidna a/jyi.na, sind hierher zu zählen. Jedoch ist bei unserer geringen Kenntnis der winterlichen Verhältnisse Islands nicht ausgeschlossen, daß auch von solchen Arten gelegentlich einzelne Individuen zurückbleiben, wie mir beispielsweise von Numenius j)haeopuii mit Bestimmtheit versichert wurde. Die Zugrichtung der isländischen Vögel ist im allgemeinen im Herbste eine südöstliche, im Frühjahre eine nordwestliche. Die Wanderer eilen, wie dies aus den Rinzelbesprechungen im 2. Teile der Arbeit mehrfach genauer ersichtlich ist, mit gelegentlicher Benutzung der Färöcr oder Hebriden auf Schottland zu, von wo aus sie allmählich, besonders längs der Küsten, weiter nach Süden streichen. Die meisten Individuen mögen bereits auf den Britischen Inseln, einige sogar schon auf den Färöern überwintern. Daß von dieser Inselgruppe aus auch eine Zugbewegung isländischer Vögel über Shetland nach Südnorwegen stattfindet, ist unwahrscheinlich, da von hier aus große Scharen in entgegengesetzter Riclitung nacli Schottland ziehen. Konträre Zugbewegungen als Regel sind aber kaum jemals beobachtet worden; denn von einem mehr oder weniger planlosen Umlierstreifen könnte hier ja nicht die Rede sein. Im Frühjahrszuge bedeutet Nordschottland den Scheideweg vieler norwegischer und isländischer Vögel. Während sich jene über die Shetlaudsinseln nach Südnorwegen wenden, bewegen sich diese über die
ZiigverhiUtiiisse isländischer Vögel. 83
Färöer mich Island. Ein beständiger Austausch isländischer und norwegischer Ilotdrosseln (Turdns iliaacs) z. JJ. ist keineswegs anzunehmen. Ein regel- mäßiger Zug isländischer Vögel nach Südostgrönland scheint nicht statt- zufinden, obwohl das umgekehrte Verhältnis besteht. Dagegen mögen die Sti'ichvögel Islands gelegentlich Grönland besuchen und von hier ausnahms- weise auch mit grönländischen Wanderern nach der Ostküste des nördlichen Amerikas gelangen.
Der größte Teil der isländischen Vögel sind teilweise Zugvögel. Dies bedeutet, daß die Hauptmenge der Individuen, besonders Junge und Weibchen, zu einer ungefähr feststehenden Zeit von der Insel verschwindet, ein mehr oder weniger großer Prozentsatz aber an offenen Wasserstellen im Innern und an der Küste zurückbleibt. Diese Eigentümlichkeit, die sich in wenigen Gebieten unter gleicher Breite so auffällig als in Island wiederfinden mag, hat, wie schon bemerkt, seinen Grund in dem Vorhandensein milder Küstenstrecken und heißer Quellen. Ich werde bei Besprechung der einzelnen Vogelarten im 2. Teile dieses Buches öfters hierauf zurückkommen, soweit das Winterleben der isländischen Vögel überhaupt bekannt ist. Hervor- gehoben sei hier nur, daß z. B. Rallus aquaticm auf unserer Insel in der Mehrzahl überwintert und nur zum geringen Teile fortzieht, was selbst bei uns in Mitteleuropa gerade umgekehrt ist. Verschiedene Strandläuferarten, insbesondere Arquatella manüma und Arenaria interpres, wurden den ganzen Winter über am Meeresufer getroffen. Dieses bietet dann noch soviel Nahrung, daß sogar südliche Gäste, wie Vanellus vanellus, Siurnus vulgaris oder Corvns frufjllegus, ihr Leben daselbst fristen können. Auch von den Enten, Gänsen und Singschwänen bleibt ein Teil im Lande zurück. Doch sind die immerhin in beschränkter Zahl vorhandenen offenen Gewässer nicht imstande, alle im Sommer daselbst wohnenden Individuen auch wälirend des Winters zu ernähren, zumal fremde Gäste aus dem Norden sich den zurückbleibenden Vögeln zugesellen.
Einen weiteren beträchtlichen Teil der isländischen Vogelarten kann man als Strichvögel bezeichnen. Es sind dies zunächst die Lummen, Alke, Scharben, gewisse Möven und andere verwandte Gattungen, die auf das Meer angewiesen sind und einesteils schon die natürliche Neigung haben, sich außerhalb der langen Brutzeit auf der weiten Wasserfläche auszubreiten, andernteils aber auch lokal gezwungen werden, sich von dem Treibeise, der allzugroßen Kälte des Wassers und den heftigen Winterstürmen nach mildereu Meeresteilen zu flüchten. So verschwinden die Baßtölpel z. B. von der nordischen Insel Grimsey im Winter fast ganz, während sie auf den Vest- mannaeyjarn zum größten Teil Standvögel sind. Auch die den weiten Ozean zu ihrem Winteraufenthalte wählenden Scharen der Lummen und ver- wandten Arten verlassen ihre Brutgebiete nur während der kältesten Wochen und Monate, höchstens im Dezember, Januar und Februar, und soweit fest- gestellt ist, bei günstiger Witterung nicht besonders weit.
Ebenso streifen viele der im Innern Islands überwinternden Vögel zwischen benachbarten Futterplätzen umher, ohne sich an einem derselben
6*
g4 Zugverhältiiisse isländischer Vögel.
dauernd niederzulassen. Die Leinfinken werden dann aucli abseits der Buscb- wälder auf schneefreien Grasfläcben geseben; die Jagdfalken ))esucben die Sammelplätze der Enten und Scbneebübner usw. Je milder der Winter und je zahlreicber die Möglicbkciten. zusagende Nahrung zu finden, desto größere Bewegungsfreiheit zeigen die Vögel. Wird jedocli die Kälte anhaltend und bedeckt allerorts tiefer Sclinee den Boden, so drängt sich das gesamte Vogel- leben des Innern an einigen besonders günstigen Plätzen zusammen. Dann wird es mitunter einzelnen Bauern am My-vatu niclit schwer, in wenigen Wochen 1000 Schneehühner und zahlreiches Wasserwild zu erlegen, trotzdem die Leute die Jagd auf ziemlich primitive Weise und auch meist ohne Hunde betreiben.
Eine kleine Zahl isländischer Vögel kann nmn endlich als Stand- vögel bezeichnen. Dahin gehören gewisse Exemplare der schon genannten und angedeuteten Arten, die au geeigneten Örtlichkeiten wohnen, außerdem noch in der Hauptsache die Zaunkönige, Schueeammeru und Raben. Diese drei kommen im Winter häufig in die Nähe der Viehställe bei den einsamen Gehöften im Innern oder in die Ortschaften au den Küsten Islands. Daselbst suchen sie solange ihr Leben zu fristen, bis der neue Frühling sie wieder verschwinden läßt. Gegen diese Standvögel verhalten sich die Isländer meist duldsam, ja schütten ihnen sogar Abfälle vor die Türen. So mögen die meisten der isländischen Wintervögel, wenn nicht ausnahmsweise ungünstige Witterung herrscht oder Menschen und Raubtiere sie vernichten, das Frühjahr glücklich erleben.
7. Bedeutung der Vogelwelt Islands für die Bewohner.
Außer dem Fischfänge und der Viehzucht ist die Ausnutzung der Vogel- welt die einzige hervorragendere Einuahmequelle für die isländische Land- bevölkerung. Zweifellos hat unsere Tierklasse auf der Insel ungleich höhere Bedeutung, als in einem dichtbevölkerten Kulturstaate, wo ihr Nutzen zum großen Teile nur ein indirekter ist, ihr Schaden aber sich auffälliger bemerkbar macht, indem der Mensch jeden fremden Eingriff in die von ihm selbst intensiv verwerteten Naturobjekte als solchen empfindet.
Schädlich sind in Island bloß wenige Vogelarteu und auch diese nur lokal und temporär, wenn sie dichter bewohnte und infolgedessen landwirt- schaftlich stärker ausgenutzte Gegenden besuchen. Diese Schädlichkeit bezieht sich auf solche Vögel, die größere Tiere verzehren, wohingegen von einem Schaden an der ja überhaupt dürftigen Pflanzenwelt nicht die Rede sein kann.
Wirklich unangenehm werden nur die beiden großen Raubvogel arten, Haliaetus alhicUla und Hierofalco gyrfaUo, wenn sie die Brutplätze der Eider- enten täglich beunruhigen und brandschatzen, der Seeadler wohl auch ein junges Schaf raubt und der Jagdfalke zahlreiche Schneehühner wegfängt. Aber der Seeadler lebt zum großen Teil von Fischen, die mau ihm am Meere ohne weiteres gönnen kann, dazu von den im einzelnen ja nicht besonders wertvollen Felsenvögeln, von denen sowieso zahlreiche durch elementare Einwirkungen zu Grunde gehen. Andernteils ist auch klar, daß eine völlige Ausrottung der Raubtiere nur eine allmähliche Degeneration der bisher als Nahrung dienenden Vögel, besonders wenn es sich wie hier zumeist nicht um Zugvögel handelt, zur Folge haben würde.
Der Jagdfalke ist au und für sich wohl noch schädlicher als der Seeadler, aber doch hüten sich manche berechnende isländische Bauern, ihn im Brutgebiete zu schießen, weil sie durch Wegnahme seiner Eier und gelegentlich auch Dunenjungen einen nicht unbedeutenden jährlichen Gewinn in Aussicht haben. Da der Vogel gewöhnlich 4 Eier legt, von denen das Stück ausgeblasen selbst in Island mit 4 — 8 Mark, von Reisenden sogar noch höher bezahlt wird, sehen die Bewohner am Myvatn z. B. durchaus nicht gern, wenn man einen Jagdfalken zur Sommerzeit schießt, trotzdem die Vögel genug Enten wegholen. Würden die Eier geringwertig sein, möchte die Vernichtung des stolzen Räubers weit rascher vor sich gehen, als dies nun in Wirklichkeit der Fall ist.
8fi Heck'iitiiiiL; der ^'ogol\v('lt Islands.
Der Sfhiulcii des kleinou Steinfalkcii wird selten bocli angeschlagen und infolgedessen der Vogel wenig verfolgt. Dasselbe gilt von dem in mauclien Gegenden häutigen Kaben. der besonders durch Vertilgung von Kiern und jungen Vögeln nützlicher Arten Schaden anstiftet. Da er aber im allgeDieinen unbrauchbare Stoft'e verzelirt und dort, wo er verfolgt wird, seine sonstige Dreistigkeit sehr bald ablegt, stellt man ihm nur gelegentlich nach. Kbens(» vorhält es sich mit den Raubmöven, die mau zwar gleichfalls als Nesträuber kennt, sie aber nur hier und dort energischer verfolgt.
Auch den Fischräubern der Binnengewässer stellt man kaum irgendwo planmälMg nach. Urinator Imbcf und lumme sind niclit so leicht zu schieüen, und Mergus merganser und f<errator, sowie die fischefressenden Knten nützen anderweit durch Eier, Fleisch und Federn. Stema macrura, die zeitweise ausschließlich von kleinen Fischen lebt, hält wieder durch ihre ['nrulie und Angriffslust die Raubvögel, Raben und Raubmöven von den IJrutiilätzen der Fidervögel und anderer Enten ab, weshalb man sie scliützt und gern in der Nähe solcher Orte gleiclifalls brüten sielit. Dazu nimmt man ihr die äuL^erst zarten Eier.
Von einer Schädliclikeit solcher Vögel, die aus dem Meere ihre Nahrung holen, kann natürlich erst recht nicht die Rede sein, und man verfolgt sie um so weniger, je geringer der Wohlgeschmack ihrer Eier und ihres Fleisches, sowie die (iüte ihrer Federn ist. Dies gilt z. B. von Phalacrocorax carbo und gracuhit^.
Einige Arten, besonders die kleineren, sind in ihrer Bedeutung für den Menschen indifferent. Doch haben ja alle Vögel wenigstens ästhetischen Wert, wenn auch der ungebildetere Isländer nicht viel davon spüren mag. Sie beleben die öden Landschaften durch ihre Stimme, mit der sie sich S(» ausgezeichnet der „Stimmung" der Natur anpassen; sie sind die Verküudei' des Frühlings und des Herbstes, des Morgens und des Abends. Sie begleiten den einsamen Reiter über Berge und durchs Tal. sie besuchen den fleißigen Fischer, der weit draußen auf hoher See seiner Arbeit nacligelit.
Viele Vögel nützen nun aber dem Menschen unmittelbar durch Eiei', Fleisch und Federn, ja es gibt Gebiete in Island, z. B. die Insel Grimsey, die ohne das Vorhandensein unserer Tierklasse kaum bewohnt sein möchten. Teils wird lohnender Handel damit getrieben. Docli mag es kaum jemand auf Island geben, dessen alleiniger Beruf der Ausnutzung der Vogelwelt gälte.
Das Wegnehmen und der Handel mit Vogel eiern ist nur bezüglich der Eiderenten gesetzlich beschränkt, im übrigen aber freigegeben und wird von den Isländern so viel als möglich betrieben. Freilich hat in bewohnten Gegenden nur {.Wx Grundeigentümer das Recht der Wegnahme auf seinem Besitztume, wo ihm ja auch ohne weiteres das Jagdrecht zusteht. Das Sammeln der Eier von selten unbefugter I'ersonen kann als Diebstahl ver- folgt werden. Auch hat der Besitzer von Ortlichkeiteu, auf denen Vögel kolonienweise nisten, das Recht, das Betreten dieser Gebiete zu untersagen, was auf Eiderbrutplätzen nicht selten streng gehaudhabt wird. Außerhalb solcher, ja immer eng begrenzter Bezirke sammeln die Isländer meist rücksichtslos alle liischcii Eier, mit Ausnalime der kleinsten, die sie
Bedeutuno der \nsiol\vcU Islands. 87
zufälligerweise oder auch durch besonderes Suchen auffinden. Doch werden am Myvatn z. B. selbst die der Wiissertreter nicht verschont, trotzdem die Leute genug' größere haben.
Besondere Bedeutung' gewinnt die Wegnahme der Eier natürlich nur dort, wo die Vögel in Kolonien brüten, vor allem an den Vogell)ergen und an einigen Seengebieten, die Saniraelorte der Enten darstellen. Doch werden auch die Brutplätze von Seeschwalben, großen Raubmöveu, Mantel- möven und andern Arten in gew^issen Abständen besucht und der Eier beraubt, bis mau den Vögeln endlich gestattet, ihr erstes oder zweites Nach- gelege zu bebrüten. Natürlich Avird dieser Termin je nach Gutdünken des Besitzers eher oder später angesetzt. Audi im übrigen geschieht das Sammeln nicht allerorts auf dieselbe Weise. Am Myvatn beginnt das Wegnehmen der Eier selten vor Anfang Juni und wird etwa einen Monat, doch kaum über das erste Drittel des Juli hinaus, fortgesetzt. Mau sammelt vorzugs- weise die Eier der Enten und Säger, nimmt aber auch alle andern, die gleichzeitig gefunden werden, mit fort. Gewissen Arten raubt man das ganze Gelege, andern läßt man 3 oder 4 Eier im Neste zurück, worauf dei" Vogel dieses weiterb(;nutzt. Der l^esucli der Brutplätze wird melirmals wiederholt. Den Ohrentauchern (Colymhus anräus) und andern weniger wert- vollen Vögeln nimmt man sogar bis Ende Juli die noch frischen Gelege, wenn man beim Fischfange an den Nestern vorüberfährt. Die Eier werden 7.\im größten Teile für den Selbstbedarf l>enutzt, da ein Transport auf Pferden schwierig ist. Der Reisende, der im Juni irgend einen H(»f am Myvatn besucht, erhält zu den drei täglichen Mahlzeiten i'cgelmäßig gekochte Eier vorgesetzt, von denen die der Seeschw^albe und der isländischen Schellente als die wohlschmeckendsten gerühmt werden. Bei meinem Juliaufenthalte in Reykjalid hatten die schlecht aufbewahrten Eier, die in Kisten im Schuppen standen, .schon sehr an Frische eingebüßt, ja gelegentlich wurden auch etwas fmgebrütete auf den Tisch gebracht. Selten nehmen sich die Bauern die ]Müh(', die Eier sorgfältiger zu konservieren.
Nicht so leicht ist das Sammeln an den Vogelbergen, doch üben sich die Bewohner in der Nähe solcher Ortlichkeiten von Jugend auf im Klettern, das ja für einen ki-äftigcn und schwindelfreien iAIenschen keine besonderen Schwierigkeiten )>ietet. Auf Grimsev kennt jeder Bauer das zu seinem Hofe gehörige Stück des Berges ganz genau und hantiert beim Sammeln gewöhnlich allein. Er bindet ein langes Seil um einen kurzen eisernen Stab oder hölzernen Pfahl, von denen eine Menge iu den steinigen Orund auf der Höhe des Vogelberges fest und tief eingeschlagen sind, und wirft es dann den Felsen hinunter. Nun klettert er selbst, sich mit beiden Händen am Seile haltend, langs:ini schräg abwärts, wobei er die ihm genau bekannten Vorsprünge benutzt. Oft rutschen die Leute auch, nur durch die dicken Fausthandschuhe geschützt, sehi- rasch an fiberhängenden Felspartien abwärts, wobei die größte Gefahr immer darin besteht, daß lose Steine auf sie herabrollen. Sie nehmen nun mit einer Hand die Eier weg, stecken sie in Taschen und iimgehiingte Ik'utel und steigen hingsnni und siclier wieder
gg Bedeutung der Vogelwelt Ishiinls.
hiuaii. um sich oben ilirer Ernte zu entledigen. Dann klettern sie nueli einer andern Richtung von neuem abwärts. Das Sammelergebuis der unteren Felspartien wird wohl auch bei ruhigem Wetter in ein Boot geschafft, das zur Zeit der Ebbe am Strande steht. Wenn Anfang Juni die Hauptsammeizeit eintritt, bindet sich der Kletterer das Seil um den Leib und wird ol)en von mehreren andern Männern gehalten. Eine weitere Person steigt auf einen Vorsprung, wo ihn beide Teile sehen können, und gibt durch Winke kund, wenn der Fänger hinaufgezogen sein will, da das Geschrei der unzähligen Seevögel natürlich die menschliche Stimme auf weitere Entfernungen hin völlig übertönt. Seit vielen Jahren ist hierbei auf Grimsey niemals ein schwereres Unglück vorgekommen, trotzdem alle Bauern dasell)st oft genug au den Felsen herumklettern. Mir hat ein über TOjähriger Mann ganz allein Eier und Vögel geholt. Man nimmt auf Grimsey fast nur die Eier von Uiia, Alca und Rimi, beginnt mit Sammeln Ende Mai und setzt dies gelegentlich bis Ende Juni fort. Die Vögel sollen in der Regel nicht mehr als einmal nachlegen. Ein Teil der Eier wird von den Leuten selbst verzehrt, ein anderer auch für 5, bezw. 6 Öre das Stück an die Besatzung von Walfängern und andern Schiffen, die AVasser auf der Insel holen, verkauft oder gelegentlich auch nach Akureyri gesandt. Ganz ähnlicii sind die Ver- hältnisse in der Umgebung anderer Vogelberge. Frisch gelegte Eier der genannten Arten haben gekocht einen recht angenehmen Geschmack, doch werden auch die angebrüteten p]xemplare von den Bewohnern häufig verzehrt, nachdem mau den Embryo entfernt hat. Die Zeit der Eierernte stellt für die Gegend den Höhepunkt des Wolillebens dar. Gewöhnlich 'sind die Vorräte nach einigen Wochen, spätestens Monaten aufgezehrt und verkauft. Eine längere Aufbewahrung ist im allgemeinen auch nicht ratsam, weil sehr viele der Eier beim Sammeln Eindrücke und Sprünge bekommen und infolge- dessen rasch verderben.
Eine nicht unerhebliche Einnahmequelle für gewisse isländische Bauern bildet auch der Verkauf von Eiern seltnerer Vogelarten zu Sammel- zwecken. In den meisten Gegenden der Küste gibt es Kaufleute, die wohl erhaltene volle oder richtig ausgeblasene Exemplare zu einem bestimmten Preise von den Bewohnern kaufen und nun weiteren Handel damit treiben. Fast überall kennen deshalb die Leute viel besser als bei uns den Wert der einzelnen Arten und bieten dem fremden Reisenden gefundene Eier selten billig an. Selbst auf Grimsey mußte ich z. B. das volle, auch angebrütete Ei von Alle alle mit 1,05 Krone bezahlen, zu welchem Preise die Leute in dem einen Jahre 70 — 80 Stück nach Akureyri verkauft hatten.
Außer den Eiern sind vor allen Dingen die Federn der Vögel vi>u Bedeutung, die einen wichtigen Ausfuhrsartikel des isläudisclien Handels darstellen. In erster Linie stehen die Eid er dunen, von denen das Pfund (= ^2 '^8") i'^ 8'"^ gereinigtem Zustande einen Exportpreis von 8 — 13 Kronen besitzt. In den letzten Jahren schwankte dieser zwischen 8,5 und 11 Kr.').
1) Diese und die folgenden statistischen Angaben verdanke ich der Güte des deutschen Konsuls für Island, Herrn Kaufmann Thonisen in Reykjavik.
Bedeutung der Vogelwelt Islands. j-!9
Freilicli ist die Mühe der Reinigung eine bedeutende. Man holt die Dunen in der Regel erst dann, wenn die Jungen das Nest verlassen haben, be- unruhigt die Vögel vorher gar nicht oder nimmt ihnen höchstens für den Selbstbedarf einige Eier, deren Verkauf ja gesetzlicli verboten ist. Bauern- höfe, zu denen Eiderbrutplätze gehören, haben besonderen V^ert, und man bemüht sich überall an den Küsten, die Vögel ansässig zu machen. Der teuerste, allerdings im Besitze der Landeskasse befindliche Hof Islands, Laxamyri in der Sudr ])ingeyjar Sysla, der einen Wert von etwa 25000 Kronen haben soll, erreicht diesen teilweise durch seine vorzüglich besetzte Eider- kolonie. Der Gesamtexport Islands an Eiderdunen beträgt jährlich 5- bis • iOOO Pfund. 1902 wurden, soweit bekannt, 5923 Pfund ins Ausland verkauft.
Andere Vogelfedern sammelt man melir für den Selbstbedarf. Im Jahre 1902 wurden nur 646 Pfund zum Preise von 420 Kronen exportiert. Am Myvatu und an andern bedeutenden Brutorten der Süßwasserenteu nimmt man deren Dunen nach beendigter Brut. Doch wird das Pfund solcher kaum höher als mit 5—6 Kr. bezahlt. In einigen Gegenden sammelt man auch die Federn der mausernden Vögel, von denen jedoch nur die des Schwanes einigen Wert besitzen. Auf Grimsey waren die Gras- flächen am Rande der Vogelberge so dicht mit kleinen weißen Federn bedeckt, daß man den Eindruck hatte, es sei ein leichter Schnee gefollen. Hierbei handelt es sich um die besten, die Bauchfedern, die den Vögeln au den Stellen der Brüteflecken ausgehen. Doch sammelt man diese nicht. An